Christliche Kunstblätter, 105. Jg., 1967, Heft 3

ereignishaft-schildernd, dann müßten sie bei der Wieder gabe vom Leiden und Tod stehenbleiben. Das geschil derte Ereignis aber wird, vor allem durch die Haltung Christi, zum Sinnbild einer zunächst im Ereignis als sol chem verhüllten Wirklichkeit, nämlich des Sieges Christi — und darum sind diese Leidens- und Crucifixusszenen ereignishaft-symboiische Christusbiider. Eine weitere und letzte Entwicklungsstufe besteht nun darin, daß die Person Christi herausgenommen wird aus dem lebendigen Zusammenhang der biblischen Erzählung und in der Mitte seiner Apostel zu thronen beginnt. Er erscheint vielfach „aktionsios", und wenn man ihn han dein sieht, dann als den, der das Gesetz dem Petrus, Paulus oder Johannes Ev. gibt. — Sehr gut läßt sich dies am Christus-Lehrer und Christus-König-Biid nachweisen. — Es stimmt, daß wir bereits in den Anfängen der christ lichen Kunst ein Christus-Lehrer-Biid feststellen können. Aber dieses frühe Lehrbiid ist ein symboiisch-dynamisdies Bild, das die Person des Herrn unberücksichtigt läßt. — Dos Lehrerbild des vierten Jahrhunderts rückt Christus als Person in den Mittelpunkt. Gewiß wird man durch die Haltung der Jünger in vielen Fällen von einem Lehrgespräch sprechen können, was ein Hinweis ist für den im Grunde doch noch irgendwie feststell baren dynamischen Charakter dieser Christusbilder (zum Beispiel Mosaik in S. Aquiiino bei S. Lorenzo Maggiore in Mailand, E. 4. Jahrhundert); aber die Formen werden sehr bald vielfach starrer, bzw. Christus wird immer erha bener, unnahbarer, auch im Kreise der Apostel. Dies läßt sich etwa in den Majestasbiidern der spätantiken Pla stik, vor allem der theodosianischen Plastik, auf den so genannten Stadttorsarkophagen (z. B. in S. Ambrogio in Mailand) feststeilen. Dazu kommen die Apsisbiider in römischen und ravennatischen Basiiiken. — Es wäre falsch, wollte man behaupten, der Christ-König etwa der Apsis von S. Pudentiana zu Rom (um 400) oder von S. Vitale zu Ravenna (um 547) wäre kein handelnder Erlöser. Aber dieses sein Handein führt ihn nicht, wie früher, mitten unter die Leute, sondern beläßt ihn ste hend oder sitzend in bestimmter Entfernung und aus die ser Entfernung heraus nun wirkt er, ohne daß dieses Wirken deutlich sichtbar würde. — So wird ein solches Christusbiid bis zu einem gewissen Grad sogar „über historisch" und Urban Rapp stellt daher richtig fest; „Wenn auch im bärtigen Christus noch der Prediger und Lehrer mitspricht, so ist doch dos Gesamtthema des historischen Charakters entkleidet. Historisch gesehen ist die Menschengestaitigkeit Christi, sind die individuali sierten Köpfe der Apostel, die Handlung aber ist zeit los und immer gültig. Christus wendet sich zur Gemeinde als Pantokrator, als sieghafter, erhöhter Herr, dessen Wiederkunft auf den Wolken mit Macht und Herrlich keit vorgebildet ist"." Urban Rapp hat weiter diese neue Situation als eine „Stille ewigen Geschehens"" bezeichnet. Man kann nun feststellen, wie diese Stille immer strenger wird und das Geschehen immer mehr an Sichtbarkeit verliert. Der Herr wird ständig statisch-zeitloser, die Dynamik eines sichtbaren Handeins läßt immer mehr nach, er ist immer weniger sichtbarer Mittier. — Auch hier hat Urban Rapp richtig gesehen, wenn er sagt: „Betrachten wir nur die Gestalt Christi. Von SS. Cosma e Damiano über Sta. Prassede und Sta. Cecilia bis hier (sc. S. Marco) schließt sich seine Gebärde immer mehr, die Breite und gewisse Weichheit der Gestalt zieht sich zu strenger Vertikaiität zusammen... es ist bei aller Statuarik der Gestalten nicht ein dinghaftes, gegenständliches, reales, haptisches Sein, sondern es steht auf ewigem, irrealen Grund, es ist räum- und ortlos. Der bärtige historische Christus ist in den zeitlosen gewandelt, der Anfang und Ende ist, dessen Name A und O auf einer Standplatte geschrieben ist. Man kann bei Christus — und das gleiche gilt für die umstehenden Heiligen — von einer trans zendenten Realität sprechen." Ähnlich drückt sich Koiiwitz aus: „Die Vertiefung des Christusbiides in den arianischen Wirren, die Vorstellung vom Christus als dem himm lischen Basiieus, neue Anregungen, die von der Apoka lypse ausgehen, die Vermischung, die das Thema mit dem zweiten großen Christusbiid der konstantinischen Zeit, der Gesetzesübergabe, erfährt, all das trägt neue Züge in die zunächst sehr schlichte Komposition des frühen Jahrhunderts hinein. Die betont repräsentative Haltung theodosianischer und nachtheodosianischer Kunst tut ein übriges, den Lehrvorgang der ursprünglichen Komposition immer mehr zurückzudrängen zugunsten einer reinen Repräsentation des Christus in der Herrlich keit"." Aus dem Gesagten dürfte klar geworden sein, wie die mittierische Gestalt Christi in sichtbarer Form immer mehr in den Hintergrund getreten ist. — Die Betonung des Herrschertumes des Sohnes, das im Zusammenhang mit der Christianisierung der Kaiser eine ganz bestimmte, profane Gestaltung angenommen hat, hat das wahre Bild des Erlösers irgendwie verdunkelt. Weil man bei der Schöpfung dieses Christ-Königsbiides zu sehr auf die Erscheinung des weltlichen Herrschers geschaut hat, war man nicht imstande, Herrschertum und Mittlertum mit einander zu verbinden. — Das Ringen um Königtum und Mittlertum in Christus ist auch in der Kunst weitergegan gen — bis auf unsere Tage. Aber vielleicht tun wir uns heute leichter, diese beiden Funktionen miteinander zu verbinden, da wir den Herrn nicht mehr so sehr auf einem politisch-profanen Hintergrund zu sehen beginnen. Anmerkungen ' 3. A. Jungmann, Die Stellung Christi im liturgischen Gebet, Mün ster I. W., 1962, S. 114 f. ' Vgl. Hippolyt von Rom, T.raditio Apostolica, Ed. B. Botte, S. 12. ' Apostolische Konstitutionen (Ed. Funk I, 411). ' Apostolische Konstitutionen (Ed. Funk I, 415). ® E. Sauser, Frühchristliche Kunst, Sinnbild und Glaubensaussage, Innsbruck 1966, S. 95 passim. ® O. Cosel, Älteste christliche Kunst und Christusmysterium, in: Jahr buch für Liturgiewissenschaft 12 (1932) 1—86. ' U. Rapp, Dos Mysterienbild, Münsterschwarzach 1952, S. 91. ' J. Koiiwitz, Artikel: Christusbild, In: Reallexikon für Antike und Christentum III, Sp. 5. ■ J. A. Jungmann, a. a. O., S. 151—168. ro B. Neunheuser, Gedanken zu einer Theologie des Lammes, in: Enkalnio (hrsg. v. H. Emonds), Düsseldorf 1956, S. 153 f. " Kl. Wessel, Arflkel: Christusbild, In: Reallexikon zur byzantinischen Kunst I, Sp. 1051—1055. " Th. K. Kempf, Christus der Hirt, Ursprung und Deutung einer altchrlstllchen Symbolgestalt, Rom 1942. " J. Kollwitz, a. a. O. " J. Kollwitz, a. a. O., Sp. 23 f. " J. Quasten, Dos Bild des Guten Hirten In den altchristlichen Baptisterlen und In den Toufllturglen des Ostens und Westens: PIscIculi, Festschrift f. Fr. J. Dölger, Münster/W. 1939, S. 220—244. " Clemens von Alexandrien, Protreptlkos, 1, 4, 4. " Clemens von Alexandrien, Poedogogos, 3, 101, 3. " Hippolyt von Rom, De Antichrlsto 59. — H. Rahner, Symbole der Kirche, Salzburg 1964. " J. Kollwitz, Dos Christusbiid des dritten Jahrhunderts, Münster/W. 1953, S. 13. =• J. Kollwitz, o. a. O., S. 32. J. Kollwifz, a. a. O. ■= J. Kollwitz, o. a. O., S. 38. " E. Sauser, a. o. O., S. 124 f. " Fr. Gerke, Christus In der spätantiken Plastik, Mainz' 1948, S. 13. « E. Sauser, o. o. O., S. 157 passim. — Fr. Görke, o. a. O., S. 31—48. " U. Rapp, a. o. O., S. 95. " U. Rapp, o. o. O., S. 114. " J. Kollwitz, Das Christusbild des dritten Jahrhunderts, Münster/W., S. 38 f.

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