Die Roten am Land

angegriffener Gesundheitszustand infolge eines früheren Unfalls. Mit der Neuwahl am 26. Mai 1925 endete Filzers letzte Periode im Tiroler Landtag. ,,Sozialist im gemäßigten Sinne ... " Johann Filzer, der seine letzten Lebensjahre überwiegend auf seinem Hof bei Kitzbühel verbrachte, wurde bereits zu Lebzeiten legendär. Dazu trug nicht unwesentlich sein markantes Äußeres bei - weißes, langes und wirres Bartund Haupthaar. Um seine Erscheinung als „Bauernphilosoph" rankten sich Gerüchte und Geschichten, und sein Ruf als „Spinner" sollte ihn bis in seinen Tod begleiten. Filzer wählte - soviel läßt sich heute feststellen - nach dem 25. November 1930 den Freitod, indem er im Schwarzsee nahe Kitzbühel „ins Wasser ging". Anfälle von Schwermut scheinen ihn zu diesem dramatischen Schritt bewogen zu haben . Seine Leiche wurde ers t am 3. Dezember au~gefunden und einjge Tage darauf geborgen. Uber seinen Tod berichteten sowohl lokale als auch überregionale Zeitungen. Allgemein wurden sein Wissen und seine Ausnahmeerscheinung als Bauer und (roter) Philosoph gewürdigt. So schrieben die konservativen ,,Küzbüheler Nachrichten": ,,Das was an Filzers Ges talt besonders Achtung und Wertschätzung erheischend erscheint, is t sein selbsterrungenes Wissen.... Als Sozialist im gemäßigten Sürne ließ sich der einfache Bauer und Zimmermann in gelehrte Auseinandersetzungen mit den großen Führern der Bewegung ein. War er in jungen Jahren manchmal ein Stürmer, so zeitigte das Alter in ihm eine objektivere Weltanschauung ... "30 Hans Filzer vereinigt in sich einige Brüche und Widersprüche der Tiroler Sozialdemokratie. Das lohnt es, sich mit seiner Person und seiner Rolle in der Tiroler und Vorarlberger Arbeiterbewegung zu befassen. Der Bauer Filzer war der Prototyp eines Autodidakten, für den die Maxime „Wissen ist Macht" Geltung hatte. Er war aber auch - infolge der besonderen Lage der Kleinbauernschaft in Tirol - stets mit dem „Absinken" in die Arbeiterschaft konfrontiert. Seine Wanderjahre und seine Arbeitsaufenthalte außerhalb Tirols brachten ihn in Kontakt mit „fremden" Ideen. Bei der Umsetzung dieser Gedanken - insbesondere seinen Versuchen einer sozialistischen Bauernagitation - scheiterte er allerdings . Zwar wurde ihm immer wieder agitatorisches Vermögen bekundet, doch blieb seine Wirkung recht beschränkt. Einzig seine Bemühungen um die Gründung von Genossenschaften, vor allem der Raiffeisenkasse in Kitzbühel, waren erfolgreich - vielleicht gerade deshalb, weil sie sich nicht in traditionell sozialistischen Bahnen bewegten. Auch mit seinen Versuchen, in den Institutionen der Sozialdemokratischen Partei Fuß zu fassen - als Parteisekretär in Vorarlberg oder als Mitarbeiter der „Volkszeitung" in Tirol - , hatte Filzer kein Glück. Es folgte der Rückzug auf schrifts tellerische Tätigkeiten im Bereich der Heimatkunde. Filzers Entsendung in den Tiroler Landtag durch die Sozialisten war schließlich eher ein Ausdruck des Respekts für sein langes politisches Engagement als ein Erfolg eigenen Wirkens. Anmerkungen 1 Zita t im Tite l aus Fi lzer, Johann M.: Anschauungen über di e Entwicklung der menschlichen Gesellscha ft von ihrem Urzustande bis zur Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Bauernstand es . Kitzbühel 1895, S. 177. 2 „Volk szeitung", 3.12.1 897, in einer „Lebensskizze" zu Johann Filzer. 3 Filzer und Petzo ld planten ein gemeinsames Buchprojekt, welches aber nie zus tande kam (vgl. ,,Kitzbüheler Nachrichten" N r. 51, 13.12.1930). Ih r erstes Zusammentreffen dürfte jedoch ni cht a llzu freundlich verlaufen sein . In seinem Tagebuch notierte Pe tzold: „16 XI 1917 ... ha tte heu te Gelegenheit, einen Blick in di e Mora l eines Bauern zu tun. Da lebt in nächste r Nähe von uns der sogenannte Bauernphilosoph Fi lzer ... er nennt sich einen Socialdemokra ten, verlangt ab(er) a ls__ so lcher von armen kranken Soldaten 1.40 k. für ein Kilo schlechte Apfel. ... Der Bauer bleibt sich in jeder Weltanschauu ng gleid1 , d er Altrui smus is t ihm da u(nd ) dort fremd. Seine Confession is t - Bauer sei n " (zitiert nach Kirschner, Elfriede: Die Tagebücher des Alfons Petzold 1904-1922, Diss. Innsbruck 1984, S. 300). 4 Im AIJ gemeinen Verwaltungsarchi v in Wien befind e t sich ein Brief Johann Filzers an Vi ctor Adl er mit der Bitte um Durchsicht und eventuell e Besprechung d es Buches in der „Arbeiter-Zeitung" . (Diesen Hinweis verda nke ich Reinha rd Mittersteiner, dem ich an dieser Stelle für die de tektivische Mithilfe bei der Rekonstru ierung von Johann Filzers Lebens lauf danken möchte. ) Fil zer (wi e Anm. 1), S. 175, Anmerkung. 6 Vgl. Oberkofl er, Gerhard: Di e Tiroler Arbeiterbewegung. Von d en Anfängen bis zum Ende d es 2. We ltkri eges (2. Aufl.). Wien 1986, S. 56 f. 7 So Fi lzer am 4. Parteitag in Wi en vom 25. bis 31. März 1894. Vg l. Oberkofler (wie Anm . 6), S. 71. 8 Auszüge aus Fi lzers Rede in der „Vo lkszeitung" Nr. 17, 9.6.1 898, S. 2. 9 Auszüge aus Fi lzers Red e am Innsbrucker Parteitag vom 29.10 bis 2.11 .1911 in Mayr, Johann: Soz ialdemokratie und Agrarpolitik. Linz 1987, S. 158 und S. 183 f. 10 Vg l. ,,Volkszeitung" N r. 17, 9.6 .1 898 (wie Anm. 8). 11 Auch die sozia listische„ Volkszeitung" Nr. 3, 28.1.1 898, S. 3 und die liberalen „lnnsbrucker Nachrichten" Nr . 12, 17.1.1898, S. 3 berichteten von di eser Veransta ltung. 12 „Unterinnthal er Bote" Nr. 4, 28. 1.1898, S. 7; das Bl att mußte einges tehen, daß die Veransta ltung „gut besucht" wa r, vermerkt aber, da ß„ viele (da von) Neugierige" gewesen seien (ebd.). 13 „Volkszeitung" Nr. 8, 10.3.1899, S. 3. 14 „Vo lkszeitung" Nr . 32, 11.11.1 898, S. 1 f. 15 So Mittersteiner, Re inha rd: Peripherie und Sozialismus. Die Konstitui erung der soziald emokratischen Arbeiterbewegung in Vora rlberg (1 889-191 8), Di ss. Wi en 1988, S. 39. " ,,Vorar lberger Vo lksbl att " Nr. 230, 11.10.1898, S. 4. 17 „Vorarlberger Vo lksb latt" Nr. 281, S. 5 f. 1 • ,, Vorarlberger Vo lksbla tt " wie Anm. 16; eine ähnl iche Drohung find et sich auch in der Nummer 281 d esselben Blattes. 19 „Vorarlberger Volksblatt" Nr. 123, 31.5.1899, S. 3 f, welches auch berichtete, daß d ieses Programm „ in den letz ten Tagen überall in Höchst 27

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