Die Roten am Land

SPÖ - was soll das sein? Adolf Schärf? - kenn' ich nicht! Probleme einer zentralistischen Partei Zurück zum Jahr 1945. In der Parteizentrale in Wien hatte man sich gleich nach Kriegsende für den Namen Sozialistische Partei entschieden. Nur in der beigefügten Klammer wurde anfangs noch auf die unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Partei hingewiesen: ,,Sozialdemokraten und Revolutionäre Sozialisten". In der Salzburger Partei wurde die Namensänderung nicht sofort akzeptiert. Man wollte weiterhin Sozialdemokrat / in sein. Viele Dokumente weisen darauf hin, daß es längerer Zeit bedurfte, bis man sich an diese Neubezeichnung gewöhnt hat. Der neue Name war 1945 selbst den eingefleischten Genossen und Genossinnen noch wenig vertraut, ganz zu schweigen von der Abkürzung S.P.Ö. Dieser Informationsrückstand wurde offensichtlich in Wien übersehen. So fand das Namenskürzel S.P.Ö. bereits Verwendung auf den Wahlzetteln im November 1945. Nach den Wahlen kamen Salzburger Funktionäre zu der Überzeugung, daß der Sozialistischen Partei dadurch Stimmen verloren gegangen waren. Einige Menschen - vermutlich auch in anderen Teilen Österreichs - wußten zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht, was sich hinter den drei Buchstaben verbarg. Andere wurden in der Wahlzelle durch die Abkürzungen der Parteinamen verwirrt. Schließlich waren die Österreicher und Österreicherinnen an freie demokratische Wahlen nicht mehr gewöhnt.5 Das Einverständnis mit dem neuen Namen war in Salzburg nur halbherzig erfolgt. Wieder müssen wir vorblenden in die sechziger Jahre. Nach dem „Prager Frühling" und dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in der Tschechoslowakei 1968 entzündete sich in der Salzburger Parteispitze eine Namensdiskussion. Durch die Rückbenennung in „Sozialdemokratische Partei" wollte man sich stärker von den sozialistischen Ostblockländern abgrenzen. Die Rückkehr zum alten Namen blieb - wie wir wissen - nur ein Salzburger Traum.6 Der Vorwurf eines leichtfertigen Umgangs mit dem noch ungewohnten Parteinamen bei den 45er Wahlen war aber nicht die einzige Kritik an den Wiener Parteifreunden. Der Großteil der Wahlpropaganda - Plakate, Broschüren und Flugblätter - erschien für Salzburg als unbrauchbar: ,, ... nur für Wien und di e Ostzone geeignet: sie schadet mehr, als sie nütz t. "7 Es verfestigte sich der Eindruck, daß sich die Wiener Parteiverantwortlichen keine Vorstellung von den Salzburger Verhältnissen machen konnten oder wollten. Sie nahmen viel zu wenig Rücksicht auf das sehr andersartige Parteivolk in der „Provinz". Mit der Wiener Parteiwerbung konnte die SPÖ bei den kleinen Leuten am Land wenig Sympathien gewinnen. „Die Kleinbauern und Häuselleut' fühlen sich doch betroffen und brüskiert, wenn alle Hausbesitzer als Bes itzbürger und Klassenfeinde angegriffen werden. Schließlich sind sie doch auch Hausbesitzer. "8 Die Unzufriedenheit erstreckte sich auch auf Wahlplakate, die die Parteiführer aus Wien darstellten. Im Pinzgau, dem zweitstärksten SPÖ-Bezirk im Land, war man einhellig der Meinung: ,,Das sind Köpfe, von denen die Leute am Land draußen überhaupt nicht wissen, wer die sind. "9 Das hatte seine Ursachen in der langen Phase der Illegalität der Sozialdemokratie während Faschismus und Krieg, im schmalen Informationsfluß und in den beschränkten Medienmöglichkeiten. Die Leute kannten höchstens Karl Renner, Karl Seitz und eventuell noch Rosa Jochmann. So sollte beispielsweise Adolf Schärf, der Bundesvorsitzende der SPÖ und Vizekanzler, erst viel später bei den Bundespräsidentenwahlen 1957 den Menschen am Land und im Gebirge ein Begriff werden. Morgenröte in Salzburg Die Landeshauptstadt als Organisationszentrum der SPÖ Die Salzburger SPÖ hatte 1945 dennoch Grund zur Euphorie: In der Landeshauptstadt war sie zur stärksten Partei geworden. Die SPÖ-Stimmen aus den 1935 eingemeindeten Arbeitervororten Gnigl, Itzling und Maxglan hatten den Sieg ermöglicht. Dieses Ergebnis sollte auch für die zukünftige organisatorische Entwicklung bedeutungsvoll sein. Allein der Umstand, daß nun mit Anton Neumayr ein roter Bürgermeister im Rathaus saß, hob das Selbstwertgefühl der Genossen und Genossinnen. Trotzdem blieb die Innenstadt bürgerlich. Arbeiterbevölkerung und SP-Mitglieder blieben im Zentrum der Stadt eine Minderheit. Nur an den Arbeiterfesttagen - beispielsweise am 1. Mai - gehörte auch die Innenstadt ihnen. Die Maiaufmärsche waren sozialdemokratische Machtdemonstrationen. Man wollte dabei nicht nur der harten Arbeiterkämpfe der Vergangenheit gedenken, sondern der bürgerlichen Öffentlichkeit die Stärke von Partei und Organisation vor Augen führen. Dies war nach dem Zweiten Weltkrieg ein Unsicherheitsfaktor. Würde es gelingen, genügend Frauen und Männer zum Marschieren zu bringen? 175

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