Das Steyrer Kripperl. 3 letzt war es in Mitters Gasthof „zur goldenen Sense" in der Sierningerstraße Nr. 30 beherbergt. Seit etlichen Jahren hat es die Vereinigung für Heimatschutz in Steyr in ihren Besitz gebracht und vorläufig im alten Kollerhause an der Enns in der Harratsmüllerstraße nicht weit von der Brücke aufgestellt. Ein hübsches Aushängeschild, darstellend den Nachtwächter mit Horn und Hellebarde und mit der Unterschrift ,,Steyrer Kripperl" bezeichnet das Haus. Der Zuschauerraum ist ein kleiner, ganz schlichter Saal mit wenigen leicht aufsteigenden Sitzreihen. Die eine· Schmalseite des Saales ist durch die in Tischhöhe (90 cm ober dem Fußboden) aufgestellte, unten mit einer Holzverkleidung (Rahmen) abgeschlossene Schaubühne vollständig ausgefüllt. Nur seitlich führen zwei schmale, durch dunkle Tuchvorhänge verdeckte Eingänge in das streng verschlossene geheimnisvolle Heiligtum der „Bühne". Diese selbst ist vorne durch ein niederes Holzgitterehen und im übrigen durch einen gemalten Bühnenvorhang (4·68 m lang und 1·60 m hoch) abgeschlossen. Der Vorhang stellt eine verblaßte Ansicht von Neapel dar. Wenn sich de!' Vorhang erhebt, erblicken wir das Bühnenbild, wie es sich uns auf Abb. 1 zeigt. Doch muß dabei bemerkt werden, daß es leide!' unmöglich ist, am Lichtbild auch die Tiefenwirkung wiederzugeben. Er erscheint hier alles auf eine Ebene geworfen, während in Wahrheit zwischen dem vorderen Bühnenrand und dem Hintergrund der oberen Rückbühne (Hinterbühne; am Bilde: Waldlandschaft in der Mitte des Hintergrundes) ein Abstand von nahezu 3 m besteht. Doch wird das Bild und der folgende Text, wie wir hoffen, durch die von Herrn Prof. Dr. E. Pi 11 e w i z er gezeichneten und in entgegenkommendstel' Weise zur Verfügung gestellten Grund- und Aufrisse leicht und klar verständlich werden (Abb. 2 und 3). Wie das Bild und der Aufriß (Abb. 1 und 3) zeigen, baut sich die Bühne in drei großen Stufen terrassenförmig auf. Die unterste Stufe, der Boden des Vordergrundes, der am Lichtbilde am größten erscheint, wird _im Spiel selbst, sozusagen gar nicht benützt. Er trägt nur einen Brunnen, einige weidende Schafe und ein paar Hirtenfiguren, die auf d i e eigen t l i c h e Krippe zugehen. Diese, der Mittelteil der untersten Terrasse, befindet sich in derselben wagrechten Ebene wie die unteren Handwerkerstätten, reicht aber auch noch in deren oberen Reihe hinauf und ist gegen den eben besprochenen Bühnenboden des Vordergrundes selbst ein wenig (um 11 cm) erhöht. Dadurch gewinnt sie eine gewisse beherrschende Stellung auch zu den Hirtenfiguren des Vordergrundes. In der Tat ist dieser im Gl'und- und Aufriß als „Krippe" bezeichnete Teil der ganzen Schaubühne Mittel- und Ausgangspunkt. Sie ist für sich genommen ein kleines volkstümliches WeihnachtskripperJ. Wir sehen die gemauerte Stallruine und darin die heilige Szene der Geburt: das Kindelein im Krippelein, daneben Maria und Josef, dahinter Ochs und Esel, also den uralten. schon seit dem frühen · Mittelalter nachweisbaren Kern jeder Krippendarstellung. Ober der Stallruine zeigt sich der alte, vertraute Krippenberg1 ), auf dem die Lämmei·· weiden und von dem wir einen Blick in eine weite Gebirgslandschaft links und in eineStadt rechts tun können. Vom Berge führen beiderseits der Krippe über schmale Felsklüfte Treppen zum Vordergrund herab. Im übrigen aber steht dieser ganze Teil des Schauplatzes ohne jeden Zusammenhang, ja vielfach geradezu im Widersinn zum übrigen Bühnenbild. Gel'ade darin aber liegt seine volkstümliche Echtheit. Denn es ist echt volkstümlich, daß jener Teil, jene kleine eigentliche „Krippe" in das GesJ.mtgefüge des großen „Steyrer Kripperls" als ein Bild für sich, wie ein Reliefstück aus einem gotischen Flügelaltar, ohne besonde.·e ALgrenzung hineingesetzt ist. Und e ist echt volkstümlich, daß es dabei in seinen Maßverhältnissen mit den daneben über - groß erscheinenden Werkstätten rechts und links in Gegensatz gerät und daß sich 1 ) G. Hager, Die Weihnachtskrippe, München HI02, S. 142, sagt: ,,Da dei· ,Berg' schon 1627 in der Krippe von Frauenchiemsee erwähnt wird, also in ·einer Zeit , wo in Altbayern die Kunst noch in mannigfachen Fäden mit der Spätgotik zusammenhing, so liegt der Gedanke nicht ferne, daß uns in dem Krippenberge noch das landschaftliche Auge des Mittelalters anblickt." 1*
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