Die Roten am Land

frieden zu berichten, daß nur „30-35 Theilnehmer" anwesend waren und davon kaum ein Dutzend „wirkliche Höchster" gewesen seien.20 Johann Filzer wurde bei seinen Agitationsversuchen nicht nur mit Worten angefeindet, er bekam auch die Macht des Gesetzes sowie der Arbeitgeber zu spüren. Im Herbst 1899 wurden Filzer und zwei weitere Genossen vor das Innsbrucker Bezirksgericht geladen. Ihnen wurde vorgeworfen, unerlaubt einen sozialistischen Aufruf verteilt zu haben. Filzer - der aufgrund einer Anzeige durch den christlichsozialen Brixentaler Schulmeister angeklagt war - kam mit einem Freispruch davon, der mitangeklagte Genosse G. Bordatto erhielt allerdings fünf Tage Arrest.21 Filzers Tätigkeit bei einer Vorarlberger Zündholzfabrik endete 1901 mit seiner Entlassung. Polemisch berichtete das „Vorarlberger Volksblatt" darüber, prophezeite Filzer aber keine lange Arbeitslosigkeit, da seine ,,Sozifreunde in Innsbruck und Wien . .. sicher schon vorgearbeitet" hätten, um den „Hauptagitator und Verfasser des Fußacher-Bauernprogrammes leicht irgendwo unterbringen (zu können), vielleicht als Schriftsteller für die Parteizeitung, oder als Wanderapostel für confuse Ideen" .22 Johann Filzer dürfte nach seiner Entlasssung aus der Zündholzfabrik 1901 Vorarlberg verlassen haben. Jedenfalls bedauerte der Obmann des Arbeiterbildungsvereines Hard, Johann Baptist Kalb, die Abreise Filzers und sprach die Hoffnung aus, daß die verbliebenen Genossen imstande sein würden, die Lücke auszufüllen.23 Am 16. Mai 1904 heiratete Johann Filzer-45jährig- die Westendorfer Bauerntochter Maria Riedmann und ließ sich endgültig in Tirol nieder. Wieder in Tirol: Vom Agitator zum Politiker Anläßlich der 11. Landeskonferenz der Tiroler Sozialdemokraten, am 20. April 1902, forderte Johann Filzer eine effizientere Aufmachung des Parteiorgans„Volkszeitung". Das Niveau des Blatts, welches um 1900 eine Auflage von nur knapp 2000 Stück hatte, sollte gehoben werden, damit es in Tirol die „politische Führerrolle" erlangen und in diesem Sinne „erziehend und belehrend" wirken könne.24 In der Folge scheint Filzer versucht zu haben, an der „Volkszeitung" mitzuarbeiten. Ab Jahresende 1902 erschien im Blatt eine Rubrik unter dem Titel „Bauern-Zeitung", deren Artikel mit ,,-F-" signiert sind. Es kann angenommen werden, daß Filzer ihr Verfasser war. Offenbar in Konkurrenz zur im selben Jahr gegründeten christlichsozialen „Tiroler Bauernzeitung" versuchte Filzer, durch 26 die Einrichtung dieser Spalte neue Leser für das sozialistische Organ zu gewinnen. Die Artikel zur genossenschaftlichen Organisation des Bauernstandes sollten vor allem Menschen aus dem ländlichen Bereich ansprechen.25 Nachdem Johann Filzer bereits 1887 erfolglos für den Reichsrat kandidiert hatte, trat er zu den Reichsratswahlen von 1907 wieder an - mit einem eigenen, von ihm verfaßten Zehnpunkteprogramm, das sich im großen und ganzen an das „Fußacher Programm" anleimte, jedoch die zusätzliche Forderung nach „Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau in öffentlich- und privatrechtlicher Beziehung gegenüber dem Manne benachteiligen", enthielt.26 Johann Filzer unterlag jedoch seinem prominenten christlichsozialen Gegner, dem späteren Tiroler Landeshauptmann Dr. Franz Stumpf, deutlich mit 991 zu 4237 Stimmen. Für die Tiroler Sozialdemokratie insgesamt war die Wahl aber ein Erfolg: Nach einer Stichwahl zogen Simon Abram aus Innsbruck und August Avancini aus Trient in den Reichsrat ein.27 Auch anläßlich der Reichsratswahlen von 1911 kandidierte Johann Filzer auf der Liste der Tiroler Sozialisten, vermochte aber wiederum nicht gegen seinen christlichsozialen Konkurrenten zu gewinnen. In den folgenden Jahren zog sich Johann Filzer immer mehr aus der politischen Basisarbeit zurück. Er trat zwar noch als Redner bei sozialistischen Schulungen auf, verfaßte aber nun vor allem heimatkundliche Aufsätze; unter anderem beleuchtete er das Schicksal der Kitzbüheler Wiedertäufer und der Bergarbeiter aus dieser Gegend.28 Als nach dem Ersten Weltkrieg die „Provisorische Tiroler Nationalversammlung" gebildet wurde, durften die Sozialdemokraten acht der 42 Mitglieder stellen; darunter befand sich - überraschend - Johann Filzer. Durch die ersten Wahlen zum Tiroler Landtag 1919 wurden die Sozialdemokraten mit elf Mandaten - hinter den Christlichsozialen mit 38 - zweitstärkste Fraktion. Im neukonstituierten Landesparlament besetzte Johann Filzer für die Sozialisten die Ausschüsse für Ernährungsund Wirtschaftsangelegenheiten sowie für Forstwirtschaft und Bauwesen. Als dienstältester Abgeordneter leitete er auch die Angelobung der Mandatare.29 Filzer dürfte bei seiner parlamentarischen Tätigkeit eher ein „Hinterbänkler" gewesen sein. Schon bald nach der Aufnahme der Geschäfte durch den Landtag ließ er sich öfters - krankheitshalber - beurlauben. Er meldete sich, falls überhaupt im Landtag anwesend, nur selten zu Wort. Seine wenigen Anträge waren durchwegs den Problemen der Kleinbauern gewidmet. Ein Grund für das nunmehr eher ruhige politische Dasein Filzers war sicher sein fortgeschrittenes Alter - er war inzwischen bereits 60 Jahre alt geworden - und sein

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