Die Roten am Land

M it der Heimkehr der Männer aus dem Krieg und aus der Gefangenschaft sollte sich vieles wieder verändern - doch die Störungen herkömmlicher sozialer Beziehungen saßen tief. Die zurückgekehrte „patriarchale Autorität" bangte um Anerkennung seitens der fremdgewordenen Frauen und Kinder. Die Uninformiertheit des Mannes über die Geschehnisse während seiner Abwesenheit nährte Verdächtigungen. Das Wissen um die Stärke und die Fähigkeiten der Frau auf der einen Seite, dem gegenüber das Verblassen des Nimbus männlicher Überlegenheit - eine Pattsituation. An das Ausmaß der Tragödien in Tausenden Familien erinnern nur mehr die damals geschriebenen Leserinnenbriefe. Öffentlich wurden dagegen die hohen Scheidungsraten - allen voran die der während des Krieges geschlossenen Ehen in den westlichen Bundesländern. Die tiefe Krise der Institution Ehe und Familie beunruhigte: Die zunehmenden Geschlechtskrankheiten, sexuelle Verweigerungen von Frauen und zuletzt die „Chocolate-Girls" wurden mit dieser Krise in Zusammenhang gebracht - die weibliche Sexualität wurde somit zu einem ,,Operationsfeld " politischer und psychologischer Strategien; sie wurde zum Angriffsobjekt und zugleich zum Heilmittel. Ärzte und Gesellschaftstherapeuten sahen in der Frau - so Siegfried Mattl - ,,das beste und zumeist einzig wirksame Heilmittel für die wunde Seele der Heimkehrer". Die geforderte Liebe, Geduld und Opferbereitschaft bedeutete den Verzicht auf berufliche und soziale Emanzipation, nicht aber auf Erwerbstätigkeit, die ökonomisch notwendig war. Die damals als „natürlich gegeben" betrachteten weiblichen Eigenschaften dienten der Verfestigung von Stereotypen sozialer Rollen und der Wiederherstellung traditioneller Beziehungsmuster. Die „Reprivatisierung" der Frau Die Tätigkeitsbereiche der Frau heißen heute Beruf und/ oder Familie. Sie sind klar definiert und trennbarer, nicht mehr verwischt wie in den chaotischen Nachkriegsjahren, was damals aber nicht hieß: weniger umfassend. Die Frau ist jetz t Verantwortliche für das Heim. Hausarbeit wird noch immer nicht unter „Arbeit" gefaßt - dafür spricht man mehr über Doppel- und Dreifachbelastung. Die Sehnsucht nach Frieden wollte erfüllt werden im lang ersehnten eigenen Heim. Nicht bloße Wohnung sollte das sein, sondern ein Ort, an welchem alle Werte, die durch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen wieder in Gefahr gera ten könnten, gewahrt und gepflegt werden wollten: Geborgenheit, Friede, Liebe, Sattsein, Wärme, Zufriedenheit. Was dem „Öffentliehen" nicht mehr anvertraut werden konnte, wurde zur privat zu verwirklichenden Hoffnung. Gleichzeitig wurden diese Bereiche immer weniger öffentlich. Ernähren, Kleiden und Heizen waren in der Nachkriegszeit ein allgemein wichtiger gesellschaftlicher Faktor gewesen - die Frauen waren in der Öffentlichkeit präsent. Sie organisierten den Schleichhandel, ebenso wie sie Hungerdemonstrationen veranstalteten, Petitionen an die Politiker verfaßten. Mit der Normalisierung der Ernährungsfrage verschwanden ihnen für lange Zeit die Motive für politische Aktivitäten. Das sogenannte Wirtschaftswunder, mit ausgelöst von der Marshallplan-Hilfe, wurde meßbar im Vergleich der Konsummöglichkeiten und Lebensbedingungen mit den früheren Verhältnissen. Alle physischen und psychischen Ans trengungen und Aufwendungen konzentrierten sich auf das Wohnen, das Heim, die Freizeit- die Möglichkeiten der Nutznießung jedoch waren geschlechtsspezifisch sehr unterschiedlich. Frauen blieben für das allgemeine Wohlempfinden der Familie zuständig: Die Schaffung von Familienatmosphäre verlangt, daß die Arbeit aus Liebe gemacht wird, und verschweigt, daß die liebevollen Leistungen zur Arbeit werden. Arbeitsplatz Haushalt: Rationalisierung und Intensivierung Die Hausarbeit schien vorerst durch die Technisierung und Rationalisierung, durch leicht zu pflegende Materialien abzunehmen und besser bewältigbar zu werden. Gestiegen sind aber die Anforderungen. Die erste Rationalisierungswelle der Haushalte war bereits in den zwanziger Jahren erfolgt; im Unterschied zu den fünfziger Jahren war sie noch von revolutionär-utopischen Vorstellungen begleitet gewesen: Mit Hilfe von Kollektiveinrichtungen - zentrale Waschküche, Großküche, Speisesaal, Lesesaal, Spielraum usw. - wollten sozialistische Politiker /innen die Einzell1aushalte auflösen, um damit der Arbeiterschaft erstmals ein besseres,,,wirkliches" Familienleben zu ermöglichen. Auch die ersten Großbauten der Nachkriegszeit wurden noch mit einer zentralen Waschküche ausgestattet; diese wurde in den sechziger Jahren von der „gemeinsam" zu nutzenden Tiefgarage abgelöst. Damit wurde ein Großteil der Reproduktionsarbeit endgültig in die eigenen vier Wände verbannt, und zugleich wurden Räume und Orte, die Kommunikationsstätten von Frauen hätten sein können, verhindert. Konnte sich eine Familie die Anschaffung von Haushaltsgeräten einmal leisten, so veränderten sich gleichzeitig auch die Bedürfnisse: Die Wäsche wird öfter gewaschen und 183

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