Die Roten am Land

D ie christliche Arbeiterbewegung war vom Bemühen um eine Lebensführung in Geduld und Bescheidenheit stärker geprägt als vom Versuch, eigene Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen. Caritas statt Sozialpolitik: Das hat auch mit der Struktur der katholischen Arbeitervereine zu tun, die immer von Geistlichen und vielfach von Kleingewerbetreibenden oder Beamten bestimmt waren . Aus Tirol eine Nahaufnahme. 106 Bernhard Natter Ein ,,Schutzdan1n1 gegen die Sturn1esfluten des Sozialisn1us'' Zur politischen Funktion der Bildungs- und Kulturarbeit der katholischen Arbeiterbewegung in Tirol vor 19341 Bis ins letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts ist eine organisierte christliche Arbeiterbewegung erst in Ansätzen festzustellen: Sie existierte vor allem in Form der katholischen Gesellenvereine, die ab der Jahrhundertmitte auch im deutschsprachigen Teil der Habsburgennonarchie auf Initiative des Kölner Schuhmachergesellen und Priesters Adolf Kolping gegründet worden waren. 1852 bildete sich in Innsbruck nach einer Agitationsreise Kolpings die erste Ortsgruppe in Tirol. Erzieherisches Hauptziel der unter kirchlichem Einfluß stehenden, an sozialromantischen Vorstellungen eines zünftisch-frommen Handwerks orientierten Gesellenvereine war es, jugendliche Handwerker dem politischen Katholizismus zu erhalten, sie gegen „Anfechtungen" aus antikirchlichen Kreisen gefeit zu machen. Den Problemen der Arbeiterschaft stand der Klerus weitgehend unentschlossen bis verständnislos gegenüber. Einer Organisierung der Arbeiter in eigenen Vereinen stand vielerorts das Schreckgespenst einer Verstärkung des „Klassenkampfes" entgegen.2 Erst die Sozialenzyklika „Rerum novarum" Papst Leos XIII. im Jahr 1891 bedeutete einen entscheidenden Anstoß zur vereinsmäßigen Erfassung der Arbeiterschaft. Der älteste und mit bis zu 800 Mitgliedern größte Tiroler Arbeiterverein, der für Innsbruck und Umgebung, wurde im selben Jahr gegründet.

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