Die Roten am Land

kale Gegenpropaganda anhören. Die von Felder gegründete und öffentlich zugängliche Bibliothek wurde von „Experten" auf ihre „Tendenz" untersucht, und über Felder selbst verbreitete der Pfarrer von Schoppernau, Johann Georg Rüscher, er verleihe „Hurenbücher".18 Insbesondere die Kapuziner stellten sich in den Dienst der „frommen Sache", warnten öffentlich vor Felders Schriften und übten solange Druck auf die Frau Josef Feuersteins aus, bis dieser den Druck von Felders neuestem Werk „Gespräche des Lehrers Magerhuber mit seinem Vetter Michel" einstellte. Der Konflikt eskalierte soweit, daß Felder sogar tätlich angegriffen wurde. Pfarrer Rüscher war nicht zum Einlenken bereit und verbreitete weitere Lügen über den Dichter und Sozialreformer. Am 7. Mai 1867 mußte Felder schließlich mit seiner Frau aus Schoppernau über das Faschinajoch nach Bludenz zu seinem Schwager Kaspar Moosbrugger fliehen . Daraufhin bekannte sich Moosbrugger öffentlich zu seiner Schrift und bat „alle Eiferer", ihn „zu packen" und „dem bisher wild verfolgten Dichter Satisfaction zu leisten".19 Noch im Mai zeigte Felder Pfarrer Rüscher wegen Ehrenbeleidigung und Bedrohung der persönlichen Sicherheit an und kehrte dann - nachdem die Behörden seine persönliche Sicherheit garantiert hatten - nach Schoppernau zurück. Von Au bis nach Schoppernau wurde er von der Auer Blasmusik begleitet.20 Felders Position wurde gestärkt. Die Anzeige gegen Rüscher hatte er zwar zurückziehen müssen, politisch aber gab es etliche Erfolge: Ein Käseverein, ein Handwerkerverein samt der Leihbibliothek und ein Viehversicherungsverein florierten und fanden in wachsender Zahl Mitglieder. Im Zuge der Gemeinderatswahlen in Schoppernau eskalierte der Konflikt erneut: Felder und sein Vetter, der Uhrenmacher und ehemalige „Fremdler " Johann Josef Felder, wurden in einem Gasthaus von Anhängern des Pfarrers tätlich angegriffen. Am Wahltag bedrohten die mit Prügeln bewaffneten Anhänger des Pfarrers die Wahlkommission, sodaß Felder die Wahl anfocht und vor Gericht Recht bekam. Unter großen Sicherheitsvorkehrungen gewann dann die 11Felder-Partei" die Wiederholungswahl, worauf der Pfarrer verkünden ließ, dreihundert der fünfhundert Schoppernauer seien freimaurerisch.21 Doch die politischen Weichen waren nicht so gestellt, wie Felder und Moosbrugger das gehofft hatten: Das ehemals liberale Vorarlberg wurde „schwarz". Die KasinoBewegung und das übrige katholische Vereinswesen, eine politisierte Geistlichkeit und das„Vorarlberger Volksblatt" als publizistisches Organ bewirkten diese Veränderung der politischen Situation.22 16 Fortschrittliche Reformansätze wie jene Felders und Moosbruggers wurden geächtet. Der Bauernstand geriet zunehmend in die Defensive und in das Schlepptau der Christlich-Konservativen. Die Arbeiterbewegung hingegen orientierte sich in den folgenden Jahrzehnten am Programm von Karl Marx und Friedrich Engels und verwarf zunehmend die Vorstellungen Lassalles: „Felder war der letzte gewesen, der sich die Solidarität von Agrikultur und Industrie zu weiter, allseits segensreicher Entwicklung ha tte vorstellen können. "23 Der politische Katholizismus wollte mit den Bregenzerwälder Reformern selbst über deren Tod hinaus nichts zu tun haben. Noch 20 Jahre nach dem frühen Tod Felders, der - im Alter von nicht einmal 30 Jahren - 1869 verstorben war, mußte eine Feier zu dessen 60. Geburtstag vom Heimatort Schoppernau in die Nachbargemeinde Au verlegt werden. Schon 1875 hatte der Schoppernauer Pfarrer Georg Rüscher die Aufstellung eines Felder-Denkmales auf dem Friedhof untersagt. Das Denkmal war daraufhin gegen den Willen des Pfarrers an der Friedhofsmauer - in der Nähe von Felders Grab - aufgestellt worden. Nun, am 1. September 1889, war es der nicht minder fanatische Nachfolger Rüschers, Pfarrer Josef Gschließer, der eine Gedenkfeier verhinderte. Rüscher damals in seiner Predigt in der Pfarrkirche wörtlich: „Ein Mann is t aufgestanden, der in unverschämter Frechheit es wagte, seinen Seelsorger mit Wort und Schrift zu verhöhnen und sich als Richter über ihn aufzuwerfen. - Gott hat ihn abberufen aus diesem Leben, er hat ihm bei Gerichte ohne Zweifel die Frage gestellt, warum er sich so frech hinausgesetzt habe über die Warnung ,rühre mir meinen Gesalbten ni cht an'. - Allein sein Geist lebt fort in seinen Gesinnungsgenossen . . . . Jenes Denkmal draußen auf dem Friedhofe, das eine das Gesetz verachtende Rotte gegen die geistliche Obrigkeit gese tzt hat, es überliefert den unseligen Namen des Mannes, der die Fackel des Aufruhrs gegen die Seelsorger in diese Gemeinde getragen hat. "24 Auch Felders Mitstreitern Moosbrugger und Feuerstein erging es nicht besser. In das Sterbebuch von Bezau trug der dortige Pfarrer hinter den Namen des im Dezember 1903 verstorbenen ehemaligen Gemeindevorstehers und liberalen Landtagsabgeordneten Josef Feuerstein, der zeitlebens praktizierender Katholik gewesen war, ,,Sozialdemokrat" ein.25 Anmerkungen 1 Tiro ler Landesa rchiv, Gub . Präsidial e ad No. 2892-78 II aus 1844; z it. n. Oberkofler, Gerhard: Anfänge - Di e Vorarlberger Arbeiterbewegung bis 1890, in: Greussing, Kurt (Hg.): Im Prinzip: Hoffnung. Arbeiterbewegung in Vorarlberg 1870-1946. Bregenz 1984, S. 22-72, hi er S. 34. Gourdau lt, Jea n: Sommertage im Bregenzerwald, in: Bregenzerwäl-

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