Nicht der bereits delegierte Losert, sondern Prähauser wurde als Vertreter von Salzburg und Oberösterreich zum internationalen Sozialistenkongreß nach Genf entsandt, welcher die endgültige Trennung von den Anarchis ten und Sozialutopisten vornahm. Loserts Stern in der Salzburger Arbeiterschaft erlosch also schon nach kurzem, blendendem Leuchten. Losert genoß anfangs als Märtyrer für die sozialdemokratische Sache das unbeschränkte Vertrauen der Arbeiterschaft. Doch die Nachfrage nach Utopien war nach Hainfeld ziemlich gering geworden. Losert wurde Mi tte Juni 1893 von Parteigenossen förmlich „ausgelacht" .28 Das so erfolgreiche Triumvirat Losert-Egger-Prähauser zerfiel. Prähauser wurde zur Leitfigur der Salzburger Sozialdemokra tie im Ringen um Arbeiterschutzgesetze, Normalarbeitstag, Fabriks- und Werkstä ttenordnung, Sonntagsruhe, Invaliditäts- und Altersversicherung und um politische Rechte. Der Gegensa tz zwischen Kapital und Arbeit galt weiterhin als kapitalistisches Grundgese tz - die Arbeiterbewegung verblutete jedoch nicht mehr an der unlösbaren Aufgabe, ihn sofor t aufzuheben. Der ,,Reformismus" kam sicherlich von unten, aus der Arbeiterschaft und aus den Kadern der leiderfahrenen kleinen Funktionäre. Da gab es immer noch ausreichend zu tun für klassenbewußte Tagespolitik; die sozialistische Zukunftshoffnung beherrschte die gefühlsschwangeren feiertäglichen Festri tuale. Auch beinahe alle ehemaligen Radikalen waren jetzt gut sozialdemokratisch, zum Beispiel Karl Fürst, der vor Hainfeld zu den Sympathisanten des revolutionären Terrors gezählt hat te. Von den Führungskadern folg te lediglich Egger dem Auszug Loserts aus der Sozialdemokratie. Die beiden fanden vorübergehend bei den „Unabhängigen " eine politische Heima t. Losert ha t offenbar bis gegen Jahresende 1893 weiter an der „Allgemeinen Zeitung" mitgearbeitet. Das Blatt geriet jetzt in den Bannkreis des antiautoritären Sozialismus. An die Stelle der s traffen, angeblich entmündigenden sozialdemokratischen Partei trat die „freie Initiative der Individuen" auf der Basis von Selbstbildung, Vernunft und Selbstbestimmung. In ferner sozialistischer Zukunft aber wartete eine Welt ohne Ausbeutung, nicht durch das Kapital, noch durch einen „Staa tssozialismus".29 Damit wußten die Salzburger Arbeiter nichts anzufangen . Der Verein „Zukunft" verlor beinahe die ganze Anhängerschaft; eine Halleiner Vereinsversammlung mußte „wegen der erregten Stimmung der Sozialdemokraten" vorschnell abgebrochen werden.30 Bald trennten sich auch Egger und Losert. Egger ging mit seiner „Allgemeinen Zei tung" und dem Verein „Zukunft" zu den „Theoretischen Anarchisten". Dem Arbeiteranarchismus Eggers en tzogen jedoch die sozialdemokratischen „reformistischen" Erfolge sowie die brutalen polizeilichen Verfolgungen das schwache Lebenslicht. 34 Die um Egger und den aus Linz am 13. Oktober 1894 zugewanderten Schneidergesellen Hospodsky gruppierten letz ten„Theoretischen Anarchisten " waren nicht mehr als eine Tischgesellschaft. Die jetzt alleine von Egger redigierte „Allgemeine Zeitung" wurde mehrere Male beschlagnahmt, ehe sie nach Graz übersiedelte, bis zum Jahre 1895 der allerletzte Zufluchtsort des alpenländischen Arbei teranarchismus. Egger wurde wegen illegalen Broschürenver triebes in Klagenfurt angeklagt, jedoch freigesprochen. Während des Verfahrens ist seine Familie nach Klagenfurt übersiedelt, und er selbst ist später nicht mehr nach Salzburg zurückgekehrt. Losert gründete im Jänner 1894 den „Verein für Sozialreform" und die Zei tschrift „Blätter für Sozialreform".31 Die sehnlich erhoffte Revision des bürgerlichen Gesetzbuches wurde jetzt zum Gegens tand untertäniger Bitten an den Salzburger Gemeinderat und den Reichsrat. Der Verein hat 1897 seine Tätigkeit de facto einges tellt. Dann verliert sich Loserts Salzburger Spur. Anmerkungen 1 Loser t, Anton: Grundherr oder Bauer? Sa lzburg 1890, S. 14. ,,Sozialdemokra ti sche Blätter", Nr. 1, Juli 1892. 3 „A ll gemeine Zeitu ng", Nr. 4, Apri l 1893. • 1 „Sozialdemokratische Blä tter", Nr. 6, Dezember 1892. ,,A ll gemeine Zeitung", Nr. 3, März 1893. 6 „Sozialdemokratische Blätter", 6.11.1892. 7 „Sa lzburger Chronik", 30.10.1892. • ,,A ll gemeine Zeitung", Nr. 3, März 1893. • Angeblicher Leserbrief in „Allgemeine Zeitung", Nr. 2, Februar 1893. 10 Sa lzburger Landesarchiv, Landesausschu ß N r. 8/3, 25.1.1892, Wanderlehrer Anton Losert. 11 Salzburger Landesarchiv, Lds . Regierung Nr. 3892, Programm vom 1. Apri l 1892. 12 Erlaß abgedruckt in „Soz ialdemokratische Blätter", Nr. 1, Juli 1892. 13 Sa lzburger Landesarchiv, BH Sa lzburg Land, 29.9.1890. 14 „Sa lzburger Chronik", 17.12.1892. 15 Bri.igel, Ludwig: Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 4. Wien 1923, S. 385; siehe auch Steinkellner, Friedrich : Georg Lienbacher. Sa lzburger Abgeordneter zwischen Konservatismus, Liberalismus und Nationa lismus, 1870-1896. Salzburg 1984, S. 139 f. 11 ' Sa lzburger Landesarchi v, Lds. Präs. Zl. 932/1892, li egt bei 3767/1894 . 17 Sa lzburger Landesarchiv, Lds. Präs. 1892/ 150, Geheimakten, III/2. 18 Salzbllrger Landesarchiv, Landesregierung, 10040/VI/D/1891, amtli che Außerung zur Vereinsgründung. 1 • Sa lzburger Landesarchiv, Geheimakten 1852-1919, Karton Maifeiern . 20 Sa lzburger Landesarchiv, Ld s. Präs . 1890/50. 21 Salzburger Landesarchiv, Lds. Präs. 1893 /844. 22 Sa lzburger Landesarchiv, Lds. Präs . 1893/ 144, Bezirkshauptmann, St. Johann. 23 Sa lzburger Landesarchiv, Geheimakten, Sozialisten und Anarchis ten 1894 / 95. " RepubLikarchiv Wien, Sozia ldemokratie, Parteistellen, Karton 100, 14.1.1896. 25 „Allgemeine Zeitung", Nr. 1, Jänner 1893, und Nr. 2, Februar 1893. 26 „Allgeme ine Ze itung", Nr. 4, Apri l 1893. 27 „A llgemeine Ze itung", Nr. 7, Anfang Juli 1893. 28 „A ll gemeine Zei tung", Nr. 7, Anfang Juli 1893. 29 „A llgemeine Zeitung", Nr. 12-13. 30 Salzburger Landesarchiv, Lds. Präs. 66/1894, Akten Egger. 3 1 Sa lzburger Landesarchiv, Landesregierung, 77/VI/D/ 1894.
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