Patrozinien, Primizen oder Priesterjubiläen. Die über die unmittelbare Kirchengemeinde hinausgehende Öffentlichkeit - hergestellt durch Prozessionen auf öffentlichen Straßen, den gemeinsamen Einzug verschiedener Vereinigungen in die Kirche oder durch die häufig von Arbeiter- und Burschenvereinsmitgliedern entzündeten Höhenfeuer in der Nacht des Herz-Jesu-Festes - und das geschlossene Auftreten der verschiedenen Gruppierungen des katholischen Lagers machten den Demonstrationscharakter dieser Feste aus. Durch das Mitführen der Vereinsfahnen wurde das gemeinschaftliche Auftreten der katholischen „Standesvereine" noch einmal symbolisch betont. Das war mehr als nur „ein feierliches öffentliches Glaubensbekenntnis", wie der katholische Arbeiterverein Schwaz seine alljährliche Teilnahme an verschiedenen Prozessionen bezeichnete13. Denn die korporative Teilnahme an Kirchenfesten mit Öffentlichkeitscharakter war in der polarisierten parteipolitischen Situation der Zwischenkriegszeit ein wesentliches Zeichen der erstrangigen Bedeutung der Lagerzugehörigkeit für die katholische Arbeiterbewegung. Zentral war die Einbindung in das von bürgerlichen und bäuerlichen Interessen beherrschte christlichsozial-konservative Lager. Das Katholische bildet die gemeinsame Klammer der christlichen Arbeiterinnen und Arbeiter, nicht die klassenmäßige Bindung an die Arbeiterbewegung, die zum Großteil sozialdemokratisch orientiert war. Das wurde demonstrativ zur Schau gestellt. So gibt zum Beispiel der Chronist des katholischen Arbeitervereins Hall seiner Freude darüber Ausdruck, daß die geschlossene Teilnahme des Arbeitervereins und des Jugendhorts an der Fronleichnamsprozession „Aufsehen erregt" habe, auch wenn sie, ,,wie nicht anders zu erwarten war, von der ,Sozi-Jugend' angeflegelt" worden seien14 • Auf der kulturellen Ebene wurde das versinnbildlicht und - noch wichtiger - die emotionale Grundlage dafür gelegt, was auf der parteipolitischen und gewerkschaftlichen Ebene schließlich auch vollzogen wurde: die prinzipielle Loyalität zum katholisch-konservativen Lager selbst dann noch, als Arbeiterrechte auf dem Weg in den Austrofaschismus zunehmend beschnitten wurden. 1. Mai - ,,Mit dem Rosenkranz in der Hand" Die 1.-Mai-Feier war die einzige Festaktivität der katholischen Arbeiterbewegung, die zur symbolischen Abgrenzung von der Sozialdemokratie erst bewußt inszeniert werden mußte. Sie wurde zunächst nicht vom kirchlichen Festkalender, dem traditionellen religiösen Repertoire, sondern von den linken Resttraditionen bestimmt. Der 108 1. Mai als wichtigster Kampf- und Festtag der organisierten Arbeiterschaft, als Werbetag für den Sozialismus und die Forderungen des Proletariats, konnte von der christlichen Arbeiterbewegung nicht mehr ignoriert werden, nachdem er 1919 auf Betreiben der Sozialdemokraten in Österreich zum Staatsfeiertag erklärt worden war. Aus den regelmäßig wiederkehrenden Begründungen für die Einführung von Gegen-Maifeiern in der katholischen Arbeiterbewegung wird deutlich, daß sie sich unter dem Zugzwang gefühlt hat, ,,aus der Not des Staatsfeiertages eine Tugend" zu machen15 . Den oftmals in drastischen Bildern beschriebenen sozialdemokratischen Maiaufmärschen, den „Klassenkampf- und Klassenhaßtagen"16 , begannen die katholischen Arbeitervereine in Tirol in den zwanziger Jahren ihre eigenen Maifeiern entgegenzustellen. Sie benütz ten kirchliche Formen und Themen zur Gestaltung des 1. Mai „in religiöser Weise"17 . Festgottesdienst mit Festpredigt und Generalkommunion, durch den kollektiven Einzug der Vereine mit ihren Fahnen in die Kirche als öffentliches Ereignis markiert, gehörten in vielen Tiroler Orten zum Minimalprogramm. Zusätzlich veranstalteten einige Arbeitervereine Versammlungen und Marienwallfahrten und nahmen gemeinsam an der ersten Maiandacht teil - ,,nicht ... mit dem roten Parteiabzeichen im Knopfloch, sondern mit dem Rosenkranz in der Hand"18 • Inhaltlich ging es jeweils um den 1. Mai als „Beginn des lieblichsten Marienmonates" und als „Erinnerungstag der sozialen Botschaft des großen Arbeiterpapstes Leo XIIl."19 . In den Marien- und Enzyklikafeiern stellten die katholischen Arbeitervereine der Utopie einer sozialen Revolution ihren Glauben an die Lösung der sozialen Frage durch individuelle Karitas und„Versöhnung" der „Stände" entgegen. Ihr gesellschaftspolitisches „Maiprogramm" wer ,,das praktische Christentum" 20 , der „Marienfrühling inniger Marienliebe" 21 . ,,Politik der Krippe" Aus der Bedeutung bestimmter kirchlicher Feste und des Lebens ausgewählter Heiliger wurden Verhaltensmaximen für Arbeiter abgeleitet. Weihnachten galt in den katholischen Arbeitervereinen als spezifisches „Arbeiterfest", ja als „der Geburtstag der christlichen Arbeiterbewegung" schlechthin 22 . Denn zum einen sei „der Weltheiland der Pflegesohn eines Arbeiters und 30 Jahre lang selbst Arbeiter" gewesen 23, zum anderen seien die Hirten „die Arbeiter der damaligen Zeit" gewesen24 . Die biblische Weihnachtsgeschichte wird zu einem allgemeingültigen Modell zur Lösung der sozialen Frage. Weihnachten wird gedeutet als „das Fest der echten und
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2