Das Steyrer Kripperl

.Das Steyrer Kripperl. 39 Pailler erzählten „Bamkraxler"-, ,,Kaffeehaus"- und „Schulhaus"-Szenen1 ) sowie die „Verurteilung des Rastelbinders", der „Segen" im Münster und das Jägerlied an „Phöbus"2 ). Wohl aber heißt bei unserem Steyrerspiel die Apfeldiebszene noch heute „Der Bamkraxler", wird der „Segen"bei der Fronleichnamsprozession erteilt, entkommt der Rastelbinder ohne Urteil und wird statt eines „Jägerliedes an Phöbus" ein Wildschützenlied gesungen. Die von Pailler3 ) genannten Szenen „Der Rauchfangkehrer" und der „Herr Express" (der aber hier ein dünkelhafter alter Nichtstuer war und von zwei Schusterbuben genarrt wurde) stimmen aber, erstere inhaltlich, letztere in ihrer Benennung wieder ganz mit dem Steyrer Kripperl überein. Wenn wir uns vorstellen, daß seit 1840 wohl vieles in unserem Spiel sich geändert haben mag, so könnten wir also immerhin annehmen, daß Pailler geradezu das Steyrer Kripperl selbst gesehen habe. Da aber Pailler ein Linzer ist und sich zudem in Sierninghofen bei Steyr die Überreste eines zweiten alten Krippenspieles gefunden haben, so ist es wohl richtiger anzunehmen, daß es eben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Oberösterreich mehrere einander sehr ähnliche Krippen-Puppenspiele gab, von denen sich eben nur das Steyrer erhalten hat. Das stimmt sehr gut damit überein, daß Pailler eben, wie gesagt, von einem Typus des „obderennsischen Krippels" redet. Das Steyrer Kripperl ist also, wie wir zusammenfassend sagen könuen, der letzte Vertreter eines volkstümlichen Weihnachtsspieles, das im 19. Jah.rhundert und wohl schon im 18. Jahrhundert in Oberösterreich, aber auch in Bayern, Böhmen, Sachsen, Thüringen, Norddeutschland, Schlesien und Polen üblich war, dessen heutige Form sicher im 18. Jahrhundert entstand und von verschiedenen Seiten her beeinflußt wurde. So deuten der Beginn mit Nachtwächter und Bergmannsszene auf Budweis, Böhmen, Schlesien und Sachsen, die Spielzeit, die auswechselbaren Bilder, das Schleiferlied, der Wällischhans, der Schwoagabua und mehrere Einzelheiten der Einrichtung auf Italien, Tirol, Salzburg (Hallein) und Bayern, das Wildschützenlied, das Rauchfangkehrerlied und die Kohlbauernlieder auf Steiermark und die Einführung bestimmter Volkstypen auf Franken (Bamberg). - Soviel läßt sich über die Einflußrichtungen bezüglich der e n d g ü 1 t i g e n Gestaltung des Steyrer Kripperlspieles sagen. - Der ganze Typus aber solcher Krippen-Puppenspiele und damit das Steyre1· Kripperl geht in seinen Urwurzeln ohne Zweifel auf die mittelalterlichen Marionetten-Krippenspiele zurück, die scheinbar in den südlichen und westlichen romanischen Ländern ihren Ausgang nahmen und freilich selbst wieder in den deutschen und englischen Mysterienspielen wurzeln . Vielleicht ist in der Tatsache, daß der Vorhang des Steyrer Kripperls ein Bild von Neapel zeigt, noch irgend eine leise Erinnerung an den einstigen 1 ) Pailler, a. a. 0., S. XVII-XIX. ') Pailler, a. a. 0. , S. Xl X r. ·•) Pailler; a. a. 0., S. XIX.

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