Chronik des Bürger-Corps der Stadt Steyr

64 Desertion zur Schau trug, und auch am Montag den 4. in solcher bedenklicher Stimmung nach Leonstein nachrückte, während am gleichen Tage in Wolfern die 3. Division aus Mauthausen anlangte. Am 4. abends nun — die gesammte Nationalgarde exercierte gerade wegen des nahenden Frohnleichnamstages am Exercierfelde beim sogenannten „Föhrer- schacherl" — erhielt der Obercommandant der gesammten National­ garde, Franz von Schoenthan, vom Kreisamtsverweser, Kreis- commissär Albert Stadler, den Auftrag zur Besetzung der Brücken und der damalige Polizeicommissär Willner zur Polizeilichen nächtlichen Streifung, weil unter den Husaren in Wolfern und Leonstein Desertionen zu besorgen wären. Der Commandant theilte dies der Garde mit und forderte die Nationalgarde ans, für die erste Nacht den Dienst durch Freiwillige zu besorgen. Nachdem sich eine genügende Anzahl Garden gemeldet hatten, marschierten dieselben weg, um sich mit der nöthigen Munition zu ver­ sehen und den Dienst sogleich antreten zu können. Es wurden an den wichtigeren Punkten unter den Befehlen von Ober- und Unterofficieren Piqnets aufgestellt, und Patrouillen durchzogen die ganze Nacht hindurch die Stadt und deren Umgebung bis am hellen Morgen; jedoch waren die Vorkehrungen doch etwas nachlässig und ungenügend getroffen worden. Ebenso ungenügend, ja widersinnig, waren aber auch die Anstalten des Militärs selbst. In Härgelsberg war ganz zwecklos Infanterie und in Sierninghofen Cavallerie stationiert, die int Vereine mit der Sierninger Nationalgarde gegen die Meuterer operieren wollte. Um Mitternacht brachen die von der 1. Colonne in Leonstein desertierten Husaren von dort auf, ritten um 3 Uhr früh ganz unange­ fochten durch das besetzte Sierninghofen (wo sich der k. k. Officier beim Durchbruche der Husaren ganz ruhig verhalten hatte, da er sich mit seinen fünfzig Mann Rekruten den Husaren gegenüber für zu schwach hielt) nach Wolfern, mit dort auch die 2. Colonne zum Meineid zu verleiten, und als ihnen dies nicht gelang, auf einem großen Umwege über Dietach nach Steyr, wo sie, 113 Mann und 120 Pferde stark, um 7 Uhr früh eintrafen, still mit gespannten Hähnen, ohne Officiere über die Steyrbrücke und untere Ennsbrücke, dann über die Ennsleiten auf der Straße nach Steyermark (Eisenstraße), ohne irgend einen Auf­ enthalt, ja von 2/3 der Stadtbevölkerung gar nicht bemerkt, fortritten. Kein Aviso von Sierninghofen oder Wolfern kündete sie hier an, wenigstens wurde nichts davon bekannt. Der nichts weniger als radicale Lebzelter und Major des Bürgercorps, Anton Haller, war bereits in seinem Garten auf der Ennsleiten (heute dem Gärtner Mnnsch ge-

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