Der Kuckuck vom 17. Jänner 1932

\VIElllll'lr4S 91 \VIERl~IIEl\1r ll))IIIE S'lrA\ll))'lr ,, u,,,,,,,,,,,,,,,u,,,u,,,,,u,u,u,,,,,,u,,,,,,,u,,,,,,,,,,,,u,,,u,u,u, 1.,, 1111111 .,,,.,., u,,, ROMAN VON ESTHER GRENEN AUS DEM DAN!SCIIEN VON MARIA LA.ZAR Copyritht hy G,ulo11 KiPpl'nhl'lll'r VPrloJ? AC. „Herr Bildt, das kann ich Ihnen doch nicht sagen. Ich war doch nicht dabei. Ich weiß nur, daß Meretes Name gefallen ist, und auch das muß nicht einmal wahr sein. Es ist nur so peinlich, daß Merete gleich darauf -'" „Merete ist nach Jütland gereist, an die Küste." „Sie scheinen-nicht zu w issen, wie eng befreundet ich mit Merete bin." „Dann sagen Sie mir, was man über uns geklatscht hat." Weiß Gott, der Mensch sieht aus, als wollte er ihr an die Gurgel springen. Sein Gesicht ist verzerrt, lacht er oder weint er. Das kommt davon, wenn man einen · Mann in Watte wickelt, ihm nie etwas sagt, ihn vor allem verschonen will. Dann verliert er eben gleich den Verstand. „Sie wollen mir also nichts von Merete sagen. Ich könnte Ihnen helfen, ich könnte - Sie dürfen nicht denken, daß ich - verzeihen Sie _ .. .,Merete kommt in den nächsten Tagen zu rück." ,.Sie wollen also gar nichts tun?" ,.Ja. was soll ich denn tun?" Es ist das zweitemal in nicht allzu– langer Zeit, daß Bessie ihren Vater auf sich warten läßt und zum Ess·en zu spät kommt. Und es isi das viertemal in nicht allzulanger Zeit, daß neben ihrem Teller ein Telegramm liegt! ,.Bedaure lebhaft, Besuch wieder ver– schieben zu müssen - reise dringender Familienangelegenheiten halber nach Skaane - Brief folgt - tausend Küsse Axel." Papa starrt eigensinnig in seine Zei– tung hinein. Warum fragt er sie denn nicht, was in dem Telegramm drin steht. Ach, weil er es ohnehin schon weiß. Die Wolken jagen grell und gierig am Fen– ster vorbei. Der Wind rüttelt an den Scheiben, und dabei ist der Himmel zum Ertrinken blau. Ein Glück, daß im Kamin hinten das Holzfeuer brennt. Sie essen schweigend. Was macht Jensen nur für ein feierliches Gesicht. Dieser Esel! Und überhaupt - Papa könnte schon endlich einmal den Mund aufmachen. Die unvermeidliche Frage. Oder findet er sie vielleicht schon gar so bedauernswert, daß er sie schonen will. Sie, Bessie. schonen? Also das denn doch nicht. „Hör mal, Papa, Axel hat wieder mal abtelegraphiert." ,.Sehr freundlich von ihm." ,.Familienangelegenheiten in Skaane." ,.Was du nicht sagst.'· ,J:r wird auch" (na, immerhin gut, daß Jensen nicht mehr im Zimmer ist, da rutscht es doch leichter raus), ,.er wird auch ein viertes Mal abtelegraphieren.'' ,.Das sind ja hübsche Aussichten." „Jawohl, Papa, und deshalb ist es wohl am besten" (nur rasch diesen Bissen Brot runterschlucken, man spricht doch nicht mit vollem Mund), ,.daß wir einen Strich unter die ganze Geschichte machen.'' Pariser Verkehrspolizist Keysloneview Aus dem stiindi,!:en Photowettbewerb des „Kuckuck" . Phot. D. Krip$ Pariser Straßenszene ,,Bcssie, ist das dein Ernst?'' „Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Sehr nett von Axel, daß er es mir überläßt, die Verlobung zu lösen." ,.Abe r, Bessie. das ist doch unmöglich. Bedenk es doch, dieser Skandal. Und schließlich ist gar nichts vorgefallen, ihr habt euch die ganze Zeit über nicht ein– mal gesehen.'' ,.Du weißt sehr genau, Papa, was vor– gefallen ist. Und icl1 weiß auch sehr genau, weshalb unser ganzes Haus jetzt in Kopenhagener Zeitungen schwimmt.'' .,Bessie !'' „Ja, ich habe sie alle gelesen. Ich habe all diese Artikel gelesen. Jenscn brachte sie mir nachts auf mein Zimmer. Ich kenne die ganze Geschichte von Groß– papas erstem und zweitem Testament und der vernachlässigten Nebenlinie, und daß eine dem Oberst Webern nahe– stehende Person das Testament, das erste oder das zweite, ist ja auch egal, in der Hand gehabt haben soll, und daß wir eigentlich zu Unrecht hier auf Christians– holm sitzen, daß aber keine Menschen– seele auch nur einen Augenblick lang an dieses ganze Gefasel glaubt, daß es nichts bedeutet als die Ausgeburt einer hysteri– schen Dienstbotenphantasie. Jawohl, mit diesen Worten stand es zu lesen. einer hysterischen Dienstbotenphantasie also, sowie alle die anderen Schandergeschich– ten aus unserer Stadt, Schaudergeschich– ten, die die schönsten Feuilletons er– geben. Hol"s der Teufel, mir wächst die ganze Affäre schon zum Hals heraus, und ob es jetzt die Jeanette ist oder das Schicksal, das mir meinen Grafen nicht gönnt, mir ist das gleich, ich hab' genug.'· „Aber, Bessie, so hab' ich dich ja noch nie gesehen. Weiß Gott, ich glaube, du bist abergläubisch." ,,Bin ich auch." „Na schön. Aber du denkst doch nicht im Ernst. daß Axel so ein altes Weib ist-·• „Axel ist kein altes Weib. aber er ist auch nicht sehr gescheit und erhaben. Er wird sich hüten, ein Mädchen zu heiraten. dem in allen Zeitungen nachgewiesen wird, dall es sein Geld gestohlen hat." ,,Nein, Bessie, das glaub· ich nicht. das ist ein Unsinn. So was tut kein Mann, der ein Mädchen liebt. Die wahre Liebe -·· „Ach was, wahre Liebe! Davon kann doch nicht die Rede sein!" ,,Aber. Bessie!'' ,.Wir wollen uns nichts vormachen, Papa. So ein Axel weiß überhaupt nicht, was Liebe ist. Ich gefalle ihl". Na gut. Warum denn nicht. Und er gefällt mir auch. Er hat so was Gutgezücl1tetes. Und Gräfin wäre ich auch gern geworden. So albern bin ich. Aber Liebe - mein Gott! Wahrscheinl ich weil! auch ich nicht. was Liebe ist.'" „Bessie, mit dir ist was passiert. Du bist so aufgeregt, so verstört; das alles. was du da redest, ist ja nicht normal." .,Es ist nie normal. wenn man die Wahrheit redet." ,.Oder bist du vielleicht verliebt?" ,.Leider nein." Teufel nochmal. was hat denn das MädeJ? Mit der ist was los. Ja, mit der ist bestimmt was los. Da legt sie jetzt den Kopf in die Arme und heult, heult ganz laut. es schüttelt sie förmlich. .,Donnerwetter! Beß. Beß ! Du hast mir doch keine Dummheit gemacht. Und wenn schon. dann auch gut. ~ las liegt daran. So was Furchtbares wird's doch nicht sein. So was, daß du so weinen mußt, wird es bestimmt nicht sein, kann es gar nicht sein. Bell, hör auf. du schlägst ja mit der Stirn gegen den Tisch. ich halt' das nicht aus.'' Bessie hört sich selber schluchzen. Ach, ist sie das wirklich, die so weinen kann. ist das nicht Merete, Mercte in ihrer Küche mit den grünen Streifen. Eigentlich wunderbar, so weinen zu können. Wahn– sinnig schön, Merete wird aber auch ge– liebt. Wer Mogens Bildt heute gesehen hat, wie er die Fensterläden schloß, und dazu dieses atemlos leere Haus, der weiß das. Was braucht man da noch ein Kind. wenn man so geliebt wird. Mogens Bild! ist ja selbst noch ein Kind, ein verirrtes, ein verzweifeltes Kind. „Hab keine Angst, Papa, ich bin schon ganz ruhig, ich habe eben auch meine Nerven. Nein. ich werde heute bestimmt nichts unternehmen. Wo denkst du hin. 11

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