Die Roten am Land

I n Ebensee herrscht schon Jahre vor dem für die Sozialdemokratie letztlich verhängnisvollen Abwehrkampf gegen die austrofaschistische Diktatur ein gespanntes Verhältnis zwischen der Arbeiterschaft und der Heimwehr. Am 15. Dezember 1929 formiert sich eine spontane Arbeiterdemonstration gegen die Ebenseer Heimwehrler, die von einer Bezirkstagung aus Bad Ischl zurückkommen. Der Gendarmerie fällt, wie in diesen Jahren so oft, die unrühmliche Rolle zu, die Arbeiter mit Waffengewalt auseinanderzutreiben, wobei mehrere Menschen verletzt werden.4 Ebenso solidarisch protestieren 300 bis 400 Ebenseer Arbeiterfrauen gegen Heimwehrkreisführer Rittmeister Weller und zwingen ihn, den Gemüseverkauf am Ebenseer Wochenmarkt einzustellen. Dem Heimwehrführer wurde mit der offiziellen Begründung, er behindere den Straßenverkehr, der Warenverkauf verboten. In Wahrheit aber hatte sich Weller durch heimliche Waffenlieferungen an die Ebenseer Heimwehr den Zorn der Arbeiter und Arbeiterinnen zugezogen.5 Nicht zuletzt stellen die propagandistisch gezielten Aufmärsche der Heimwehren für die Arbeiter eine ständige Provokation dar. Daneben nimmt die Gendarmerie nach der Auflösung des Republikanischen Schutzbundes, am 31. März 1933, auch in Ebensee ständig Waffensuchen bei den ehemaligen Mitgliedern vor. In Ebensee genügt in dieser spannungsgeladenen Situation der geringste Anlaß, um einen Konflikt von größerer Tragweite zwischen den politischen Gegnern auszulösen. Noch am 10. Februar 1934 erscheint in der Ebenseer Bürgermeisterkanzlei eine sozialdemokratische Abordnung und drängt Bürgermeister Zieger, eine Petition an den oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Schlegel abzuschicken. Zieger ersucht darin das Landesoberhaupt, ,,zumindest unser Land Oberösterreich vor einem Blutvergießen zu verschonen" und „ unser Vaterland vor einer Katastrophe zu bewahren".6 Streik und Barrikaden Bürgermeister Ziegers Befürchtungen erfüllen sich früher als erwartet. Als man in Ebensee von der Gegenwehr des Republikanischen Schutzbundes in Linz erfährt, gehen am 12. Februar etwa um die Mittagszeit sämtliche Arbeiter der Ebenseer Großbetriebe zum Generalstreik über. Nach langen Beratungen im Arbeiterheim über die weitere Vorgangsweise setzt der Salinenbetriebsrat Josef Neuhauser den Vorschlag durch, vorerst eine abwartende Hal tung einzunehmen. Am Abend und in den Nachtstunden postieren sich daraufüin Schutzbündler und Wehrturner am Ortseingang, wo man Heimwehrabteilungen aus Richtung Gmunden erwartet. 146 Am Dienstag, dem 13. Februar, ist schon bei Tagesanbruch überall in Ebensee die Kundmachung über die Verhängung des Standrechtes zu lesen. In den Betrieben wird jedoch wieder gearbeitet. Daß zu diesem Zeitpunkt die führenden Arbeiterfunktionäre Neuhauser und Fritz Hirnböck berei ts verhaftet sind, und die Schutzbundführung in jüngere Hände übergeht, mag dazu beigetragen haben, die Arbeiter am Mittwoch zu offensiveren Maßnahmen zu bewegen: Mehrere hundert Arbeitslose erzwingen wiederum die Arbeitseinstellung in den Ebenseer Betrieben. Die Straße nach Traunkirchen wird mit Bäumen verbarrikadiert. Der Ebenseer Gendarmerieposten wird besetzt und den Beamten sowie politischen Gegnern werden, sofern sie nicht ohnehin schon auf Bergwegen beziehungsweise per Schiff den Ort verlassen haben, die Waffen abgenommen. Während in den übrigen Widerstandszentren Österreichs der Arbeiterabwehrkampf durch Heimwehr und Militär bereits niedergeworfen ist, befindet sich Ebensee am Mittwoch, dem 14. Februar, in der Hand der Arbeiter. Da die Telefonverbindung nach Ebensee nicht unterbrochen ist, wird von bürgerlicher Seite die Linzer Sicherheitsdirektion über die Lage informiert, ein Bataillon Infanterie sowie das Mühlviertler Heimwehrregiment werden nach Ebensee beordert. Den ursprünglichen Plan der Truppenkommandanten Kattauer und Revertera, über Gmunden nach Ebensee vorzudringen, läßt man aufgrund der befürchteten Sprengung der Balrnlinie fallen und legt die Anmarschroute über Selzthal, Stainach-Irdning, Bad Ischl, also von Süden her, fest. Oberstleutnant Kattauer arbeitet, infolge übertriebener Lageberichte ungenügend informiert, einen genauen Angriffsplan aus, da er bewaffneten Widerstand erwar tet. Am Donnerstag, dem 15. Februar, um 7.30 Uhr treffen die Regierungstruppen in Bad Ischl ein. Kapitulation vor der Artillerie Die Ebenseer Schutzbündler, die mit einem so massiven Militäraufgebot nicht gerechnet haben, ziehen sich in den Ortsteil Rindbach zum Almhausberg zurück. Ein effektiver Widerstand hätte mit der äußerst mangelhaften Bewaffnung der Arbeiter unmöglich geleistet werden können und nur sinnlose Opfer geforder t. Einziges Todesopfer des Februaraufstandes in Ebensee bleibt der junge Schutzbundführer Anton Nußbaumer, der alle Verantwortung auf sich nimmt und Selbstmord begeht. Inzwischen sind Kattauer und Revertera in Steinkogl, fünf Kilometer von Ebensee entfernt, eingetroffen. Kattauer läßt durch den interimsmäßig eingesetzten Ortsverwalter Anton Stadler verlautbaren, daß Ebensee unter schweres

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