Christliche Kunstblätter, 105. Jg., 1967, Heft 3

Die archäologische Vergangenheit der Kaplaneikirche St. Laurentius zu Lorch-Enns in Oberösterreich Lothar Eckhart Ein erster überblick über die Grabungsergebnisse 1960—1966. Mit Titel und Untertitel soll zum Ausdruck gebracht wer den, daß die nachfolgende Skizze weder endgültige Resultate einer jahrelangen archäologischen Forschungs arbelt zu bringen vermag, noch, daß auch die Fragen des hoch- und spätmittelalterllchen Kirchenbaues hier abgehandelt werden können. Das alles Ist der abschlie ßenden Grabungspubllkatlon, die der Verfasser 1970 Im Rahmen der Schriftenreihe „Forschungen In Lauriacum" herauszubringen gedenkt, vorbehalten, letzt will der Ausgräber gleichsam nur einen ersten, zusammenfassen den Rechenschaftsbericht vor sich selbst und dem Inter essierten Publikum geben, alle Dinge sind noch Im Fluß, diffizile Probleme werden höchstens angedeutet, wissen schaftliche Seriosität der notwendig stellenweise sehr konjunktivisch formulierten Darstellung In Verbindung mit leichter Lesbarkelt Ist angestrebt'. Eineinhalb Kilometer außerhalb des ehemaligen mittel alterlichen Mauerringes der Stadt Enns steht die gotische Laurentiuskirche Im Nordosten der römischen, für die heutige Katastralgemelnde Lorch namengebenden Zlvllsledlung Lauriacum, die unter Kaiser M. Aurellus Antonlnus (Caracalla, 211—217 n. Chr.) das Stadtrecht erhielt'. Trotz der exzentrischen Lage war St. Laurenz bis 1553 Stadtpfarrkirche von Enns, und schon die ältere Forschung brachte diese auffallende Standortsgebundenheit mit den welterwirkenden Traditionen einer darunterliegen den ältesten Kirche, nämlich der frühchristlichen Bischofs kirche von Lauriacum, In Zusammenhang'. Außerdem wurden im lahre 1910 knapp nördlich der Kirche drei römische Altäre, davon zwei beschriftet mit Weihungen an die kapitolinischen Gotthelten luppiter, luno und Mi nerva, gefunden'', was Anlaß für eine weitere Vermutung war. Im Kirchenbereich wäre das Kapitol von Lauriacum, der staatlich-religiöse Mittelpunkt jeder autonomen römischen Stadt, zu suchen. Am 5. September 1960 wurde der Spaten In der Kirche zum ersten Male angesetzt, und am 7. Oktober 1966 fanden die Grabungen ihren Abschluß. Für alles weitere sind Immer die schematisierten und reduzierten Gra bungspläne zu vergleichen. Der den sakralen Charakter des Ortes begründende Erstbau an der Stelle der Laurentiuskirche war ein großes heidnisches Heiligtum, ein sogenannter gallo-römlscher Umgangstempel In der Holz-Steln-Bauwelse der ein heimischen Kelten. Dieser Bautypus unterscheidet sich grundsätzlich vom klassisch-Italischen Tempel, er Ist In seiner reinsten Ausbildung ein Zentralbau mit einem quadratischen Allerhelllgsten (cella) und einem In glei chen Abständen darum herumführenden Säulenumgang. Die cella ist turmartig überhöht, der niederere Säulen umgang Ist mit einem Pultdach daran angesetzt. So hat auch der Mittelteil unseres Tempels ausgesehen (Plan Abb. 1). Die nicht ganz regelmäßige Turmcella, die zu mindest In Ihren unteren Teilen gemauert war (bemalte Verputzrestel), mißt Im Lichten etwa 11 X 11 m, der Ab stand des Umganges von Ihr beträgt ca. 2,6 bis 3,2 m. An den Umgang, der zum Teil aus hölzernen Säulen oder Pfosten auf Schotter- bzw. Kiesfundamenten bestand, sind nun Im Osten und Westen je zwei ungleich große Raum einhelten angesetzt, im Osten ca. 5 m lang (breit). Im Westen ursprünglich 7,5 bis 8 m, dann auf durchschnittlich 4,5 m verkleinert (alles ebenfalls lichte Maße, neue West mauer auf dem Plan schraffiert). Auch der nördliche Um gang war Im Gegensatz zum südlichen In sich gegliedert, wie überhaupt die Nord-(Donau-)selte des Tempels seine Haupt- und Schaufront darstellte. Die äußere Gesamt länge (Ost—West) betrug maximal über 34 m, die äußere Gesamtbreite (Nord—Süd) auf jeden Fall über 18 m. Dieser Umgangstempel, der schon früh von uns als kelti sches Haupthelllgtum von Lauriacum angesprochen wurde, stellt sich bisher In 5 faßbaren Bauperloden dar, von denen allerdings nicht jede einen größeren Umbau zu bedeuten braucht. Die erste fällt In die Gründungszelt von Lauriacum, die letzten Adaptierungen finden gegen oder um 300 n. Chr. statt. Der Tempel hat sicher noch eine Zeltlang Ins 4. Jahrhundert hinein bestanden, wie lange, wissen wir noch nicht, ebensowenig, welche einheimi schen Gotthelten In ihm verehrt wurden. Der Dienst vieler Keltengötter hat mit Wasser zu tun, und so fanden sich auch hier eingebaute Wasserwannen (Wi, Wj) und ein halbkugeliges Tonbecken (dollum, D), das ehemals auf einem eisernen Dreifuß stand und ebenfalls rituellen Wa schungen gedient hat; von kultischen Mahlzelten stam men zahlreiche Tierknochen. Ein Kellerraum Im Nordosten — unter der nördlichen Seltenkapelle (K) — wird als Depot für kostbare Weihegeschenke, gottesdienstllche Gegenstände, vielleicht auch als Kassenraum zu deuten sein (Bildtafel 2). Ein gar nicht hoch genug einzuschätzender Fund kam noch heuer zutage. Ein unscheinbares Keramikfragment der ersten Tempelperlode, also der Zelt um 200 n.Chr., trägt die eingeritzten Buchstaben I O M (Abb. 2). Das bedeutet aufgelöst l(ovl) O(ptlmo) M(axlmo) = „Dem besten und größten luppiter" und stellt eine Dedikatlon an den obersten Reichsgott dar, der auch auf den oben erwähnten Weihealtären offiziell angerufen Ist. Das heißt aber welter, daß schon Im ersten Keltentempel der Abb. 2: Keramik-Fragment mit Weihung an Juppiter Optlmus Maximus aus dem keltischen Umgangstempel.

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