Das Steyrer Kripperl

onderabdruck aus der Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Das Steyrer Kripperl. Von Dr. Viktor R. v. Geramb und Direktor Viktor Zack (Graz). Im Lande ob- der Enns lebt in der guten und ehrenreichen Eisenstadt :steyr bis zum heutigen Tage ein altes Weihnachts-Puppenspiel unter dem Namen „Steyrer Kripperl" fort. Seinem Inhalte nach ist es eine Verknüpfung ernster religiöser und lustiger, lose aneinander gereihter Vol~sszenen. Die darstellenden Figuren sind geschnitzte und bekleidete, etwa 20 cm hohe Puppen. Der Schauplatz ist eine als dr~iteilige Bühne eingerichtete große volk~tümliche Weihnachtskrippe mit Krippenberg und Krippenstadt. Die Krippenstadt zeigt das alte Steyr und in die zahlreichen volkstümlichen Szenen spielt durchaus die Ortsfarbe von Steyr hinein. Es ist ein bodenständiges Volks-Puppenspiel im besten Sinne des Wortes und es ist für jeden Freund guter Volkstümer eine wahre Freude, daß es auch in unseren Tagen noch immer gespielt werden kann. Ja, es übt heute, wo es dank den Bemühungen der Vereinigung für Heimatschutz jn Steyr wieder alljährlich vön Allerheiligen bis Lichtmeß fleißig gespielt wird, auf alt und jung ganz dieselbe, vielleicht sogar mehr Anziehung aus als vor 150 Jahren1 wo es an derselben Stätte sicher auch schon gespielt wurde. Es ist durch sein Fortleben und durch die Lebhaftigkeit des Besucherzuspruches, dessen es sich seit zehn Jahren wieder neu erfreut, •ein hoffnungsvoller Beweis für die Tatsache, daß gute Volkskost auch heute noch gern begehrt wird und ein wirksames Gegengewicht gegen schlechte Kinodramen zu sein vermag. Darin und in der tiefen beglückenden Wirkung, die sich jedem aus den leuchtenden Augen und dem jubelnden Drängen der Kinderseharen mitteilt, liegt der gewaltige allgemeine Gemütswert dieses Spieles. In der treuen Überlieferung alten bodenständigen Volkstums in Versen, Liedern, Schnurren, Trachten und Bräuchen gesellt sich dazu auch noch ein bedeutender erzieherischer und heimatlicher Wert. Aus diesen Gründen würde das Steyrer Kripperl über die Vereinsförderung hinaus eine kräftige staatliche Unterstützung wohl verdienen. Abgesehen von all dem, kommt diesem Spiele, das wohl zu den letzten lebenden Enkelkindern einer einst großen Familie gehört - falls es nicht gar das letzte ist -, auch noch ein reicher volkskundlicher und kunstgeschichtlicher Gehalt zu, der eine eingehende Würdigung in diesen Dlättern gewiß rechtfertigt. Im August 1917 und im April 1918 wurden uns die einzelnen Lieder und Texte des Spieles, das nirgends aufgeschrieben, vielmehr reine Überlieferung ist, von den beiden Spielern, Frau J o s e p h a Mo h r und Herrn F e r d in an d S c h m i e d in g e r, vorgeführt und außerdem Wiener Zeitschrift fUr Volkskunde XXV. 1

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