Die Roten am Land

Land" ins Leben, deren Obmann er bis 1898 war. Dies mag nicht ganz in Einklang mit seiner sozialis tischen Gesinnung gestanden sein - Filzer tra t 1894 der vier Jahre zuvor gegründeten Tiroler Sozialdemokratie bei6 -, en tsprachen doch die Vorstellungen Raiffeisens nicht der Absicht der Sozialisten lassallescher Richtung, durch selbstverwaltete Produktionsgenossenschaften die Gesellschaft umzugestalten. Johann Filzer war aber nie starrer Dogmatiker, sondern wich - um seine Vorhaben verwirklichen zu können - schon einmal von der „reinen Theorie" ab. ,,Große Politik" . . . Ab 1894 nahm Johann Filzer an Parteitagen der österreichischen Sozialdemokratie teil. Seine Wortmeldungen bezogen sich stets auf die Probleme der Agi tation im ländlichen Raum, da er es für notwendig hielt, ,, den Bauernstand aus den Klauen der Machthaber (zu) entreißen. "7 Am Linzer Parteitag von 1898 beispielsweise ging Filzer auf die Lage der ländlichen Bevölkerung ein, wobei er es als unmöglich ansah, ,, den Kleinbauernstand ganz in die proletarische Bewegung einzubeziehen11 • Denn die Bauern versuchten, solange sie Besi tzer seien, sich der „Macht des proletarischen Gedankens zu entziehen 11. Eine Zusammenarbeit von Sozialisten und Bauern schien ihm einzig dann möglich, wenn letztere erkennen würden, ,,daß sie nur mehr in der Einbildung Besitzende sind 11, und kein Interesse mehr an der „Erhaltung der gegenwär tigen Ordnung" hätten.8 1911, am Innsbrucker Parteitag, befaßte sich Filzer neuerlich mit der ländlichen Agitation. Unter dem Eindruck der zunehmenden Verteuerung der ländlichen Produktion und der wachsenden Verschuldung der Höfe bedauerte er, daß bis „weit hinauf in den ländlichen Mittelstand ... der Kampf ums Dasein von Jahr zu Jahr schwerer ,, werde. Die Ursachen dieser Krise sah er in der mangelnden Schulbildung der ländlichen Bevölkerung, im unzulänglichen Einsatz des technischen Fortschrittes in der landwirtschaftlichen Produktion sowie im Unverständnis der politisch Verantwortlichen für die Probleme der Bauern.9 Auch hier hob Filzer-wie bereits Jahre zuvor in seinem Buch - die Wichtigkeit der Vermittlung von Bildung und Wissen für die ländliche Bevölkerung hervor; dies zu leisten, sah er als eine Hauptaufgabe sozialistischer Aufklärungsarbeit an. ... und „kleine Welt" Filzers klassenkämpferische Töne der Par tei tagsreden stießen in der ländlichen Bevölkerung eher auf Ablehnung. Deshalb beschränkte er sich - bei seiner Agitationsarbei t 24 in Tirol und Vorarlberg - meistens darauf, politische Mitbeteiligung durch ein allgemeines Wahlrecht zu verlangen. Außerdem erwuchs den Sozialisten in den 1890er Jahren durch die Christlichsozialen eine ernsthafte Konkurrenz bei der Landagitation. Die Konservativen vers tanden es hervorragend, von den „Roten11 angesprochene Themen zu verdrehen: So gelang es dem Klerus - als die Sozia listen die Eigentumsfrage stellten-, die verunsicherten Kleinbauern glauben zu machen, die „Sozi11 würden ihnen den Hof wegnehmen. Ebenso bezichtigten die Christlichsozialen die Sozialdemokraten, wegen deren Losung „Religion is t Privatsache11 , der Gottlosigkeit. Nicht ohne Grund beklagte sich Filzer daher auf den Parteitagen über die Agi tationskonkurrenz von seiten der „Pfaffen", die die Sozialdemokra ten häufig als „Schandbauern11 schmähen würden .10 Johann Filzer sprach um die Jahrhundertwende auf zahlreichen Veranstaltungen der Sozialdemokraten. Am 16. Jänner 1898 trat er als Redner im Innsbrucker „Adambräu11 auf. Die Versammlung gal t dem Thema „Die politische Situa tion und d as Wahlrecht in den Landtag„ und hatte großen Zulauf. Über diese Veranstaltung berichteten mehrere Tiroler Zeitungen - so auch das „Tiroler Tagblat t11 , das Organ der libera len Partei, vom 18. Jänner 1898: „Der Bauer Filzer aus Ki tzbühel sprach zum ers ten Theil der Tagesordnung und beleuchtete in 2stündiger Rede, nach einem kurzen Rückblick auf die Entw icklung der capitalistischen Produktionsweise, dem dadurch entstandenen Massenelend, ausführlich die politische Lage, das Verhalten der gegenwärtigen Parteien zu einer gerechten Wahlreform in den Reichsrath und Landtag. Der Redner, welcher seine Ausführungen häufig mit dras tischen Beispielen würz te, erntete stürmischen Beifa ll. " 11 Sein agi tatorisches Vermögen beeindruckte auch so manchen gegnerischen Zeitungsredakteur. Anläßlich einer „sozia ldemokra tischen Versammlung11 , welche am 23. Jänner 1898 in Hall im Gas thaus „zum Neuwirth11 stattfand, hieß es im klerikalen „Unterinnthaler Boten11 : „Der ,Bauer ' Filzer von Ki tzbühel . . . sprach wohl durch mehr als 2 Stunden. Daß seine Rede sowohl sprachlich wie inhaltlich gleicher Weise unbedeutend und ni chtssagend war, hinder t uns nicht zu glauben, daß der Mann für die unteren Schichten des Volkes e twas Einnehmendes haben ka nn ."12 Bei diesen Veranstaltungen kam es immer wieder zu wortreichen Gefechten mit anwesenden Geistlichen, so auch auf der Volksversammlung vom 26. Feber 1899 in Wörgl, wo Filzer zum Thema „Christlichsozial und sozialdemokratisch" referierte. In seiner Rede sprach er der „kapitalistisch gewordenen„ Kirche - die „einstens eine Hoffnung der Armen und Unterdrückten war, heute (aber) vielfach

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