Die Roten am Land

gebügelt, mindestens einmal pro Tag wird ein warmes Essen bereitet, stets frische Lebensmittel werden besorgt und - täglich herrsche Ordnung und Sauberkeit. Diese „Professionalisierung" brachte anstelle einer Aufwertung von Hausarbeit Monotonie und Alltagsstreß mit sich. Auch vom Zuwachs an Freizeit blieben Frauen ausgeschlossen. Die durch kürzere Arbeitszeiten entstehenden ,,Lücken" wurden durch erhöhte Reproduktionsbedürfnisse der Kinder und der Männer ausgefüllt. Zwar sind in den städtischen Familien weniger Kinder zu betreuen, vervielfältigt jedoch haben sich die Aufgaben der Erziehung. Neben einer allgemeinen Intensivierung der ElternKind-Beziehung wird der Bereich der außerschulischen „Nachbetreuung" zu einem weiteren Aufgabenfeld der Eltern, meist der Mütter. 1961 wurde das heutige Karenzurlaubsgesetz wirksam. Gleichzeitig wurden ab diesem Zeitpunkt viele Betriebskindergärten und öffentliche Kinderkrippen geschlossen. An die Stelle familienbegleitender Maßnahmen trat die Idealisierung der mütterlichen Erziehung - die große Bedeutung des Stillens wird hervorgehoben, eine Unzahl ,,fachgerechter" Betreuungsrichtlinien wird publiziert, Entwicklungsstufen des Kleinkindes sollen nun von den Müttern nach-überprüft werden, der „Intelligenztest" für Kinder kommt in Mode . Und überall ist sie aufspürbar in jenen Jahrzehnten des Wirtschaftswunders: die „Hygienisierung", in deren Bann jeglicher Handlungsbereich, selbst der der Gefühle und der Sexualität, gerät. Das „moderne" Leben will repräsentiert sein mit einer Souveränität, die alle dahinterstehende Mühe übertüncht. In den Wohnungen herrscht sterile Sauberkeit; die Küche, die eine Arbeitsküche ist, bleibt isoliert, allein die Durchreiche stellt die Verbindung zum Wohn- und Eßbereich dar; die Kleinheit der Wohnung erforder t rationelle Mehrzweckmöbel - Kasten- und Sofabetten werden tagsüber als bequeme Couchen angeboten. Spuren, an denen Arbeit oder körperbezogene Bedürfnisse ablesbar wären, werden peinlichst vermieden, ähnlich den Körpergerüchen, die mit Deodorants und Schweißblättern getilg t werden. Der Versuch des Unsichtbarmachens ist zusätzliche Mühe. Anpassung an ein Verhältnis? So eindimensional sei das alles nicht gewesen, so einfach seien die Konsequenzen, ein modernes Leben führen zu wollen, nicht zu beschreiben? Sicher, unzulänglich wäre es, Räume und Orte nicht anzuführen, an denen die beschriebene Modernisierung erst viel später passierte, sich dann aber auch anders aus184 drückte. Vom Land, dort, wo traditionelle Wertvorstellungen Abhängigkeiten der Frauen verstärkten und wo vor allem kaum Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Familie bestanden, von dort „flüchteten" die Hoffnungen auf ein unabhängiges Leben in die Städte und Ballungszentren. Unabhängig war das Leben dann in den wenigsten Fällen, vor allem bei unselbständiger Erwerbstätigkeit, die meist die einzige Möglichkeit für die ohne berufliche Ausbildung gebliebenen Bauerntöchter war. Unselbständig aber wären sie auch zu Hause, am Hof, geblieben, um in den Statistiken als „mithelfendes Familienmitglied" geführt zu werden. Besser und attraktiver war es schon, eigenes Geld zu verdienen, um den Genuß von Arbeitsenden, Urlaub, Freizeit- von „Luxus" - auszukosten. Sozusagen als Umkehrung „versank" das Landleben aus der Sicht der Städter in eine Idylle. Was durch den Raster des modernen Lebens fällt, kommt als Sehnsucht wieder zum Vorschein. Dort, wo die Souveränität des modernen Lebens aussetzt, beginnt das Heimweh nach althergebrachten Werten, althergebrachten Lebensweisen - beginnt die Konjunktur der Heimatfilme und der Heimatromane. Jahrzehnte spä ter ers t wird das Bild der Idylle auf die Probe gestellt werden; der Urlaub am Bauernhof hält Einzug in die Freizeitgestaltung der Städter. Aber wo sind jene Brüche auszumachen, jene Zeit- und Raumstellen, an denen eine Änderung der weiblichen Zuständigkeit für die gesamte Reproduktionstätigkeit sichtbar hervorträte? Sicher nicht in der räumlichen Gegenüberstellung Stadt-Land. Eher schon zeitlich - aber allemal in Grenzen. In einer Publikation der Arbeitsmarktverwaltung zum „Frauenmonat März 1989" ist zu lesen, daß auch die jüngste Generation von Vätern noch nicht viel an der Doppel- und Dreifachbelastung berufstätiger Frauen zu ändern vermochte. Umfragen bestätigen, was für viele von uns Alltag ist. Männer übernehmen kleinere Reparaturen, entscheiden über größere Anschaffungen, sie bestimmen den Urlaubsor t und die abonnierte Tageszeitung; ihre Beschäftigung mit den Kindern beschränkt sich auf die Zeit zwischen Rückkehr vom Arbeitsplatz und Beginn der „Zeit im Bild". Unterschiede zwischen berufstätigen Frauen und Hausfrauen sind hinsichtlich der Zuständigkeit für die Reproduktionstätigkeiten kaum auszumachen. Was von Vorteil für Männer ist, ist von Nachteil für Frauen . Zu einfach?! Richtiger wäre es schon, den Begriff ,,Teufelskreis" zu verwenden. Er fängt bei der Zuständigkeit für die Reproduktionsarbeit an; diese bedingt die niedrigen Löhne am Arbeitsmarkt mit; das erhöht die Abhängigkeit der Frauen von der Ehe; die wiederum gewährleistet unbezahlte Dienstleistungen der Frauen, was die

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