Rolandsepos vom Beginn des 12. bis zum Beginn des 16. Jahr hunderts In den verschiedensten Techniken: Skulpturen, Wand malerelen, Miniaturen, Goldschmiedearbeiten, Mosaiken, Kir chenfenster, Zeichnungen, Holzschnitte und Gobelins belegen einen bisher unerforschten und deshalb unerwartet reichen Ertrag. Systematisch und kritisch trennt dieses corpus der Roiandssage das Erwiesene vom Angenommenen, die Ent wicklung der Roiandsiegende in der mittelalterlichen Kunst deckt die Spannung zwischen Heiligkeit und Heidentum auf, auch wenn das profane Sujet in den Dienst eines religiösen Ideais gestellt ist, wie es andererseits zuweilen auch politische Forderungen ausdrückt. Das deutsche Kaiserreich, die Nieder lande, Frankreich, Italien, Spanien und in geringem Jvtaße auch England sind die angesprochenen Räume. Aus Bekanntem hat der Forscherbiick genaue Details geholt, etwa aus den mar mornen Flachreliefs der Fassade von San Zeno in Verona, das Mosaik von Brindisi und die Zeichnungen zum Heidelberger „Ruolantes Liet" treten aus der Fülle des Gebotenen hervor, Werke der Glasmalerei sowie der Plastik in Chartres, damit einige Hinweise gegeben seien. Der Schluß des Textbandes, dem übrigens die bestrickend gut gedruckten Farbtafein ein geklebt sind, beschwört noch einmal die Alternative der Auf gabe, die Metamorphosen eines einzigen Gegenstandes durch die verschiedensten Techniken und Bearbeitungen hindurch nachzuzeichnen; aber auch die Variation der Themen über ein und dieselbe Form konnte man verschiedentlich feststellen, wenn Roland die Züge Davids annimmt, wenn er sich als neuer Abraham vor Melchisedech verneigt, wenn er gar, wegen der riesigen Proportionen seines Bildes, gelegentlich seinem Feinde, dem Riesen Ferrogut, zu ähnein beginnt (in Verona). Die große Skala menschlicher Gefühle und Haltungen: Sieg des Mannesmutes über brutale Kraft, der uralte Kampf des Guten gegen das Böse, die Gewißheit des Glaubens, das Wunderbare der Ritterabenteuer, die Vorspiegelungen der Fremde, all das nimmt In den Verwandlungen der Sage Gestalt und Form an. Und macht sie fortdauernd wirksam. E. W. Philipp Schweinfurth, Die Fresken von Bojana. 76 Seiten mit 50 Abbildungen im Text. Verlag Florian Kupferberg, Mainz und Berlin 1965, DM 18.80. In einer Entfernung von acht Kilometern von der bulgarischen Hauptstadt Sofia liegt am Fuße eines hohen Bergmassivs die Kirche Bojana, einst die Hauskirche einer an dieser Stelle befindlichen befestigten Residenz. Der Kirchenbau ist in drei Phasen entstanden, zuerst, im 12. Jahrhundert, eine kleine Kreuzkuppeikirche ohne Innenstützen, im Jahre 1259 ein zwei stöckiger Anbau mit einer stützeniosen Kreuzkuppel oben und einem tonnengewölbten viereckigen Raum unten, ein dritter Anbau im Jahre 1882. Der Sebastokrator Kalojan ließ den Anbau von 1259 mit Fresken ausstatten und auch die älteren Fresken des ersten Baues übermalen. Zwei Wandnischen in dem Anbau sollten sein Grab und das seiner Frau Desislava aufnehmen. In den letzten Jahren wurden die Fresken restau riert und auch der Außenbau wiederhergestellt. Die Fresken von Bojana stellen den bedeutendsten byzantini schen Freskenzyklus Bulgariens dar. In ihrer Anordnung und im Bildprogramm folgen sie den Traditionen der kanonischen Geltung besitzenden mitteibyzantinischen Kunst. Außerdem enthält die Kirche einen Biiderzyklus über dos Leben des heiligen Nikoiaos, dem sie geweiht ist. Da die Aufschriften in bulgarischer Sprache verfaßt sind, ist es möglich, daß auch die oder der Maler Bulgaren gewesen sind, möglicherweise aus der Hauptstadt Tirnovo. Für die Zuweisung nach Tirnovo spre chen auch die Porträts des Königs von Bulgarien, Konstantin Asen und seiner Frau Irene, die sich wie die des Stifter paares in der Kirche befinden und nach dem lebenden Modell ausgeführt zu sein scheinen. Im übrigen sind die Biidtypen durchwegs von byzantinischen Vorbildern abhängig. Ais bul garische Züge bezeichnet Philipp Schweinfurth, der Verfasser des Begieittextes, die Darstellung des bulgarischen Heiligen Johannes von Ryla und die Bezeichnung der heiligen Kyriake als heiliger Nedelja. Stillstisch stehen die Fresken von 1259 zwischen denen der Komnenen- und der Paiäoiogenzeit. In den Köpfen und in den Bewegungen kommen auch zarte Seelenregungen zum Ausdruck, das allgemein Typische wird zugunsten einer stärkeren Individualisierung zurückgedrängt, doch sind die Gestalten in ihren Bewegungen noch nicht so expressiv wie später in der Chorakirche zu Konstantinopel. Die Porträts gehören, wie Schweinfurth mit Recht erklärt, zu den bedeutendsten ihrer Zeit. Der ausführliche Text ist sachlich und zurückhaltend. Gern hätte man etwas mehr über die Darstellung der Nikolaoslegende erfahren. Bei einer Neuauflage sollten neue Bilder nach den nun restaurierten Fresken, womöglich Farbaufnahmen, gemacht werden. SokratisDimitriou Kunstführer Reclams Kunstführer, Band Schweiz und Liechtenstein. Bearbei tet von Florenz Deuchler. 905 Selten mit 113 Abbildungen Im Text, 63 Bildtafeln und zwei Ubersichtsplänen, Reclam-Veriag, Stuttgart 1966. DM 32.80. Mit dem Erscheinen des Bandes Schweiz in der Reihe der Kunstführer aus dem Hause Reclam ist nun Gelegenheit gebo ten, ein besonders interessantes Gebiet des europäischen Zentroiraumes in kunsthistorischer Hinsicht genau kennenzu lernen. Dieser Führer, der wie die vorangegangenen Bände über deutsche, italienische und österreichische Kunst nicht ein Kurzinventar anstrebt, sondern Wege zum richtigen Sehen und zum tieferen Verständnis für das Kunstwerk erschließen soll, konnte auf die solide Basis des bereits 50 Bände zählenden schweizerischen Kunstdenkmälerwerkes aufbauen. Die histori schen Zusammenhänge eines Raumes, der mit verschiedensten Kuiturkreisen in Verbindung steht, werden gebührend behan delt. Naturgemäß sind die traditionsreichen Städte, wie Basel, Bern, Gent, Fribourg, Luzern, Lausanne, Schaffhausen und Züridi besonders ausführlich dargestellt, die Zürcher Stadt geschichte nimmt immerhin allein 20 Seiten In Kleindruck ein, die Profanbauten und Museen sind auf 40 Seiten beschrieben. Verwunderlich ist allerdings, daß man die Behandlung oder auch nur die Erwähnung neuer Kirchenbauten vollkommen unterließ, was bei den übrigen Bänden dieser Kunstführer immer geschehen ist und besonders beim schweizerischen Bond als großer Nachteil erscheint. Selbstverständlich sind die alten klösterlichen Zentren, wie St. Gallen, Müstair, Saint-Maurice, Romainmötier und Einsie deln sehr ausführlich dargestellt, und man kann wirklich sagen, daß hier für den normalen Besucher jede Spezialllteratur über flüssig geworden Ist. Die alphabetische Ordnung und die reiche Fülle verschiedenartigster Illustrationen lassen die Schweiz als das erscheinen, was sie auch ist: ein einzig artiges Kunstland. E. W. Josef Weingartner, Die Kunstdenkmäler SUdtlroIs, Band I. 4. Auf lage, rev. und ergänzt von Dr. Josef Ringler, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, 1965, S 120.—, DM / sfr 20.—. Franz Prinz zu Sayn-Wittgenstein, SUdtirol und das Trentino, 2. durchgesehene Auflage, Verlag Prestel, München, 1965, DM 18.50. Man wird im deutschen Sprachgebiet kaum eine Landschaft finden, in der Kunst und Natur so sehr eins geworden sind wie in Südtiroi. Wer Berg- und Kunstwanderungen miteinander ver binden will, wird daher immer wieder dieses Land aufsuchen. In dem nicht nur der herbe Nordwaid so unvermittelt in die Weinberge und Kastanienwälder des Südens übergeht wie sonst nirgends, wo sich vielmehr auch zwei große Kulturen be gegnen und verschränken. Der „Weingartner", von dem nun wieder alle drei Bände vorliegen, ist dabei ein Führer, der einen nie im Stich läßt. Die Neuauflage hatte nur wenige Berichtigungen anzubringen, da sich zum guten Glück an den Kunstdenkmäiern selbst wenig verändert hat; dem aufmerk samen Betrachter wird nicht entgehen, daß auch die Holz skulpturen, die für die Stadtpfarrkirche Klausen erworben wer den konnten, gewissenhaft aufgeführt sind. Lediglich Feldthurns wird man vergeblich suchen, da es unter dem längst nicht mehr gebräuchlichen „Velthurns" aufgeführt wird; wenn man diesen Namen beibehalten will, sollte man doch wenig stens im Register auch Feldthurns nennen. Zur Einführung und Ergänzung liest man gerne das gefällige Bändchen von Prinz zu Sayn-Wittgenstein. Hier wird man gut in die Geschichte eingeführt, und man erfährt nebenbei auch manch ergötzliche Moritat, wie etwa die Geschichte vom Rit ter von Prack zu Asch oder die weniger ergötzliche vom Streit des großen Cusoners mit der widerspenstigen Äbtissin von Sonnenberg. An konkreten Beispielen wird hier die Geschichte lebendig gemacht: den Reichtum und die Bedeutung Sterzings veranschaulicht das Leben des Reichspfennigmeisters Lukas Geizkofler, und die Bedeutung der Dolomiten als Rückzugs gebiet prähistorischer Völker beleuchtet die Erzählung von den Fanes. Manchmal hat freilich auch hier Papa Homer geschlafen: die Absetzung Gregor Vil. durch Heinridi IV. auf dem After konzil zu Brixen 1080 konnte diesem den Gong nach Canossa schon deshalb nicht ersparen, weil er ihn schon drei Jahre zuvor getan hatte (S. 84), und der moderne Theologe und Kunsthisto riker, der sich viel mit der Welt des Dämonischen beschäftigt hat, heißt nicht Heinrich, sondern Herbert Schade (S.215). Die Abenteuer des Minnesängers und wackeren Haudegen Oswald von Woikenstein lassen uns solches rasch vergessen: „Gen preussen, littwan, tartarey, türckey, über mer / gen lampart, franckreich, yspanien, mit zwayen künges her / treib mich die mynn auff meines eigen geldes ber..." G. R.
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