Überleben mit Polenta und Käse Nicht nur Frauen und Mädchen arbeiteten zu extrem niedrigen Lölmen. Eine allgemeine Lebensmittelteuerung und die Masseneinwanderung ausländischer Arbeiter verschlechterte die wirtschaftliche Lage der Arbeiter in Tirol allgemein. Durch das Überangebot an Arbeitskräften wurden die Löhne immer mehr gedrückt. Das Accordanten- und Subunternehmerwesen wurde eingebürgert, welches - wie das Gewerbeinspektorat 1899 fes tstellte - „mit Löhnen arbeitet, um welche der mit der Familienerhaltung belaste te einheimische Arbeiter selbst unter größ ten Entbehrungen nicht zu leben vermag, umsomehr als diese Einwanderer infolge des ausschließlichen Genusses von Polenta und Käse und des Übernachtens in bereitgestellten Schupfen von der Lebensmitteltheuerung gar nicht berührt werden".9 Waren italienische Arbeiter jedoch mit ihren Familien ins Land gekommen, wie es zum Beispiel in Vorarlberg häufig der Fall war, so konnten sie von den niedrigen Fabrikslöhnungen oft nicht leben, weil sie keine zusä tzliche Bauernwirtschaft hatten. Hier half manchmal nur das Betteln der übrigen Famüienmitglieder gegen den drohenden Hungertod. Eine Besserung der Situation war schwer möglich. Denn die Chancen eines beruflichen Aufstiegs waren auch bei längeren Aufenthalten in den Industriegebieten äußerst gering. 90 Prozent aller Italiener / innen in Vorarlberg waren 1910, auch wenn sie schon vor längerer Zeit eingewandert waren, über den sozialen Rang eines Hilfsarbeiters oder Taglöhners nicht hinausgekommen. Sobald ein Trientiner arbeitslos wurde und seinen Lebensunterhalt nicht zu bestreiten vermochte, konnte er jederzeit aus seinem Aufenthaltsort ausgewiesen und in 42 die Herkunftsgemeinde zurückgeschickt werden. Denn die Zuwanderer aus dem Trentino hatten zwar die österreichische Staatsbürgerschaft, doch selbst nach langjährigem Aufenthalt kein Heimatrecht in den Gemeinden, in denen sie Arbeit fanden. Nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Abtrennung des Trentino von Österreich-Ungarn ging die Auswanderungsbewegung zurück und die Arbeitsmigration nach Österreich hörte auf. Viele Auswanderer kehrten ins Trentino zurück. Auch Wand erhändler und fahrende Handwerker stellten allmählich ihre Wanderungen ein.10 Anmerkungen 1 Laut einer Rezension in der Zeitung „L'Avvenire de! Lavoratore" vom 16. März 1900 stammt di e Broschüre von Cesa re Battisti (Ausku nft von Prof. Vincenzo Ca li , Trento). Gubert, Renzo/ Gorfer, A ldol Becca lu va, Umberto: Emigrazione Trentina. Trento 1978, S. 10; L'emigrazione trentina nel 1911 , hrsg. vom Ufficio per la medi azione de! lavoro in Rovereto. Rovereto 1912, S. 32-33. 3 Vg l. Gubert (wie Anm. 2), S. 9-20 und 32-33. 4 Siehe Thaler, Franz: 100 Ja hre Brennerba lm, in: Sonderdruck aus ,,Bezirksbla tt Innsbruck-Land " (1 967), S. 18-22; Sollath, Alfred/ Stöbich, Gottfried/ Stratowa, Wulf: 100 Jahre Brennerbalm 1867-1967, Festschrift der Österreichischen Bundesbahnen. Innsbruck (1967), S. 14-26. 5 Vg l. Rasera, Fabrizio: Per una s tori a de! movimento operaio trentino da ll e origini al!a guerra: un bil ancio critico, in: Materia li di lavoro 2-3. Rovereto 1983, S. 3-6; Sutterlütti , Robert: Di e ita lienische Arbeiterschaft in Vora rlberg in d er Phase der zweiten Industrialisi erung des Landes (1870-1914). Hausarbeit Universitä t Innsbruck 1981, S. 50 ff. 6 Rosanelli, Maurizio: Alcune le ttere inedite di Antonio Piscel a Viktor Adler, in: Materiali di lavoro 2-3. Rovereto 1983, S. 105-106. 7 Vgl. Sutterlütti (wie Anm. 5), S. 72-88 und 175. 8 Vgl. Johler, Reinhard: Mir parlen Italiano und spreggen Dütsch piano. Ita lien ische Arbeiter in Vorarlberg 1870-1918 . Feldkirch 1987, S. 51 und 130-132. 9 Bericht d er k.k. Gewerbe-lnspec toren über ihre Amtsthä tigkeit im Jahre 1899. Wien 1900, S. 135. 10 Vgl. Sutterlütti (wie Anm. 5), S. 127-172 und 62.
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