Die Roten am Land

des sozialen Fürsorgewesens (Invaliden-, Arbeitslosen-, Jugend- und Witwenfürsorge). Ducia vers tand sich als Vertreterin der Frauen im Tiroler Landtag. Oft then-iatisierte sie den Nachrang der Frauen trotz der so hart erkämpften Gleichberechtigung. Sie beantragte auch vergeblich die Aufhebung des Lehrerinnenzölibats - bei einer Heirat mußten die Lehrerinnen ihren Beruf aufgeben - und des § 144 des Strafgesetzes, also der Ahndung der Schwangerschaftsunterbrechung. Maria Ducia war in Landtagssitzungen trotz ihrer Schlagfertigkeit häufig das Opfer von Beschimpfungen, Diskriminierungen und Polemiken der bürgerlichen Männergarde in den Landtagsbänken. Sie wurde nicht nur als Sozialdemokratin, sondern auch als Frau und Privatperson angegriffen. Im Vergleich zu ihren männlichen Parteikollegen hatte sie auch geringere Chancen, ihre Anträge durchzubringen. Nicht selten wurde ihr vom Vorsitzenden des Landtags gedroh t: ,,Ich entziehe Ihnen das Wort!" Keine Frauenrechtlerin Das Frauenbild von Maria Ducia Die Sozialdemokratinnen ordneten die Geschlechterfrage der Klassenfrage unter. Sie verstanden sich als Angehörige der Arbeiterklasse, die ebenso wie die arbeitenden Männer vom kapitalistischen Bürgertum ausgebeutet werden. Sie S'ahen sich im Gegensatz zu den bürgerlich-radikalen Frauenrechtlerinnen. Diese wollten eine Befreiung der Frauen in ihrem eigenen Interesse, und nicht wie die Sozialdemokratinnen im Interesse der gesamten Gesellschaft. So distanzierte sich auch Maria Ducia von jenen Frauen und formulier te das gemeinsame Anliegen von Mann und Frau: „Miteinander, Männer und Frauen, wollen wir uns die bessere Zukunft erarbeiten."12 Die gesellschaftlich wichtigste Aufgabe der Frau sah Ducia darin, ,,daß jede Mutter die Aufgabe auf sich nimmt und Kinder ungezählt in die Welt setz t!"13 - vorausgesetz t die 130 sozialen Bedingungen erlauben es. Diese - wenn auch überspitzte - Formulierung verweist auf das konservative Frauenbild der Sozialdemokratinnen, obwohl sie sich von den bürgerlichen Vorstellungen schärfstens abgrenz ten. Maria Ducia war die herausragendste Frau der Tiroler Sozialdemokratischen Par tei in der Zwischenkriegszeit. Sie machte 11Parteikarriere" aufgrund ihrer ausgeprägten Persönlichkeit, Bildung, Redegewandtheit, organisatorischen Fähigkeit und Erfahrung. Dieser Aufs tieg bedeutete aber Loyalität und Parteidisziplin der Frau Maria Ducia. Mit dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei 1934 beendete Ducia ihre politische Laufbahn. Ihren Lebensabend verbrachte sie in der gemeinsamen Wohnung mit ihrer Tochter Malie und deren Familie in Innsbruck. Am 15. Mai 1959 starb sie 84jährig. Anmerkungen ' Das Zitat ist d er Anfang des Gedichts „Geh deine Bahn" von Hermann Greulich, in Anlehnung an da s Motto im Vor1Nort zur ers ten Auflage des „Kapital", Band 1, von Ka rl Marx, in: Osterreichischer Arbeiter-Notizkal ender 1912, Wien o.J., S. 3 (Nachl aß Maria Ducia). Vgl. Pizzinini, Meinrad: Li enz. Das große Stadtbuch. Li enz 1982, S. 319 f. und 341 f. 3 Vgl. Oberkofler, Gerhard : Die Tirol er Arbeiterbewegung. Von d en Anfängen bis zum Ende d es 2. Weltkrieges (2. Aufl .) 1986, S. 113 und 140. ' Vg l. ,,Volkszeitung. Organ für da s a rbeitend e Volk in Tirol ", 7.8 .1 907. Zur Entwicklung der freien politischen Frauenorgani sa ti on siehe di e Darstellungen von Popp, Ad elheid: Der Weg zur Höhe. Di e Sozia ld emokratische Frauenbewegung Os terreichs (2. Aufl age). Wien 1930, S. 86 f.; Protokoll der 4. Frauenkonferenz in Innsbru ck 1911 , in: Protokoll des Parteitages: Verhandlungen des l"arteitages der Deutschen Sozialdemokra tischen Arbeiterpa rtei in Osterreich. Abgeha lten in Innsbruck vom 29.10.-2.11.1 911. Wien 1911 , S. 340-382, hi er S. 367. 6 Vgl. ,,Volkszeitung", 13.5. und 15.6.1910. 7 „Lienz er Zeitung", 1.10.1 910. 8 Vgl. ,, Volkszeitung", 13.8.1912. 9 Stenographische Berichte d es Tirol er Land tages. 19. Sitzung vom 29.1.1926, S. 426. 10 Vgl. ,,Volkszeitung", 26.3.1912. 11 „Volkszeitung", 3.5.1917. 12 Die Frau und die Partei. Rede der Abgeordneten Ducia auf dem Pa r teitag 1932, in: ,,Volkszeitung", 19.11.1 932. 13 Stenographische Berichte d es Tiroler Landtages . 8. Sitzung vom 17.12.1929, S. 128.

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