Die Roten am Land

Harald Walser ,,Lieber n1it Hindernissen Jahre kän1 pf en und dann ... " Reformansätze im Bregenzerwald zur Zeit Franz Michael Felders (1839- 1869) Ende April 1844 wurde in der kleinen Vorarlberger Bauerngemeinde Sulzberg im.Bregenzerwald der Schreiner Joseph Anton Huber verhaftet. Huber war erst wenige Wochen zuvor von der Walz zurückgekehrt und wurde von einem Spitzel angezeigt: Er habe in der Schweiz an Veranstaltungen kommunistischer Vereine teilgenommen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden dann tatsächlich etliche „aufrührerische Schriften" gefunden: der „kleine Katechismus der Sozialreform", Eintrittskarten für die volkstümlichen Gewerbevereine in Lausanne, Genf und Yverdon sowie deren Statuten, ein Exemplar von Wilhelm Weitlings Blatt „Die junge Generation". Besonders bedenklich aber erschien den Behörden ein Brief Hubers an seinen Vater, denn dieser enthalte „ein treues Bild communistischer Grundsätze".1 Diese behördlichen Recherchen wären nicht weiter erwähnenswert, gäbe es da nicht eine Reihe zusätzlicher Indizien dafür, daß sich im Bregenzerwald in der Mitte des vorigen Jahrhunderts etliche Aufklärer und Sozialreformer bis hin zu Sozialisten befanden. Und das ist ein erstaunlicher Befund für die doch eher abgelegene Gebirgsregion. Diese den modernen sozialen und politischen Strömungen offen gegenüberstehenden Menschen waren zudem keine ,,Zugewanderten", sondern durchwegs Einheimische. Wie konnte es in der von der Landwirtschaft dominierten Gesellschaft des Bregenzerwaldes, wo es praktisch kein Proletariat gab, dazu kommen? D ie Abgeschiedenheit der Täler und die Macht des Überlieferten haben reformerisches Handeln in bäuerlichen Gegenden nicht verhindert. Im Gegenteil: Die soziale und wirtschaftliche Krise des Bauerntums wurde durchaus wahrgenommen, und es entstanden in Theorie und Praxis Gegenstrategien: aufklärerisches Denken, Genossenschaftsgründungen, politische Bewegung. Das war ein Prozeß, der ganze Dörfer an den Rand der Spaltung bringen konnte - wie die Berggemeinde Schoppernau im Bregenzerwald (Vorarlberg), den Heimatort des Bauern, Dichters und Sozialreformers Franz Michael Felder. 13

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