Die Roten am Land

Soldat, kommt nach Linz ins Militärgefängnis. Während zwei weitere Mitglieder dieser Gruppe, ebenfalls Wehrmachtsangehörige, vom Militärgericht zum Tode verurteil t, jedoch nicht mehr hingerichtet werden, soll Eibensteiner in den letzten Kriegstagen mit einer Bewährungseinheit wieder an die Front. Aber das Kriegsende kommt schneller; Hans Eibensteiner erlebt es in der Linzer Auhofkaserne.12 Er kehr t sofort nach Freistadt zurück und beginnt mit dem Wiederaufbau der Partei. Er wird erster Bezirksobmann der SPÖ, Vizebürgermeister in Freistadt und sozialistischer Bundesrat. Er stirbt, hochgeachtet von allen Bevölkerungsgruppen, 1956. 2. Ludwig Hermentin - Anpassung in der Vaterländischen Front Ludwig Hermentin wurde 1896 in Böhmisch-Hörschlag nahe der Mühlviertler Gemeinde Rainbach geboren. Er wurde Kanzleigehilfe bei der Bundesbahngrenzstation in Summerau und wuchs dort in das sozialdemokratische Milieu der Eisenbahner hinein. 1928 Gründungsobmann der Freistädter Mietervereinigung, vertritt er zwischen Mitte 1928 und dem März 1930 13 Mitglieder gegen gerichtliche Wohnungskündigungen. Aber bereits hier zeigt sich, daß seine politische Grundhaltung auf Verständigung abzielt: in zahlreichen Mietstreitigkeiten kann er einen außergerichtlichen Vergleich erreichen. Trotzdem dürfte er in Freistadt in diesen Jahren die Funktion eines „Anwalts der kleinen Leute" gehabt haben, denn er hat auch andere Beschwerden, etwa in Alimentationssachen, verfaßt. Von seinen Gegnern - und die gab es in all den Jahren -wurde ihm dies als „Winkelschreiberei" angelastet: Das Freistädter Bezirksgericht sprach ihn aber 1931 von einer diesbezüglichen Anklage frei.13 Anfang der dreißiger Jahre wurde Hermentin, der 1927 von der Eisenbahn nach einer Intrige zwangspensioniert worden war, zum Leiter der (Land-)Arbeiterkrankenkasse in Freistadt bestellt. Damit zählte er zu den bedeutendsten Beamten der kleinen Bezirksstadt, war er doch für die Sozialversicherung der damals noch zahlreichen bäuerlichen Dienstboten zuständig. In diesen Jahren scheint er sich aber auch von seiner politischen Heimat, der Sozialdemokratie, entfernt zu haben. Jedenfalls ist er bereits im Jänner 1934 im Lager der Vaterländischen Front und der Heimwehr. Die Motive für diese Entwicklung sind bis heute unklar. Seine Witwe erklärt sie allein aus der Angst um die berufliche Existenz, die für einen Alleinverdiener mit drei kleinen Kindern zweifellos bestand, noch dazu auf einem Posten, der - zumindest ab 1933 - stark von den christlichsozialen Bauern abhängig war. Aber sowohl seine ehemaligen sozialdemokratischen Genossen als auch zahlreiche Christlichsoziale in Freistadt sehen in ihm den opportunistischen Streber, der seine politischen Überzeugungen der beruflichen Sicherheit opfert. Sozialdemokraten vom radikalen Flügel erinnern sich seiner - auch nach all dem, was später geschah - noch heute mit offener Verachtung. Im selben Jänner 1934 kommt es zu einem Zwischenfall, der ein Licht auf einen Grundsatz Hermentins wirft, dem er bis zu seinem Tod treu bleiben sollte: Er ist ein konsequenter Feind der Nationalsozialisten. Am 22. Jänner 1934 wurde eine größere Zahl illegaler Freistädter Nationalsozialisten vom Bahnhof aus in des Anhaltelager Wöllersdorf geschickt. Dieser Abtransport aber wurde zu einer massiven Kundgebung der illegalen Nazi aus Freistadt und Umgebung. Hermentin selber, der gerade mit dem Zug aus Summerau in Freistadt eingetroffen war, schilderte diesen Vorfall so: „Bei Einfahrt des Zuges brausten uns stürmische Heil- und Heil-Hitler-Rufe entgegen. Auch das Horst Wessel-Lied und das Lied ,Deutschland, Deutschland über alles!' wurden gesungen beziehungsweise gebrüllt. Der Bahnhof Freistadt war geradezu von Demonstranten umstellt. Gendarmerie und Hilfspolizei patrouillierten am Perron und Bahnkörper, doch kümmerte dies die demonstrierende Menge nicht. Immer und immer wieder brachen stürmisch Heil- und Heil-Hitler-Rufe los ." Besonders empörte Hermentin, daß der höchstrangige anwesende Behördenvertreter, Dr. Gustav Brachmann von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, nicht dagegen einschritt. Ja, er meinte sogar gesehen zu haben, daß Brachmann die Festnahme eines dieser Illegalen durch einen Gendarmen ausdrücklich mißbilligte. Hermentin jedenfalls hatte den für einen angeblichen Opportunisten erstaunlichen Mut, Dr. Brachmann anzuzeigen, weil der sich in seinen Augen zum Komplizen der Nazi gemacht hatte. Brachmann seinerseits zeigte Hermentin einmal mehr wegen angeblicher Winkelschreiberei an. Das ganze ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Beide wurden vom Bezirksgericht in Pregarten freigesprochen. Hermentin begnügt sich nicht mit dem Beitritt zur Vaterländischen Front (VF). Nach dem Februar 1934 wird er Bezirksreferent der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft", jener Plattform der VF, die sich um die Arbeiter kümmern sollte, ohne jemals wirklich zu einem Arbeiterflügel in der VF zu werden. Die bisher aufgefunden Quellen über seine Tätigkeit in dieser Funktion sind spärlich und beschränken sich auf einige Zeitungsartikel, die darauf hinweisen, daß seine Hauptsorge der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit galt. 151

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