Die Roten am Land

In ihrem angestammten Terrain begegnete die ÖVP den sozialistischen Organisationsversuchen mit Behinderungen, Einschüchterungen und Überlistungen. Eine erfolgreiche Methode war das gleichzeitige Ansetzen von Veranstaltungen. So wurde in Straßwalchen für den Zeitpunkt der SPÖ-Verans taltung eine ÖVP-Bauernversammlung einberufen, ,,wo sich jeder Bauer mit Unterschrift verpflichten mußte zu kommen, weil das neue Viehablieferungskontingent festgesetzt würde".14 In solchen Fällen wunderten sich die SPÖ-Funktionäre nicht einmal, wenn kein einziger Bauer in die SP-Versammlung kam. Trotz dieser Hürden führten konkrete Erlebnisse im Alltag und die Politik der SPÖ Menschen aus der Landbevölkerung in die Sozialistische Partei. Zunächst vereinzelt, dann etwas zahlreicher: Landarbeiter und Landarbeiterinnen, Forstarbeiter und in geringem Maß auch Kleinund Bergbauern. Zwei Beispiele aus dem Salzburger Land sollen diese Politisierungserfahrungen zeigen. Streik in Hüttau - das hat's noch nie gegeben! Der Streik wird als Agitationsmaßnahme, als Kampfmittel um Arbeiterrechte mehr mit der Frühzeit der Arbeiterbewegung und mit der Ersten Republik in Verbindung gebracht. Weniger mit der Zweiten Republik. Am Landgingen die Uhren anders! Im Salzburger Pongau hatte der Forstarbeiterstreik 1950 Bewegung und Aufregung in die Bevölkerung gebracht. So auch in Hüttau, einem Ort mit wenig Arbeitsplätzen. Der Großteil der Bevölkerung mußte auspendeln. Das rote Bischofshofen bot begrenzte Möglichkeiten. Daneben war die Forstwirtschaft eine beliebte und notwendige Nebenerwerbsquelle für die Kleinbauern. Die Löhne ließen allerdings zu wünschen übrig. Die Waldbesitzer weigerten sich aber konsequent, über jegliche Lohnerhöhung zu verhandeln. So traten auch die Hüttauer Forstarbeiter in einen österreichweiten, vom Gewerkschaftsbund unterstützten Streik. ,,Da hab ' ich gesehen, es gibt bei uns demokratische Spielregeln, der Arbeiter hat ein Recht. Das ist ja damals ers tmalig richtig zum Ausdruck gekommen. In der Ersten Republik ein Streik in unserem Gebiet, das war undenkbar! . . . Und damals ist dann eigen tlich die Gewerkschaft der Land- und Forstarbeiter in unserem Gebiet so richtig aufgebaut worden. Da sind dann alle organisiert gewesen . . . . Für uns, für die Gewerkschaft, war damals Streik ja fast ein Fremdwort. Zu der Zeit hatten wir in Hüttau 18 s tändige Forstarbeiter. Und der Brüggler, mein Nachbar, der ist Betriebsrat gewesen.... Der Brüggler ist dann draußen gewesen in Salzburg bei der Gewerkschaftskonferenz, und ich hab ihn dann am Bahnhof abgeholt. Ich war sein Stellvertreter, und bei uns ist's schon auf des Messers Sclrneide gestanden. Wir hatten vier Wochen eisern gestreikt. Oft war uns wirklich nicht gut zumute. Im ganzen Bezirk waren schließlich 80 Forstarbeiter. Und wenn das schiefgeht, dann kannst auswandern! Und als ich den Brüggler vom Zug abhole, da war gerade der Förster am Bahnhof ... und hat zu uns gesagt: ,Es s treikt's umsonst. Krieg'n werd's zum Schluß die Entlassung und verdienen tat's nix.' Der Brüggler hat ihm dann mit lächelndem Mund gesagt: ,Herr Oberförster, da tan 's eahna täusch 'n. Das Geld hab' ich in der Tasch'n. Die Leut' werden bezahlt! ' Da hat er uns angschaut wie der Ochs vorm neuen Tor.... Das war unser einziger Streik, den wir durchgezogen haben. Später sind die Lohnerhöhungen immer in Lohnverhandlungen durchgegangen. "15 Haflinger oder Noriker? - aufs richtige Pferd gesetzt ... Fusch an der Glocknerstraße wurde bereits erwähnt. In diesem Pinzgauer Ort waren sogar Kleinbauern für die SPÖ zu interessieren. Bei den Kraftwerks- und Straßenbauten hatten auch sie einen Nebenerwerb gefunden. Die Abgrenzung der eingesessenen Bauern gegenüber der Arbeiterbevölkerung war nicht ganz so schroff. Ähnlichkei ten im Lebenszusammenhang wurden hier leichter wahrgenommen, so auch die Unterdrückung durch lokale Autoritäten. Das waren vorwiegend Großbauern, Funktionäre des ÖVP-Bauernbundes, die gleichzeitig politische Ämter bekleideten. Bereits die Wahlergebnisse 1949 demonstrierten einen Emanzipationsakt eines Teils der Bevölkerung gegenüber diesen Dorfpersönlichkeiten. Noch deutlicher wurde dies bei den Landarbeiterkammer- und Bauernkammerwahlen 1950. Die SPÖ konnte bei diesen Wahlen im Pinzgau gut abschneiden. Sie hatte durch ein fortschrittliches Landarbeiterrecht und durch die Demokratisierung der Bauernkammer Wahlanreize geschaffen. Darüber hinaus konnte der SPÖ-Arbeitsbauernbund die Zuchterlaubnis für den „Haflinger" erfolgreich durchkämpfen. Dabei handelte es sich um ein besonderes Anliegen der Bergbauern, denn bis dahin waren nur die „Pinzgauer Noriker" zugelassen gewesen. Und die waren für viele Bergbauernhöfe ungeeignet. „ Unser Obmann vom Arbeitsbauernbund, der Meißnitzer, der hat das mit den Haflingern durchgesetz t. Da waren ja gerade 177

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