Christliche Kunstblätter, 105. Jg., 1967, Heft 3

liches Wesen, bedient zu werden. — J. A. Jungmann hat dies in seinen Studien zur Steiiung Christi im liturgischen Gebet auch erkannt und treffend bemerkt: „Wie ist diese Zurückhaitung des Herrn hinsichtlich der ihm selbst gebüh renden Verehrung zu verstehen? Aus seiner ganzen heilsgeschichtlichen Steiiung heraus wird sie verständlich. ,ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen' (Mt. 20, 28). Er ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen (1. Tim. 2, 5). Steht er der Würde noch durchaus auf der Seite Gottes, dessen Natur er ungeschmälert besitzt so gut wie die Menschen natur, so steht er seinem Wirken, seinen Absichten und seiner Lebensaufgabe noch doch ebenso vollständig auf Seite der Menschen. Nicht als Königssohn war er herein getreten in die Weit, um von den Menschen die Gott geschuldete Huldigung in Empfang zu nehmen, sondern als ärmstes Menschenkind war er geboren worden, um als erster der Menschen an der Spitze der Menschheit Gott die ihm schuldige Ehre zu geben, sterbend und auferstehend der Menschheit den Weg zu Gott zu bah nen. Dorum verzichtet er in seinem Leben vollends auf Huldigung, so wie er verzichtet auf die Güter des para diesischen Lebens, die ihm, dem von der Erbschuid nicht Berührten, gebührt hätten, so wie er verzichtet auf olle Vorrechte, die ihm in seinem Erlöserwirken eher hemmend gewesen wären. Dos war seine Haltung zunächst für die Zeit seines öffentlichen Wirkens. Aber auch für die Zeit seiner Verklärung hat er sich keine andere Huldi gung vorgesehen als diejenige, die ihm seine Jünger, vom Heiligen Geiste belehrt, erweisen würden. Auch wo er in seiner Abschiedsrede von der Zukunft spricht, auch wo Johannes aus später Erinnerung gerade jene Gedan ken und Lehrworte Jesu wiedererweckt, in denen die Gottheit seines Meisters am heilsten erstrahlt, auch hier gehen die Weisungen des Herrn kaum über jene Linie hinaus" (Joh. 14,1.13.14. Vgl. Joh. 4, 21. 23)'. Dieser Gedanke vom „geliebten Knecht"^ Jesus Chri stus, den der Vater in die Welt gesandt hat, damit er, als eindringlichstes Zeugnis der liebenden Hingabe des Vaters an die Menschen diesen das Leben schenke und in ihrer Mitte wirke, taucht dann auch in den frühesten Gebeten der Christenheit auf. — So verordnet die Didache, als Zwölfapostellehre die älteste christliche Schrift außerhalb des Kanons der neutestamentlichen Stücke, folgendes Gebet bei der Eucharistie über dem zu brechenden Brote zu sprechen: „Wir sagen Dir Dank, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die Du uns kundgetan hast durch Jesus, Deinen Knecht. Dir die Ehre in Ewigkeit." Es wird also hier Christus als der Bringer der Erlösung angesehen, als Vollstrecker des Auftrages und Willens des Vaters, dessen Stellung die eines Wirkenden ist. Von einer Ehrenbezeigung an ihn ist nicht die Rede, die gebührt dem Vater, so daß also im Vater die Person als solche hervorgehoben wird, während die Person des Sohnes hinter seiner Erlösungs tätigkeit ganz zurücktritt. — Ähnlich wird Jesus Christus im 7. Buch der Apostolischen Konstitutionen gesehen. Auch hier ist er der, durch den der Vater das Eriösungswerk vollbracht hat und der zugleich zum Mittelglied wird zwischen Gott und der Schöpfung. — So soll etwa ein Dankgebet über der Eucharistie lauten: „Wir sagen Dir, unserem Vater, Dank für das Leben, das Du uns in Deinem Knecht Jesus geoffenbart hast. Durch ihn hast Du alles geschaffen und trägst Fürsorge für alles, ihn hast Du auch gesandt, damit er zu unserem Heile Mensch werde. Du hast zugelassen, daß er leide und sterbe, ihn wolltest Du in der Auferweckung verherrlichen und hast ihm den Sitz zu Deiner Rechten bereitet. Durch ihn host Du uns auch die Auferstehung von den Toten ver heißen'." Schließlich heißt es in der Danksagung nach der Kommunion: „Durch ihn (sc. Christus) gedenke (sc. Va ter) nun auch Deiner heiligen Kirche, die Du durch das kostbare Blut Deines Christus erworben hast'." Auf dem Hintergrund dieser christoiogischen Aussagen erscheint nun das Christusbiid der frühchristlichen Kunst zunächst als ereignishaft-dynamisches Bild. Nicht die in sich stehende, von den Aposteln angebetete Person des Herrn interessiert den Künstler, der zugleich zum Verkünder der damaligen Volksfrömmigkeit wird. Die persönliche Gestalt Jesu wird dann sowieso bei der Parusie am Jüngsten Tag sichtbar werden. Jetzt steht im Vordergrund sein Heilstun im Alten und Neuen Bund, auf Grund dessen wir ihn dann als Person bei seiner zweiten Wiederkunft schauen können. — Dieses dyna mische Herrenbild erscheint in rein symbolischen und alt- und neutestamentlichen Ereignisbildern. In den sym bolischen Darstellungen wird überhaupt auf die Person Christi in ihrer sichtbaren Erscheinung verzichtet und in den Szenen aus dem Neuen Bund, die besonders durch Wunderbilder gekennzeichnet sind, erscheint zwar der Erlöser, aber um schließlich doch durch die Schilderung seines Wirkens wiederum von seiner Gestalt abzulen ken und das lebendige Erlösungswerk dem Betrachter vor Augen zu führen'. Die aittestamentlichen Bilder, die zu den ältesten Zeugnissen der christlichen Kunst überhaupt gehören, konnten in ihrer Fülle wiederum nur als Christusbilder angenommen und dargestellt wer den, weil man eben auf die Sichtbarmachung der Person Christi verzichten und ihn dennoch in den Ereignissen, auch in denen vor seiner Geburt, wirksam denken konnte, in den heilsgeschichtlichen Ereignissen und ihrer künstlerischen Darstellung fühlte man sich dem Herrn am nächsten, denn Christus war und ist inmitten der Menschen, um an ihnen das Heil zu wirken, und nicht, um nur von ihnen angebetet zu werden. In sehr ein drucksvoller Weise hat diese Sicht Christi in der frühen Kunst Odo Cosel' aufgezeigt. — ihm ist Urban Rapp mit der treffenden Bemerkung gefolgt: „Die frühesten bildlichen Darstellungen Christi zeigen ihn unter dem Schleier symbolischer und unpersönlicher Gestalten. So findet sich in den ältesten Katakomben nur der gute Hirt, Orpheus, Fisch, Lamm und Monogramm. Die Person Christi erscheint erstmalig in dem Bilde der Taufe Christi und in Wunderszenen, wo sie aber nur aus der Hand lung zu erkennen ist, nicht durch eine bestimmte Typi sierung und durch Attribute (Katakombe der Domitilia, Petrus und Marcellinus, Caliisto). Später löst sich die Gestalt Christi aus den historisch-gleichnishaften Szenen und empfängt eine isolierte, repräsentative Erscheinungs weise'." — Johannes Koliwitz schildert schließlich diese Situation mit der treffenden Formulierung: „Für das dritte Jahrhundert tritt die Person Christi fast ganz hinter der durch ihn gebrachten Erlösung zurück... wenn man sich Christus vorstellt, dann geschieht es eigentlich immer in Bildern, die das Besondere seiner Sendung durchscheinen lassen'." Überblickt man nun den Zeitraum vom 3. Jahrhundert bis in die nachtheodosianische Zeit, so wird ein fort-

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