Die Roten am Land

Die alten Schmugglerpfade, zum Teil schon Jahrhunderte bekannt, werden aktiviert: über Zulissen nach Oberhaid, über Leopoldschlag nach Zettwig, über Sandl nach Buchers. Peter Eibensteiner: „Die ersten waren die Leschanz-Buben, die so geschossen haben auf dem Freinberg droben, und die Lotte Hirsch, die Sekre tärin vom Richard Bernaschek. Insgesamt werden es 40 oder 50 Personen gewesen sein, die wir hinübergebracht haben." Im Frühjahr 1935 gibt es eine neue politische Entwicklung. Denn im April wurde - wie der Staatsanwalt ein halbes Jahr später schrieb - ,,über Anregung aus der Tschechoslowakei eine sogenannte Fünfergruppe der Kommunistischen Partei" gegründet: „Als Vorsteher ist Johann Eibensteiner anzusehen. Er hat alle Mitgliedsbeiträge einkassiert . Der Zweck der Fünfergruppe wa r hauptsächlich darin gelegen, die komm. Propaganda in Österreich zu fördern. ,q Initiator dieser Gruppe war der geflüchtete Schutzbundführer Karl Wagner aus Salzburg, der unter dem Decknamen „Lassov" den Kontakt mit den Freistädtern über den Konsumleiter von Oberhaid, Kohlroß, hergestellt hat.8 Kohlroß war 1934 eine wichtige Anlaufstelle für die fliehenden Schutzbündler gewesen. Im Frühjahr und Sommer 1935 kommt es zu mindestens fünf größeren Transporten von Propagandamaterial, wobei die letzte Sendung allein ein Gewicht von 78 Kilogrammhatte. Soweit die Transporte schriftlich avisiert wurden, geschah das durch harmlos scheinende Briefe, die Kohlroß an die Näherin Rosa Kreindl in Freistadt schrieb. Die Freistädter Gruppe besorgte dann den Kontakt mit dem linken Untergrund in Linz, der für den Weitertransport sorgte. Im Augu st 1935 fliegt diese Gruppe auf. Aus Freistadt werden sechs Personen verhaftet. Die Erhebungen der Sicherheitsbehörden und die nachfolgenden Verhaftungen erstrecken sich aber auch auf Linz und Wien. Am 15. Oktober 1935 findet vor dem Linzer Landesgericht ein Schwurgerichtsprozeß gegen sechs Freistädter Angeklagte statt, von denen vier wegen Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr (Eibensteiner) verurteilt, jedoch von der Anklage des Hochverrates freigesprochen werden.9 Zwei der damaligen Weggefährten Eibensteiners sollen hi er kurz skizziert werden: Johann Miesenberger s tammte aus der Freistädter SAJ, 11·ar beim Schmuggel in jede Richtung beteiligt, wurde im Untergrund Kommunist und ging später in die DDR, wo er hoher Funktionär der SED wurde.10 150 Othmar Fenzl stammte aus Wien und war Schuhmacher in der Nähe von Freistadt. Vermutlich schon vor 1933/34 Kommunist, schloß er sich erst in diesen Jahren dem Freistädter Untergrund an. Er war vermutlich der konsequentes te Kämpfer gegen den Austrofaschismus in dieser Gegend. Die Gendarmerie- und Gerichtsakten dieser Jahre jedenfalls sind voll mit Verfahren gegen ihn. Nach 1936 kämpfte Fenzl bei den Interbrigaden in Spanien und wurde am 28. August 1941 in das KZ Dachau eingeliefert. Ende 1943/Anfang 1944 kam er - vermutlich in einer „Bewährungskompanie" - an die Ostfront, wo er im Sommer 1944 zu den Sowjets überlief. Die Gestapo verhaftete seine Eltern und zwei Schwestern. Der Va ter wurde im Februar 1945 im KZ Dachau hingerichtet. Othmar Fenzl lebte nach dem Krieg im Waldviertel, wo er vor einigen Jahren auch ges torben ist.11 Mit diesem Prozeß verstummt der linke Untergrund in Freistadt, bleibt aber stigmatisiert. Pe ter Eibensteiner: ,,Wir wa ren vollkommen verachtet. " Und seine Frau, die frühere Rosa Kreindl, berichtet noch über die Nazi-Zeit: ,,Wir waren ja Gezeichnete." Unter den ersten rund 60 „Schutzhäftlingen " des März 1938, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, befindet sich wieder Hans Eibensteiner gemeinsam mit einigen Freunden vom ehemals radikalen Flügel der Partei. Die Haft dauert aber nur einige Tage, dann wird er wieder in der Brauerei anges tellt, muß aber bald einrücken. Sein Sohn Hermann, selber auch bei der Wehrmacht, schildert die Einstellung jener, die ihren inneren Widerstand gegen die Nazi nie aufgegeben haben: ,,Der Grundsa tz lautete: Melde dich nirgends freiwill ig. Manchmal, selten genug, hätten dabei durchaus Vorteile herausgeschaut, aber da sind wir ganz konsequent gebli eben. " Im Sommer 1944 bildet sich in Freistadt die Widerstandsbewegung „Neues Freies Ös terreich ". Eibensteiner arbeitet nicht aktiv in der Gruppe mit, spendet aber einmal einige Reichsmark. Wie sehr sich in der Zwischenzeit das Klima in Freistadt geändert hat, belegt die Ta tsache, daß Eibens teiner nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes von der Widerstandsgruppe, die mehrheitlich aus ehemaligen Christlichsozialen bestand, als Lei ter der Freistädter Brau-Commune vorgesehen war. Seine Geldspende wird ihm fa st zum Verhängnis: Denn Ludwig Hermentin, der Leiter dieser Gruppe, hat Spendenlisten angelegt, wenn auch dürftig getarnt. Als die Gruppe im Oktober 1944 auffliegt, findet die Ges tapo auch die Spendenlisten, und Hans Eibensteiner, noch immer

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