Christliche Kunstblätter, 105. Jg., 1967, Heft 3

Die Ausgrabungen unter Sankt Peter zu Rom Hermann Köstler Wer je den Petersdom in Rom betrat, ist sicheriich auch zu den „Grotten" hinuntergestiegen, in dieses Geschoß unter der Mitte der großen Basiiika, und hat dort die Papstgräber besucht. Wenige werden jedoch daran ge dacht haben, daß sie hier auf einer Ebene stehen, die im vierten Dahrhundert unter Kaiser Konstantin angelegt wurde. Und auch die archäologische Wissenschaft kann erst seit zwei Jahrzehnten Genaueres darüber sagen, auf welche Weise der heutige Dom mit all dem zusam menhängt, was früher einmal auf dem Vatikan gebaut wurde. Ais man im Jahre 1939 einen Platz für das Grab von Papst Pius Xi. in den Grotten suchte und auch den Boden dieses Geschosses etwas senkte, fand man darunter Mauerreste, die nicht frei in der Erde lagen, sondern sich fest nach unten hin fortsetzten (Abbildung 2: F). Diese Bauten standen sichtlich noch an ihrem ursprüng lichen Platz; man war in der Höhe ihres reich verzierten Dachansatzes auf sie gestoßen, ihr Fußboden mußte also weit unter dem der Grotten liegen. Man bat Papst Pius Xil. um die Erlaubnis für die Unter suchung der alten Reste in den Grotten und darunter. Der Papst gestattete es. Und damit begann eines der erregendsten Kapitel in der Geschichte der Archäolo gie, einer Wissenschaft, die keineswegs arm an be merkenswerten Ereignissen ist. Die Arbeiten waren äußerst schwierig; Mußte man doch immer beachten, wo man sich befand — unter der Basilika, unter der Kuppel, unter dem Bronzebaidachin! Dazu tauchten Hindernisse persönlicher Art auf, die über wunden werden mußten, und oft bedurfte sogar das Wie der Ausgrabungen sorgfältiger Überlegung. Man stand häufig genug vor vollkommen unerwarteten Fun den, die einer gewissenhaften Untersuchung und Deutung bedurften, ehe die Arbeit fortschreiten konnte. Die Jahre vergingen, und man schrieb 1950, als der Papst in seiner Weihnachtsansprache die Öffentlichkeit davon unterrichtete, was im verflossenen Jahrzehnt unter Sankt Peter geschehen war. Im Jahr 1951 veröffentlichten dann die vier Archäologen, die bei den Ausgrabungen zusam mengearbeitet hatten, einen Bericht über die Funde im Gebiet unter der Confessio von Sankt Peter und in ihrer unmittelbaren Umgebung'. Die Basilika Konstantins Zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts begann man in Rom, eine der größten Kirchen der Welt abzubrechen. Papst Julius II. hatte seinem Baumeister Bramante den Auftrag gegeben, die alte, baufällige Basilika des Kai sers Konstantin, die noch aus dem vierten Jahrhundert stammte, durch einen Neubau zu ersetzen, der alles Dagewesene überbieten sollte. Und so wurde zerstört, was über ein Jahrtausend lang eine der Hauptkirchen der Christenheit gewesen war, die Petrusbasilika auf dem Vatikan, ihr folgte der große Bau, den wir heute noch besitzen, und zwar über demselben Ort, der schon für die erste Kirche ausschlaggebend gewesen war (Abbildung 1). Es war nicht zum erstenmal, daß hier etwas Bestehendes einem anderen Bau weichen mußte. Ähnliches war hier, auf dem Vatikanhügei, an der gleichen Stelle, schon einmal vorgefallen: vor zwölf Jahrhunderten. Als Kaiser Konstantin nämlich im vierten Jahrhundert beschloß, am Hang des Hügels zu Ehren des heiligen Petrus einen gewaltigen Kirchenbau aufzuführen, mußten auch damals die Architekten andere schon vorhandene Gebäude zer stören; allerdings handelte es sich damals um keine christlichen Bauten. Vielmehr erstreckte sich hier ein eng maschiges Netz von Familiengräbern (Abbildung 1) über ein Gebiet zwischen zwei Straßen, die aus der Stadt herausführten: im Süden des Hügels verlief die Via Aureiia im Tal unten; und die Via Cornelia ist wahr scheinlich im Norden auf dem Hügeikamm anzunehmen. Seit zwei Jahrhunderten waren hier schon Mausoleen gebaut und Tote bestattet worden. Und somit stieß der Bau dieser ersten Basilika nicht nur auf technische, son dern auch auf rechtliche Schwierigkeiten: Das römische Recht gewährte nämlich nicht bloß jedem bestehenden Grab seinen vollen Schutz, sondern sicherte sogar für einen Begräbnisplatz alle Zugänge, die von späteren Anlagen immer berücksichtigt werden mußten. Eines der Mausoleen auf dem Vatikan (Abbildungen 1 und 2: A) trägt heute noch über seinem Eingang eine Marmortafel, die um das Jahr 130 dort eingesetzt wurde. Sie weist mit drei verschiedenen Worten auf dieses Recht hin: Ein gewisser Popilius Heracia, von dessen Testament ein Teil auf diese Weise veröffentlicht wurde, schreibt hier, seine Nachkommen und Erben sollten das Recht auf sein Mausoleum und auf alle Zugänge zu die sem Gebäude bewahren. Diese „Zugänge" drückt er mit drei verschiedenen Wörtern von beinahe gleicher Bedeutung aus: „ITVM ADiTVM AMBiTVM" (Gang, ZuGang, Um-Gang). Natürlich wird auch bestimmt, wie viel jeder der Erben für das Mausoleum zu zahlen habe, und, was für uns sehr wichtig ist, wo sich Popilius Heracia sein Grabhaus wünschte: „IN VATIC. AD CiRCVM" will er begraben werden („auf dem Vatikan, in der Nähe des Zirkus"). Wir wissen, daß hier auf dem Vatikan im ersten Jahrhundert die Gärten des Nero angelegt wur den, und in ihnen lag der Zirkus, wie Tacitus berichtet^. Lange war man der Ansicht, die Nordmauern des Zirkus seien als Grundlage für die Südmauern der Basilika Konstantins verwendet worden. Die Ausgrabungen wider legten diese Meinung. Alles Mauerwerk der Basilika Konstantins stammt aus der Zeit Konstantins, auch das der Grundmauern^. Die genaue Lage des Zirkus konnte lange nicht mit Sicherheit angegeben werden. Erst in

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