1. Hans Eibensteiner - Der Weg in den linken Untergrund Hans Eibens teiner, Jahrgang 1898, war der Sohn eines Freistädter Zimmermannes. Sein Bruder Peter, der heute noch lebt, beschreibt die Kindheit als ärmlich, da der Vater den Winter über immer arbeitslos war. Das brachte die Familie stets an den Rand der Not. Hans wird Brauereiarbeiter und erlebt vermutlich in der Freistädter Brau-Commune seine entscheidende politische Prägung: Denn die Brauereiarbeiter waren - gemeinsam mit den Arbeitern in den Steinbrüchen - eine der ältesten sozialistischen Betriebsgruppen in Freistadt. In den zwanziger Jahren finden wir die EibensteinerBuben in der Stadtpartei Freistadt und ihren Kultur- und Freizeitorganisationen, die gerade in diesen Jahren einen rasanten Aufschwung nehmen. Fotos des ARBÖ-Freistadt zeigen Hans Eibensteiner als schlanken jungen Mann mit kantigem Schädel, rabiatem Haarschopf und einer Körperhaltung, die immer leicht dramatisch wirkt und so Kampfbereitschaft und Führungsanspruch andeut~t. Mit gut 30 Jahren wird Hans Eibensteiner Stadtparteiobmann. Zugleich ist er Bezirkskommandant des Schutzbundes und stellvertretender Kommandant in Freistadt.1 Am 12. Februar 1934 wird Hans Eibensteiner über „höheren Befehl" verhaftet. Der Freis tädter Schutzbund ist führerlos, und die meis t jungen Mitglieder fahren auf eigene Faust mit dem Geld aus der Kasse der Sozialistischen Arbeiterjugend nach Mauthausen, dem vereinbarten Treffpunkt im Unteren Mühlviertel. Bei der Heimreise werden sie alle in Pregarten festgenommen. Hans Eibensteiner bleibt zehn Tage in Haft, wird aber nachher - wie seine Genossen - von der Gendarmerie ständig kontrolliert. Peter Eibensteiner: ,,Wenn wir nur einen Schritt aus der Stadt hinausgemacht haben, war schon ein Kiwerer da und hat uns gefragt, wohin es denn geht." Außerdem war er mit dem 12. Februar aus der Brauerei entlassen worden und von da an bis 1938 die meiste Zeit arbeitslos. Hier empfiehlt sich ein Innehalten, um einen Blick auf die politische Landschaft in und um Freis tadt und auf die Freistädter Sozialdemokraten zu werfen: Bei den Gemeindera tswahlen 1929 hatten die Sozialdemokra ten sechs von 24 Mandaten errungen . 13 Mandate hielten die Christlichsozialen, vier die Großdeutschen und eines die NSDAP. Im ganzen Bezirk Freistadt lag der Mandatsanteil der Sozialdemokraten bei 13 Prozent. Die für die demokratische Linke erfolgreichsten Wahlen, die Nationalra tswahlen von 1930, hatten ihr in Freistadt 28, im ganzen Bezirk 17 Prozent der Stimmen gebracht.2 Wurde die Organisation in den zwanziger Jahren konsequent auf- und ausgebaut, so sind ab etwa 1930 massive Einbrüche festzustellen: Die Schutzbund-Abteilungen von Kefermarkt und Tragwein hatten sich bis 1934 ebenso aufgelöst wie zahlreiche Ortsorganisationen in den stark konservativen östlichen Landgemeinden des Bezirkes. Dazu war die Bewegung keineswegs so einheitlich, wie es die Legende unter dem Stichwort „Lagermentalität" haben möchte: Eine von der Bezirkshauptmannschaft Freis tadt vermutlich 1933 erstellte Liste beschreibt insgesamt 36 sozialdemokra tische Funktionäre: Von ihnen werden elf als „radikal" bzw. ,,fanatisch" eingestuft, drei weitere als „s tramm". Die übrigen werden mit „ruhig und zurückhaltend", ,,gemäßigt", ,,ans tändig" usw. charakterisiert.3 Auch in Freis tad t dürfte die Mehrzahl der Funktionäre der gemäßigten Richtung zuzuordnen sein. Als ab den dreißiger Jahren die radikalen Jungen aus der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) stärker in die Partei drängen, mauern die etablier ten Funktionäre massiv.4 Vermutlich aufgrund dieser Spannungen ist bereits 1932 der sozialdemokratische Vizebürgermeister zurück- und aus der Partei ausgetreten. Damals war auch der Rücktritt von zwei weiteren sozialdemokra tischen Gemeinderäten erwartet worden.5 Am 12. Februar wird nur mehr eine Minderheit, vorwiegend aus der SAJ, aktiv. Der große Rest war bereits verstummt. Und wie orientierungslos auch die radikale Gruppe war, belegt der Zus tand ihrer Waffen: Der Freistädter Schutzbund verfügte über ein MG und fünf bis sechs Karabiner, auch über Munition. Die Waffen wurden von einem Versteck ins andere gekarr t, zuletzt noch am Morgen des 12. Februar. Es fanden auch - zumindest bis 1933 - immer wieder paramilitärische Übungen sta tt. Nur: Diese Waffen waren völlig ungepflegt, verrostet und schlicht unbrauchbar.6Offensichtlich hatten diese Waffen dem radikalen Flügel einen psychischen Rückhalt gegeben, aber letztlich hat niemand daran geglaubt, sie auch wirklich einsetzen zu müssen. Zusanunengesclunolzen auf ein kleines Häufchen, haben jetz t, unmittelbar nach den Februartagen 1934, die Freis tädter Schutzbündler ihre große Zeit: Denn über die nahe Grenze müssen die verfolgten Genossen aus allen Teilen des Landes in Sicherheit gebracht werden. Peter Eibens teiner: „Kaum waren wir zu Hause, sind sie schon gekommen, nach Freistadt, zum Ei bensteiner. Den Hans haben wir aber ga r nicht mehr gehen lassen, der war von uns allen am meisten gefährdet, aber seine Fra u is t öfter mitgega ngen. Die meisten waren auf Gelöbnis entlassen worden." 149
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