Der Kuckuck vom 17. Jänner 1932
C1raf Coudenl1ove-Kalergi gel,t in Kompanie ♦ Von [udwis Wasner Ein Prophet ist dem Abendland erstanden. Sein Programm heißt Paneuropa. Sein Ziel ist der Kampf eegen den Bolschewismus, gegen den Staat der Arbeiter und Bauern. Er selbst heißt Graf Coudenhove-Kalergi. Die Paneuropäer waren und sind eine von den vielen Sekten, die an die friedliche Ent– wicklung der kapitalistischen Weltordnung vom Imperialismus zum Allerweltspazifismus glauben. 1hr Dogma ist schlicht und einfach: Paneuropa, von der russischen Grenze bis zum Ärmelkanal, ohne England und vor allem ohne Sowjetrußland (weil es „eine asiatische Macht" ist). Sie fordern für dieses Territorium eine gemeinsame Zoll- und Handelspolitik und eine europäische Gesamtregienml!, was, gemessen an der „Realpolitik" von 28 europäischeo Staateo, wirklich als großer Fortschritt erscheineo mag. Aber es blieb eine Idee ohne Schwung, ohne berauschende Perspektiven, ohi;ie Resonanz in den Massen. Es war ein politisches Glaubens– bekenntnis für politische Konfessioos1ose, eine Utopie der Hausbackenbeil und - ein Schlag– wort mehr für die Kunstgriffe und Kniffe der europäischen Diplomatie. Auf den Kongressen der Paneuropäer präsidierteo französische Radikale und katholische Pfaffen, Painleve. neben dem Jesuiten Seipel, ungarische Hänge– christen Schulter an Schulter mit wohl– meinenden Demokraten, Sie kamen zu Couden– hove, wie sie nach Genf fuhren - um ihre Belange zu deklamieren, Resolutionen zu fassen und heimzufahren. Eine Sekte von Einzelgängern, Uto()isten mit Scheuklappen, das waren die Coudenhoveschen Paneuropäer, von der russischen Grenze bis nach Calais ... Re:stauration zum pan~uropdische:n M,nsd,,n Aber Paneuropa wird aufgefrischt und restauriert. Sein Prophet will nicht länger in der Wüste paneuropäiscber Versammlungssäle predigen. Weht nicht ein scharfer Wind durch Europa - viele Fahnen flattern in diesem Wind, warum soll das paneuropäische Fähnlein schlaff herniederhängen? Auch Propheten gehen mit der Mode. .,Man" trägt in Italien schwarze, in Deutschland braune, in Ungarn blaue Hemden, ,.man" steckt sich in Österreich den Hahnen– schwanz an den Hut, ist in Finnland Lappo– mann und in Polen Pilsudsk.i-Legionär. Diese Mode ist gut-europäisch, sie gefällt, weil sie den herrschenden Klassen gefällt. Sie gehört heute zum guten Ton, wie der Freisinn in den achtziger Jahren und der Hurrapatriotismus Anno !914. Paneuropa wird verjüngt, es er– scheint in zweiter, wesentlich vermehrter, mit Sowjetgreuelbildern illustrierter Auflage. Das neue paneuropäische Manifest trägt den Titel „Stalin und Kompanie". Es ist ein Mahnwort des Herrn Grafen Coudenhove– Kalergi in zwölfter Stunde, Er warnt vor Rußland, vor dem Fünfjahrplan, vor dem Staatskapitalismus. Recht geschieht der Weltgeschichte, wenn sie nicht auf den Herrn Grafen hören will! D<r dopp,lköplig, Fri,d,nsapost.I Philosophie ist Weltweisheit - wie sieht Coudenhove unsere Zeit und unsere Welt? Er steht an der polnisch-russischen Grenze, blickt nach Westen und blickt nach Osten. Was sieht er? Diesseits der russischen Grenze „träumt das Abendland vom ewigen Frieden", jenseits der Grenze ,,bereitet der Bolschewismus einen Religionskrieg gegen Europa vor". Der „rote Islam" bedroht die abendländische Kultur mit ..Hunderttausenden von Flugzeugen und Tanks", und man höre weiter: Die europäischen Industriezentren am Rhein wären eine leichte Beute russischer Flugzeuggeschwader . . . Es ist etwas Merkwürdiges um diese gräfliche Philo– sophie: so oft dieser Pazifist nach Osten blickt, geht ihm nicht nur kein Licht auf, sondern es dunkelt dort der Inbegriff aller Finsternis herauf: im roten Moskau rüsten sie zum „Religionskrieg". Im Abendland aber träumen sie sogar unter der Gasmaske und während der Luftmanöver ,,vom ewigen Frieden". Für Sowjetrußland ist der Herr Graf tief pessi– mistisch gestimmt; die ganze Sowjetunion isl Vom Fünfjahrplan: Ein neuer Schmelzofen in Donbassin Unionbild 6 eine „Plantage", der Fünfjahrplan gleicht der ,,Staatssklaverei der Pharaonen" und in Ruß– land, n u r in Rußland herrscht grenzenloses Elend. N ur d o r t deckt der Arbeitslohn kaum die nackte Existenz. Ja, der Herr Graf, der gewiß sehr intime Beziehungen zu den Ar– beitslosen hat, versichert, daß sie noch immer viel besser leben als die Arbeiter in Rußland. Kurz, die Sowjetunion ist eine Hölle., Aber drehen wir uns nur einmal mit Coudenhove-Kalergi um 180 Grad! Kennt ihr die treibenden Motive der europäischen Lebens– form? Sie heißen: ,.Hoffnung auf Wo h 1- s t an d, auf S e I b s t ä n d i g k e i t, auf Reichtum." Das hätten wir im Wirbel der Weltwirtschaftskrise wirklich fast vergessen! In allen europäischen Staaten, meint der Philosoph, würde ein Lebensstandard der Arbeiter und Bauern, der an den sowjet– russischen auch nur grenzt, zwangsläufig zur Revolution führen. Wie wäre es, Herr Graf, wenn Sie sich einmal unter den Opfern ihrer ungarischen Standesgenossen umsehen möchten? Vielleicht würden Sie dann erkennen, daß es in diesem Abendland gar viele „Stätten unver– gleichlichen Massenelends" gibt. Im Grunde genommen ist freilich alles, was Coudenhove über die Lage der europäischen Arbeiterklasse sagt, ebenso uninteressant, wie das, was er über Rußland nacherzählt. Ob er schimpft oder zufrieden ist, ob er vom Pessimismus oder Optimismus überströmt, nie wird man die pein– liche Empfindung los, daß hier ein ganz Unbe– rufener redel, der sich im Berliner Wedding oder in Wien X ungefähr genau so auskennen dürfte wie in Moskau, Geht es dem pan– europäischen Grafen überhaupt um die Lebens– haltung der Arbeiter? Ach nein, er trägt weit höheres Verlangeo: Die ab end I ä n d i s c h e K u l tu r i s t i n Ge f a h r! Und die will er retten. Von d<r Antik. zum Finanzkapital Das Maß aller Dinge ist ihm der europäische Mensch. Dieser Merisch, der natürlich sozial nicht näher beschriebeo wird, dieser „Europäer an sich" huldigt dem Individualismus. Und hier holt Coudenhove mäcbtig aus: Dieses euro– päische Freiheitsideal wurzelt „in den Ideen der Gotteskindschaft und der Persönlichkeit". Die griechische, die römische, die christliche Kultur werden zur Zeugenschaft aufgeruhm, Uod nach diesem Hymnus geht der Philosoph zum Flüstern über und verrät uns das „heim– liche Ideal" der Europäer - die Anarchie! Uns kommt das freilich gar nicht so „heim– lich" vor. Anarchie in der Wirtschaft, freier Wettbewerb, Sc;hutz des Eigentums, Auswahl der Tüchti!lsten durch die Konkurrenz - das ist aus den „Ideen der Persönlichkeit und der Gotteskindschaft" geworden! Das ist die „abendländische Kultur", zu deren Schub der Paneuropäer ausgezogen ist! Der Staat, erzählt Coudenbove, sei dem Europäer „stets nur ein Mittel, aber niemals ein Ziel 7" Wir kennen diese Vollbluteuropäer, die dem Herrn Grafen vorschweben, genauer. Wir wissen schon, daß sie „Anarchisten" sind, wenn es sich um Besitzsteuern oder soziale Lasten handelt, aber wie halten es diese „Anarchisten" mit der Autorität der Polizei, mit der die Justiz dem Schutz ihres Eigentums dient? Im Namen der Antike beschwört uns Coudenhove, nur ja nicht die Freiheit des Finanzkapitals anzutasten, nur ja nicht den bankrotten Wirtschaftsführern die Betriebe wegzunehmen. Die „abendländische Kultur" ist also in Wahrheit die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsordnung. Wir müssen der Idee der Gleichheit die Idee der Freiheit entgegensetzen, verkündet der Prophet des Abendlandes. Ach, er ist nicht der erste, der in Klassenvorurteilen befangen, den notwendigen U n t e r g a n g d e s Kap i t a I i s m u s mit dem - .,Untergang des Abendlandes" verwechselt! Faschismus und Bolsd,,wismus Denn dieser „Freiheitskämpfer", der seinen Intellekt verleugnet, nur um den Erfolg der Planwirtschaft in Rußland herabmindern zu können, der von einem „Kapitalismus ohne Kapitalisten~ spricht und den Russen ankündigt, daß sie zuviel erzeugen werden und bald darauf wieder vorwirft, daß sie zwar deo Reichtum, aber nicht die Armut abschaffen konnten, der wendet sich höchstens mit sehr diplomatisch abgefaßten Redensarten gegen das f a s chi– s t i s c h e I t a I i e n. Rußland „bedroht die westliche Zivilisation", aber „der Faschismus will die abendländische Kultur erhalten". Den Russen sagt dieser Weltweise nach: .,Die Welt hat sich abgewöhnt, von der Sowjetregierung d i e g l e i c h e G e r e c h t i g k e i t zu fordern, wie von abendländischen Richtern." Ao der Blutjustiz in Italien oder in Ungarn aber hat er nicht das geringste auszusetzen, denn die Faschisten und Hängechristen schützen „die abendländische Kultur" - das Privateigentum der Klassen- und Standesgenossen des Herrn Coudenhove, Mussolini rühmt sich, daß er die Ideen von t 789, die Ideen der großen bürgerlichen Revo– lution, in Italien ausgemerzt habe, aber Couden– hove billigt ihm zu, daß er vielleicht mit Gift– tropfen die Krankheit des Abendlandes heilen wolle. Nur mit Gifttropfen, wo bleibt das Rizinusöl? Gegen den Bolschewismus ruft dieser Couden– hove zu einer ,,mächtigen Freiheitsbewegung" auf. Sogar einen „Kulturkampf" will er ent– fesseln, freilich nicht gegen Rom, sondern Schulter an Schulter mit der römischen Kirche, die als einzige ~acht „die Gefahr in ihrem ganzen Ausmaß" erkannt hat. Der Papst und Coudenhove-Kalergi - na, das kann ja ein netter, interkonfessioneller „Kulturkampf'' werden! Schluß auf Seite 8 Rätselecke Füllrätsel A T ,. 1 A I T 3. 1 · A I T '· 1 I A T 1 ,. 1 A I T ,. I A T 1 7. 1 A I T 8. 1 A I T 1 ,. 1 A T IO. 1 A T II, A T J. Geistige Hilfe. 2. Kartenspiel. 3. Teil des ehemaligen Ungarn. 4. Seidenstoff. 5. Literari– scher Diebstahl. 6. Leil\111~ einer Hochschule. 7. Extra, ausgeschieden. 8. Gemüse. 9. See– räuber. 10. Bergrücken. 11. Vollbrachtes. Silbenrätsel Aus den Silben: aus, ba, be, car, co, de, die, die, don, frau, heim. jung, ka, Je, le, lie, lo, los, me, mi, ni, or, pic. tel1, tri, und, us, von. wil sind die Titel von sechs Schillerschen Dramen zu bilde11. Bei richtiger Aufeinanderfolge und Verschiebun~ der Wörter er~ibt eine Buch– stabenreihe nach :..ibwärts gi:lesen ein weiteres Werk Schillers. Magische Figur ,. 3. \. Oper von Puccini. 2. Angehöri~cr ei11er Reli.l(ion. 3. Abscblußstreifen. Ei11ral111m115rsteil. 4. fluß in Holland. Homonym Der eine sitzt und lauscht den fernen Klän~en, Der andre führt dir zu. Was man da bietet An Sprechkunst und Musik und an Gesäng-en. Auflösung der Rätsel au.s Nummer 2 Kreuzworträtsel Se II k rec ht: 1. Das. 2, AT. 3. Lwow. 4. San:. 5. OR. 6. War. 8. Los. 9. Nur. 14. TM. 15. Blumen. 16. Filter. 17. AN. 19. Epeu. 20. Ode. 21. Des. 22. Esel. 24. Shawl. 25. Raben. 26. Ader. 28. Nabe. 31. Ade. 32. Rar. 34. La. 37. Ei. Waagrecl1t: 2. Also. 7. Alt-Warna. 10. SO. 11. OR. 12. Ur. 13. WO. 18. Melodien. 23. Pudels. 24. Semester. 26. Ahne. 27. Elan. 29. Da. 30. Narr. 33. Ba. 34. Lewa. 35. Da. 36. Rebe. 38. Karl. 39. Kern. 40. Nein. "Das also war des Pudels Kern... (F a u s t, 1. Teil.) Magische Fisur 1. Saldo. 2. Alaun. 3. Laura. 4. Durst. 5. Sonate.
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