geistiger Speise gegen die Roten. Eine in Taxenbach verbreitete Flugschrift warnte vor der „sozialistischen Schlaraffen-Gesellschaft", welche sündhaft den Himmel auf Erden suche.5 Der Kooperator Schmitz kam sogar in eine Bischofshofener sozialdemokratische Volksversammlung, um die Arbeiterschaft über die vermeintliche dreieinige sozialdemokratische Lehre aufzuklären - nämlich: ,,Vollständige Glaubenslosigkeit, es darf nämlich niemand etwas glauben", Gütergemeinschaft und Republik.6 Die Sache schien ernst, aber nicht hoffnungslos, seit die Sozialdemokraten „mit der rothen Kravatte und den Kalabresern" daran arbeiteten, ,,unser Landvolk gegen alle bestehende Ordnung aufzuhetzen" und besonders Bischofshofen „für ihre blutigen Pläne" ausersahen.7 In allen sozialdemokratisch gefährdeten Orten wurden daher sogenannte II Unpolitische Katholische Arbeitervereine" gegründet, die das Landvolk hauptsächlich mit katholischer Glaubenspflege gegen die Sozialdemokraten zu immunisieren verstanden. Der Taxenbacher Dechant Prey sprach das Anathema über Loserts Synthese von Christentum und Sozialismus: „Die Sozialdemokratie steht mit den Lehren unseres göttlichen Heiland im Widerspruch wie Licht und Finsternis."8 Diese Töne entzogen dem zar ten Pflänzchen sozialdemokratischer Neutralität in Glaubenssachen den Boden. Loserts religiös eingefärbte Schreibweise mißfiel ohnehin vielen Genossen. Auf der ers ten Salzburger Sozialdemokra tischen Landeskonferenz am 16. April 1893 regnete es saftige Protes te gegen Loser ts religiöse Formulierungen. Jakob Prähäuser - später Salzburger Parteiführer - ätzte gegen Losert: „Wer noch Bibelzitate nötig ha t, möge sich selber eine Bibel kaufen." Die Sozialdemokratie galt ,,gerade in dem vermuckten und verpfafften Land der Finsterlinge und Rückwärtser . . . als Vorposten für Freiheit, Kultur, Zivilisa tion und wahren Fortschritt"9 . Kurz gesagt: Der Klassenkampf wurde am Lande zum Kulturkampf. Der Arbei terpriester und der religiöse Sozialist sind nicht zu Grundtypen der österreichischen Geschichte geworden. Losert selbst kam durch sein Bekenntnis zu einer radikalen Sozialreform um Amt und Würden. Er mußte auf Druck von oben aus dem sozialdemokratischen Verein ,,Zukunft" unverzüglich austreten.10 Sein schriftlich eingebrachtes Lehrprogramm für die Bauern wurde nicht genehmigt, weil er wieder einmal den „Kapitalismus" als die Ursache der bäuerlichen Not und „die Vereinigung der Grundbesitzer zum genossenschaftlichen Betriebe der Gutswirtschaft" als letzte Hilfe bezeichnete - nach Meinung der Landesregierung eine Aufforderung zum „Haß gegen die Ansammlung von Gütern in einer Hand".11 Losert durfte sich nur noch mit Fragen von Technik und Produktion befassen, seine Vorträge wurden von den Bezirkshauptmannschaften überwacht.12 Die Berichte über bedenkliche Äußerungen Loserts häuften sich. Nichts schien ihm heilig, nicht einmal da s heikle Thema Krieg und Frieden. Der Krieg galt ihm „nur als Produkt der Mächtigen, die Völker wollen sich nicht bekriegen, nur Ländergier, Herrschsucht und Hochmut einzelner rufen denselben hervor und belas ten durch die ungeheuren Rüstungen das Volk"13 . Schließlich gr iff sogar der Ackerbauminister in die Auseinandersetzungen ein . Er sperr te die Subvention für die Landwirtschaftsgesellschaft, solange Losert angestellt sei. Losert wurde mit Jahresende 1892 als landwirtschaftlicher Wanderlehrer entlassen - er wurde nun „sozialdemokratischer Wanderlehrer". 14 Sein Leidensweg war damit noch nicht zu Ende. Seine Aufenthaltsgemeinde Aigen verdonnerte ihn zu einer Geldstrafe, weil er im Konkubinat lebte.15 Aufschwung mit 11Zukunft" Losert konnte sich jetzt offen zur Sozialdemokratie bekennen. In der Salzburger Bewegung gaben drei ganz unterschiedliche Aktivisten den Ton an: Egger, Prähauser und eben Losert. Der Tischlergehilfe Franz Egger kam aus der radikalanarchistischen Szene der achtziger Jahre. Er hatte in Klagenfurt eine mehrjährige Haftstrafe wegen Hochverrates abgesessen - wei l er sich zus timmend zu politischer Gewaltanwendung äußer te. Nach seiner Ankunft in Salzburg fand er offenbar noch viele Gleichgesinnte. Salzburg war von 1872 bis zum Hainfelder Einigungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie 1889 fest in radikaler Hand. „Radikalität " war in den siebziger Jahren bereits mit der Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht verbunden, welches der Arbeiterschaft „Staa tshilfe" erobern sollte - im Gegensatz zum „gemäßigten" Standpunkt, der „Bildung" als alleinigen allgemeinen Weg zur sozialen Besserstellung propagierte. Die polizeilichen und bürokratischen Schikanen der achtziger Jahre drängten sodann die Arbeiterbewegung geradezu in den Untergrund. Welchen Wert hatte jetz t ernsthaft die Erwar tung, durch Bildung zur Freiheit zu gelangen? Konnte mit dem allgemeinen Wahlrecht die 31
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