Das Steyrer Kripperl. 9' wenn man das g1eichzcitigc Singen und Sprechen dazuhält, keine ganz ]eichte Sache und erfordert viel Übung und Geduld. Weniger schwierig dürfte das Einlernen der Rollen sein. Denn - und auch darin liegt wieder ein sehr anheimelnder, echt voJhtümlicher Zug - denn die Texte sind durchaus nicht streng eingelernt und Wort für Wort festgesetzt, sondern im Gegenteil völlig fließend, leicht und beweglich. Sie werden rasch, kasperltheatermäßig und ohne jeden Zwang gesprochen, immer wieder mit neuen Augenblickseinfällen durchsetzt und von den jeweiligen Eingebungen der Spielenden geformt. Nur die Hauptfäden, der Wesensinhalt der einzelnen - übrigens durchaus sehr kurzen - Szenen ist gegeben. Die Worte wechseln vielfach. Fester Bestand sind nur die Lieder und Liedertexte, die wir im folgenden bringen werden. Aber auch sie sind, wie überhaupt alle Szenen, von sehr verschiedenem Alter und von sehr verschiedenem Werte. Das älteste sind zweifellos die religiösen Szenen. Alt werden auch die mechanischen Hanclwr.rket·gruppen sein. In den lustigen Volksszenen aber kann man recht gut ein sehr verschiedenes Alter feststellen. Von ganz alten volkstümlichen Schnurren bis herauf in die Mitte :des 19. Jahrhunderts finden wir da aJlc möglichen Kinder des volkstümlichen Humors lose und ohne jeden Übergang aneinandergereiht. Bemerkt muß schließlich auch noch werden, daß durchaus nicht etwa a 11 e Szenen, die wir im folgenden anführen, bei jeder Aufführung gespielt werden. Das ist vielmehr nie der Fall. Was wir im folgenden geben, ist so ziemlich das Gesamtrepertoire, aus dem bei den einzelnen Aufführungen immer geschöpft wird. Vieles ist erst im Laufe der Zeiten dazu gekommen, manches einst Gespielte dürfte heute auch schon verloren sein. Auch die Reihenfolge der Szenen ist ganz frei. Nur gewisse Aufeinanderfolgen werden in der Regel festgehalten: So folgen nach den religiösen Szenen (die aber selbst, wie schon gesagt, nach dem Festkalender wechseln) stets die Handwerkcrszenen; d. h. also, die beiden ältesten Szenengruppen, der Kern des Spieles blcib.en im wesentlichen immer gleich. Die Fülle von Szenen, die uns in zweistündiger Aufführung vor~ gespielt wurden, während das Spiel sonst nur eine Stunde dauert, beweist den erstaunlichen Reichtum und die in langer Entwicklung immer wieder neue Szenen sch8ffende Erfindungskraft der Spieler aus dem Volke. Gespielt wird von AJlcrhciligen bis Lichtmcß jeden Sonn- und Feiertag nachmittag, oft fünf bis sechs Spiele hintereinander. Dennoch ist der Besuch immer erfreulich stark. In. Das Spiel. Im kleinen Raum drängt sich erwartungsvoll eine ;schar fröhlicher ,Zuhörer, meist Kinder und harrt unruhig und gespannt des Beginnes. Endlich ertönt ein Glockenzeichen, der Raum wird finster und bei noch geschlossenem Vorhang erklingt aus 'dem Innern des Heiligtums in zittrigen Grammophontönen (früher war's ein Werke!) .Ah+s gutes, altes Lied: ,,Früh morgens , wenn die Hähne .'J{l'ähn ... "
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