D ie Arbeiterschaft war auf gewerbliche Klein- und Kleinstbetriebe aufgesplittert. Salzburg hatte kein städtisches Industrieproletariat, kaum eine gewachsene Industriearbeiterschaft. Eisenbahner und Verkehrsbedienstete bildeten als größte geschlossene Berufsgruppe das Gerüst der Salzburger Sozialdemokratie. Die Salzburger Proletarier/ innen lebten und arbeiteten in den Eisenbahnknotenpunkten, in den wenigen Industrie- und Bergbaugemeinden. In den Land- und Gebirgsregionen ließen diese Arbeiterhochburgen den Eindruck fremdartiger proletarischer Inseln entstehen. Die sozialdemokratischen Vereine gaben Mitgliedern und Wählern auch in der Provinz Rückenstärkung. Das proletarische Insel-Dasein von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beziehungsweise ihr Gefühl, Menschen zweiter Klasse zu sein, wandelte sich aber ers t in der Zweiten Republik - mit der veränderten Stellung der SPÖ als staatstragender Partei. Allerdings sehr langsam. In konservativen Landgemeinden kam die Erkenntnis, daß ,Rate' auch Menschen sind, mit deutlicher Verzögerung.1 ,,Kein Dorf ohne sozialistische Wähler!" November 1945: Nationalratsund Landtagswahlen in Salzburg ,,So ein Ergebnis, so eine Aufwärtsentwicklung für die sozialistische Bewegung war in der geschichtlichen Entwicklung noch nie zu verzeichnen.... Zum ersten Mal hat die Sozialistische Partei auch erhebliche Fortschritte auf dem flachen Lande gemacht. Es gibt im Lande Salzburg keine Gemeinde mehr, in der nicht Sozialisten wären. Es gibt kein Dorf mehr - und sei es das einsamste Gebirgsdorf- in dem nicht sozialistische Wähler sind."2 So euphorisch berichtete das sozialistische „Demokratische Volksblatt" über den Wahlausgang im November 1945. Die Meldung beruht zwar auf Tatsachen. Zu ergänzen ist allerdings, daß die Sozialistische Partei weit hinter ihren Erwartungen zurückblieb. Sie war weder mit dem österreichischen noch mit dem Salzburger Ergebnis zufrieden. Auf Bundesebene hatte man gehofft, stärkste Partei zu werden. Der Salzburger SPÖ war die Position des Zweitstärksten sicher. Doch auch hier hatte die Landesorganisation zumindest in einigen Gemeinden mit besseren Ergebnissen g~rechnet. Das Salzburger Gesamtergeb~s - 56,7 Prozent OVP, 39,5 Prozent SPO, 3,8 Prozent KPO - macht die Dominanz und den Vorsprung der ÖVP als politisch bestimmender Kraft im Lande nicht deutlich genug. So konnte die Volkspartei in 86 der damals 111 Gemeinden die Mehrheit der Stimmen der Wahlberechtigten auf 174 ihr Konto verbuchen. Manche Orte wiesen einen drastischen Vorsprung der Volkspartei auf. Die Ergebnisse einiger Flachgauer oder Lungauer Gemeinden kamen einer OVP-Alleinherrschaft gleich. Dagegen gab es nur zwei eindeutige SPÖ-Mehrheitsgemeinden im ganzen Land: Bischofshofen und Mühlbach am Hochkönig. In den wenigen roten Hochburgen gingen der SPÖ zudem noch Wähler/ innen an die linke Konkurrenzpartei, die Kommunisten, verloren. ZwölfSalzburger Gemeinden konnten aufgrund der Wahlergebnisse ab 1946 sozialistisch verwaltet werden: Grödig (Flachgau), Hallein (Tennengau), Badgastein, Bad Hofgastein, Bischofshofen, Kleinarl, Mühlbach, Schwarzach, Werfen (alle Pongau), Kaprun, Lend und Uttendorf (Pinzgau). Mit Ausnahme von Kleinarl und Kaprun handelte es sich um die traditionell roten Orte im Land. Die Sozialistische Partei konnte jedenfalls froh sein, daß es 1945 noch keine Wahlen zu den Gemeindevertretungen gab. Diese fanden erst wieder 1949 statt. In mancher Kleingemeinde wäre es schwierig geworden, die Bedingungen für eine Kandidatur zu erfüllen. Diese lauteten: zum einen die für eine Kandidatur notwendigen fünfundzwanzig Unterschriften zusammenzubringen, zum anderen genügend sozialistische Gemeinderatskandidat(inn)en zu finden. 1949 konnten diese Voraussetzungen in acht Gemeinden noch nicht erfüllt werden. Das Zittern um genügend Kandidaten und die Hoffnung auf deren Mut und Standfestigkeit begleiteten regelmäßig die Wahlvorbereitungen der Sozialisten. Und das bis in die sechziger Jahre hinein. So manchen Kandidaten hat noch vor der Wahl oder auch hinterher die Zivilcourage wieder verlassen. „Erst in den sechziger Jahren haben wir in allen Gemeinden kandidieren können. Ich kann mich noch erinnern, da waren wir ganz stolz drauf, daß wir in solchen Dörfern wie Lessach oder Göriach einen Kandidaten gefunden haben, einen, und höchstens einen Ersatzmann."3 Diese „Not am Mann" konnte notfalls auch durch Frauen abgeschwächt werden. Die Genossen am Land galt es aber eigens davon zu unterrichten, daß sich auch Frauen für diese Funktion eignen: „Werte Genossen! Im Punkt 3a unseres Rundschreibens vom 15. Juni 1964 haben wir empfohlen, bei der Auswahl der Kandidaten jene Parteimitglieder aufzustellen, die für die örtliche Gemeindepolitik die nötige Erfahrung und entsprechende Eignung mitbringen. Unter den Parteimitgliedern befinden sich in manchen Lokalorganisationen auch Frauen, die diese Voraussetzung erfüllen , und daher bei der Auswahl der Kandidaten möglichst berücksichtigt werden sollen. "4
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