Christliche Kunstblätter, 105. Jg., 1967, Heft 3

Christliche Kunstblätter 3/1967 s ff 1 W Studien zur frühchristlichen Kunst

Christliche Kunstblätter 3/1967 Studien zur frühchristlichen Kunst

Die Ausgrabungen unter Sankt Peter in Rom Hermann Köstler Die archäoiogische Vergangenheit der Kaplaneikirche St. Laurentius zu Lorch-Enns in Oberösterreich Lothar Eckhart Christus, der Bringer der Erlösung Ekkart Sauser Zur iiturgischen Ordnung im nordafrikanischen Kirchenbau Otto Nußbaum Kritik: Otto Nußbaum, Der Standort des Liturgen am christiichen Altar vor dem lahre 1000 \ Günter Rombold Buchbesprechungen Die Anschriften der Mitarbeiter: Dr. Lothar Eckhart, Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz Hermann Köstler, Tschurtschenthalerstraße 5, A 6020 Innsbruck Prof. Dr. Otto Nußbaum, Heerstraße 148, D 53 Bonn Univ.-Prof. DDr. Ekkart Sauser, Auf der Düngt 1, D 55 Trier Titelbild: Rom, Santa Maria Antiqua, Sarkophag, um 270. Guter Hirte und Taufe Christi. Foto Hirmer Die Aufnahmen dieses Heftes stammen von Eiersebner (Laurentiuskirche in Lorch), Benediktinerinnen von S. Pniscilla (Priscilla-Katakombe), Hirmer (Sarkophag in den Grotten von S. Peter), Alinari, Florenz (alle übrigen). — Die Abb. 1, 5 u. 7 zu dem Artikel über die Ausgrabungen von St. Peter wurden dem grundlegenden Band von Ghetti, Ferrua, Dosi und Kirsch baum, Esplorazioni sotto la Confessione di San Pietro in Vaticano, Gitta del Vaticano 1951, entnommen. Pläne und Textabbildungen zum Artikel über St. Laurentius in Lorch wurden von Dipl.-Ing. Dr. G. Eckhart, Wien, neu gezeichnet. Dem Heft liegt ein Prospekt der Ausstellung „Salzburgs neue Schatzkam mer" bei. Wir bitten um freundliche Beachtung. Thema des nächsten Heftes: Der deutsche Expressionismus. Eigentümer und Herausgeber: Diözesan-Kunstverein, Linz, Herrenstraße 19. Verlag und Druck: Oö. Landesverlag, Linz, Landstraße 41. Redaktion: DDr. Günter Romboid, Linz, Bockgasse 3. Gestaltung: Prof. Dohannes Schreiber, Linz, Kroatengasse 18. Einzelpreis des Heftes: S 28.—, DM 4.60, sfr 4.60.

CHRISTLICHE KUNSTBLÄTTER Eigentümer und Herausgeber: DIözesan-Kunstverein, Linz an der Donau, Herrenstraße 19. — Verlag und Druck: OD. Landesverlag, Linz. — Schriftleiter: Dr. G. Rombold, Linz, ßockgosse 3. Für die Diözese St. Pölten: Konsistorialrot J. Schwendemann, St. Pölten, Domplatz 1. — Der Jahr gang besteht aus 4 Heften. Preis des Einzelheftes; öS 28.—, DM 4.60, sfr 4.60. Jahresbezugspreis: öS 98.—, DM 16.—, sfr 16.—. Einzahlungen erbeten auf Postscheckkonto Wien 42.243, für das deutsche Bundesgebiet auf Postscheckamt München, Konto Nr. 120.657, für die Schweiz auf Postscheckamt Zürich 80-38623, für Luxemburg auf Postscheckamt Luxembourg 261-28.

BERICHTE Salzburgs alte Schatzkammer Zur Ausstellung in den Oratorien des Salzburger Domes vom 11. 3uni bis 15. September 1967. Salzburg — heute Stadt der Musik und der schönen Künste — lebt aus dem reichen Erbe seiner Vergangen heit. Die Erzbischöfe als Herren des geistlichen Fürsten tums schufen hier nicht nur ein Zentrum der Glaubens verkündigung, der Bildung und Wissenschaft, sondern prägten auch das Antlitz der Stadt entscheidend. Daß ihre vielfachen Verflechtungen mit der abendländischen Geschichte, ihr bestimmender Einfluß auf die gesamte Entwicklung im Südosten des Reiches eine entsprechende Hofhaltung zur Voraussetzung hatte, versteht sich wohl von selbst. In dieser Ausstellung soll nun erstmals der Versuch un ternommen werden, ein Gebiet des Lebens am einsti gen Salzburger Fürstenhof in seiner Gesamtheit darzu stellen: Das Wachsen und Werden des tausendjährigen Schatzes des Erzstiftes. Nachdem die Katastrophe der Säkularisation auch der Eigenstaatlichkeit Salzburgs ein Ende bereitet hatte, erhielt Großherzog Ferdinand III. von Toskana neben Eichstätt, Passau und Berchtesgaden auch Salzburg als Kurfürstentum zum Ersatz für seine von Napoleon geraubte Heimat. Doch bevor er nach einer kaum zweijährigen Regierungszeit (1803—1805) seine Re sidenzstadt wieder verlassen mußte, ließ er den Groß teil der Hofsilberkammer zum Abtransport verpacken. Auf dem Umweg über Budapest und Würzburg gelangten diese Bestände schließlich 1816 nach Florenz, wo sie noch heute einen Großteil der weltberühmten Argen teria des Palazzo Pitti bilden. Nur einige Objekte sind in andere Sammlungen des In- und Auslandes (Wien, München, Freiburg, Rom, New York, Esztergom) gelangt. Durch die Großzügigkeit dieser Leihgeber wird nun zum ersten Male seit mehr als 150 Dahren Salzburgs alte Schatzkammer an dem Ort ihres Wachsens, Werdens und Vergehens einen Sommer hindurch zu sehen sein. Nur einige Höhepunkte seien herausgegriffen. Den Rei gen eröffnet eines der hervorragendsten Zeugnisse karolingischer Goldschmiedekunst, das berühmte „Rupertikreuz" von Bischofshofen. Vermutlich um 800 fertigten es an iro-schottischen Vorbildern geschulte Meister in Salz burg. Das bedeutendste Stück des Domschatzes, ein doppelarmiges Reliquienkreuz (Staurothek) aus der Zeit um 1070, ist, was seine Herkunft betrifft, noch sehr um stritten. Sicher ist nur, daß es in einer deutschen Werk statt entstand. Wie die Fürsten des hohen Mittelalters allerorten, sam melten auch Salzburgs Erzbischöfe damals nicht bloß ihres Materials wegen kostbare Gefäße aus Silber, Gold und edlen Steinen; dies alles mochte nur Hülle sein für den unendlich höher bewerteten Schatz des „Hailtumbs", der Reliquie. Nur in der Ansammlung sterb licher Überreste von Blutzeugen, die vor allem durch die Kreuzfahrer nach Europa gelangten, wußte man sich der göttlichen Huld gewiß. Einige herrliche derartige Geräte, die aus Büffelhorn, Straußeneiern, Kokosnuß oder dem ausgehöhlten Wurzelholz der Libanonzeder gefertigt und in höchst kunstvoller Weise in vergoldetem, teils email liertem Silber montiert sind, werden auf der Ausstellung vertreten sein. Geist, Kunst und Kultur der Renaissance bemächtigten sich Salzburgs zu Ende des 16. Jahrhunderts in einem Prozeß tiefgreifender Wandlung, wie ihn in dieser Heftig keit und Konsequenz kaum eine andere deutsche Stadt mitgemacht hat. Urheber dieser grandiosen Metamor phose war Erzbischof Wolf Dietrich von Roitenau (1587 bis 1612), dessen 25jährige Regierungszeit maßgeblich war, um aus Salzburg ein deutsches Rom zu formen. Die Ausstattung der Schatzkammer spielte dabei in seinem Konzept eine entscheidende Rolle. Er beruft die führen den Goldschmiede seiner Zeit an seinen Hof (Paul van Vianen, Hans Mentz, Paul Hübner) und erteilt ihnen Aufträge, die an Geschmack und Prunk kaum ihresglei chen finden. Da Ablieferungsbefehle wirtschaftlicher Kri senzeiten diese Objekte arg dezimiert haben, steht nur noch ein Rest vor uns. Aber welch ein Rest! Es ist das einst 150teilige Konfektservice, von dem sich noch 54, einzeln ziselierte Schalen im Palazzo Pitti erhalten haben. Es ist das Reiseservice (eine Flasche und vier Schalen) in Goldemailtechnik, das auf der Welt nicht seinesglei chen findet und es ist nicht zuletzt die Festtagsgarnitur kirchlichen Kultgerätes für den von Wolf Dietrich begon nenen neuen Dom. Die in all ihrer Schlichtheit dennoch monumentale Scheibenmonstranz steht als ältestes Stück dieses Typus (1596) ebenso am Beginn einer durch das Konzil von Trient eingeleiteten Entwicklung wie das Prunkmeßbuch und die in Gold getriebene Kreuzigungs gruppe des Paul van Vianen. Daß seine Zeit das säkulare Ereignis eines solch unbän digen, aber auch maßlosen Genies nicht begriff, darf uns nicht wundern. Deshalb kehrt unter den Stücken, die seine Nachfolger, nachdem die Wunden des Dreißig jährigen Krieges geheilt waren, noch der Schatzkammer hinzufügen, kaum etwas wieder, das die einsame Höhe dieser Qualität erreichen würde. Man huldigt in der Vor liebe für gedrechseltes Elfenbein, geschnitztes Bergkri stall und dem für Salzburg besonders charakteristischen geschnitzten Steinbockhorn, dem Geschmack der Zeit; man tauscht mit anderen fürstlichen Persönlichkeiten er lesene Geschenke aus, die uns heute aber mehr ihrer Kuriosität denn ihres Kunstwertes halber interessieren. Die Tage der geistlichen Fürstentümer waren gezählt. Da das Staatswesen auch finanziell stark angeschlagen war, mußten viele hundert Kilo Edelmetall aus den Be ständen der Hofsilberkammer in die Münze wandern. Nur die Pretiosenmonstranz des Erzbischofs Johann Ernst Graf Thun, in die nach dem Entwurf seines Hof architekten J. B. Fischers von Eriqch über 2000 Edelsteine verarbeitet wurden, blieb von diesem Schicksal ver schont. Auch Kurfürst Ferdinand von Toskana tastete sie nicht an, wie er überhaupt vor den in kultischer Ver wendung stehenden Dingen großen Respekt bewies. Erstmals also soll die kommende Ausstellung „Salzburgs alte Schatzkammer" den Großteil dieser Bestände wie der für ein paar Monate zusammenführen und auf diese Weise nicht nur ein Kapitel Salzburger Geschichte, son dern auch ein kaum je zusammen gesehenes Prpblem deutscher Goldschmiedekunst würdigen. Johannes Neuhardt Zur Wiedereröffnung des Salzburger Museums Carolino Augusteum. Am 3. Mai eröffnete der Herr Bundespräsident in An wesenheit illustrer Gäste das nach modernen museolo gischen Gesichtspunkten unter der Direktion von Senats-

rat Univ.-Doz. Dr. Kurt Willvonseder neuerrichtete Haus am alten Platz. Das frühere Gebäude war 1944 ein Opfer der Bomben geworden. Seither mußte das Museum mit Notunterkünften sein Auslangen finden. Die Zeit der Ver borgenheit wurde aber unermüdlich genützt, um am Tage X einsatzbereit zu sein. Es fehlte während dieser Zeit aber auch nicht an kräftigen Lebenszeichen nach außen: im adaptierten Vogelhaus fanden zahlreiche Sonderaus stellungen statt, das Volkskundemuseum im Monats schlößchen wurde wiedereröffnet und die Dauerausstel lung mittelalterlicher Kunstwerke, später Burgmuseum ge nannt, auf der Veste Hohensalzburg kam neu hinzu. Der wissenschaftliche Apparat wurde so weit ausgebaut, daß seit 1955 alljährlich die „Jahresschrift" des Museums erscheinen kann. Das wiedererstandene Museum präsentiert sich in einem völlig neuen Gewände. War vorerst das von der Archi tektengemeinschaft Mayr, Ratschenberger und Weißenberger geplante Gebäude Gegenstand städtebaulicher Kritik, so erwies sich im Laufe der Aufstellung, daß die neutraien, flexibel veränderbaren Innenräume einen vor züglichen Rahmen für die Musealobjekte abgeben, de ren Strahlungskraft voll zur Geltung kommen kann. Das Haus umfaßt sechs Geschosse, von denen vier (Tief geschoß, Erdgeschoß, 1. und 2. Stock) Schauzwecken und die beiden obersten mit Bibliothek, Archiven, Gra phiksammlung, Restaurierwerkstätte, Fotolabor, Gemälde depot und Arbeitsräumen dem wissenschaftlichen Dienst und der Verwaltung dienen. Grundgedanke der Aufstellung war die konzentrierte Darstellung der Kunst- und Kulturgeschichte von Salz burg an Hand von nach dem Gesichtspunkt der Quali tät und geschichtiicher Aussagekraft ausgewähiten Ge genständen. Die Durchführung verfolgte das Ziel, einer seits das Einzelobjekt zur Geltung zu bringen, ander seits den inneren Bezug von Objekt zu Objekt unauf dringlich aber doch spürbar anschaulich zu machen. Die Anordnung ist chronologisch, doch wird ein starres Sche ma vermieden. So birgt das ais Lapidarium sich anbie tende Tiefgeschoß nicht nur die römische Sammiung, sondern auch die mittelalterliche Bauplastik, während der Urgeschichte mit der keltischen Dürrnberger Schnabel kanne als Spitzenwerk der Raum um die Freitreppe im 1. Stock zugewiesen wurde. Hier schiießt sich dann die Darstellung des Mittelalters bis zu den Tagen Erzbischof Wolf Dietrichs an, wobei die reiche Sammlung gotischer Tafelbilder und Skulpturen im Mittelpunkt steht. Ein Nebensaal ist der Topographie von Salzburg gewidmet. Der 2. Stock umfaßt die neuere Zeit von Erzbischof Markus Sittikus bis zur Gegenwart. Der Domneubau, die alte Universität, die für Salzburg so fruchtbare Zeit des Ba rocks werden dem Besucher ebenso nahegebracht wie die Zeit der Aufklärung und politischen Unruhen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. In einer Art von Barockgalerie mit zwei großen Gemälden von J. M. Rottmayr als Hauptstücken ist freistehend oder in großen Vitrinen eine Auswahl alter Musikinstrumente versam melt, an denen das Salzburger Museum so reich ist. Am anderen Ende des Stockwerks kann man in einer drei teiligen Vitrine Kostüme des 18. und 19. Jahrhunderts bewundern. Der Nebensaal hat eine kleine Galerie der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts aufgenommen, in der den Werken der Salzburger Meister Makart und Faistauer der Vorzug gegeben wurde. Die flexible An lage der gesamten Aufstellung erlaubt es ohne beson dere Schwierigkeiten an allen Orten einen Wechsel oder eine anders akzentuierte Konzentration vorzunehmen. Von dieser Möglichkeit haben die Verantwortlichen schon von Anfang an vor allem in der von Valkenauers Kaiserstatuen beherrschten Eingangshalle Gebrauch gemacht, wa derzeit Fayencen, Zinn und aus Anlaß der Wieder eröffnung eingetroffene Geschenke schaugestellt sind. F. F. Gotik In Österreich Krems bietet heuer wieder eine Großausstellung in der Minoritenkirche zu Krems-Stein: Diesmal heißt das ge stellte Thema „Gotik in Österreich" (19. Mai bis 15. Okto ber, täglich 9—18 Uhr). Mit 458 Werken der Malerei, der Plastik, des Kunstgewerbes, der Architektur und über dies noch mit Waffen, Giocken, Schmiedeeisenarbeiten und literarischen Zeugnissen wird in dieser Ausstellung die spätmittelalterliche Kunst aller österreichischen Län der vor Augen geführt, die notwendige knappe Auswahi bedingt den äußersten Qualitätsanspruch. Wenngleich die Gotik der Bundesländer Tirol und Niederösterreich schon gezeigt wurde, fehite jede vergleichende Darstel lung aus dem österreichischen Raum, so daß in Krems vöilig neue wissenschaftliche Zusammenhänge, etwa auf dem Gebiet der Tafelmalerei, der Plastik, der Glasma lerei sowie der Textilien zu erwarten sind. Dies vor aliem auch deshalb, weil Leihgaben aus dreizehn europäischen Staaten kamen, die noch nie in Österreich gezeigt wur den und nun im ursprünglichen Zusammenhang betrach tet werden können. Völlig neu ist die Einbeziehung der Lederschnittbände, von Zinn und Glas, der Glocken und des Schmiedeeisens. Gerade in dem letzten Punkt hat sicher die oberösterreichische Donauschulausstellung in Linz und St. Florian 1965 befruchtend gewirkt. Wichtig ist die Feststellung, daß keine Uberschneidung oder Wieder holung mit Objekten der Ausstellung von 1959 „Gotik in Niederösterreich" erfolgt. Um den Besuchern das Verständnis und das Studium zu erleichtern, sind wieder die einzelnen Sachgebiete räumiich zusammengefaßt. Die Glasmalerei wird geschlossen im nordseitig gelegenen Kapitelsaal dargeboten, in der Krypta findet man Waffen, Glocken, Zinn und Schmie deeisen. Im rechten Seitenschiff ist die Literatur, im linken Seitenschiff die Buchmalerei zu sehen. Die Textilien be finden sich an der Südwand des Chores, wo sie vor direk ter Sonnenbestrahiung geschützt sind. Die Werke der Plastik und die Tafelmalerei sind nach Werkstätten und Meister geordnet über den ganzen Ausstellungsraum verteilt. Greifen wir von den einzelnen Gruppen Beispiele her aus, die die Zielsetzung des Ausstellungsleiters Archiv direktor Dr. Harry Kühnel beleuchten: Unter den Werken der Glasmalerei finden sich auch sechs Scheiben aus St. Leonhard in Murau, die 1892 vom historischen Mu seum der Stadt Basel erworben wurden. Der Meister von Schloß Lichtenstein ist mit zwei Tafelbiidern vertre ten, die aus dem christlichen Museum Esztergom-Gran und aus Warschau kamen. Der Pettauer Altar des Conrad Laib hat einen beherrschenden Piatz im Vorchor gefun den wie ein mittelalteriicher Volksaltar, während als Ziel dieses wundervollen Kirchenraumes der gewaltige Wolf gangaltar von Grades in Körnten aufragt, der wie viele weitere Aussteliungsgüter erst für diesen Aniaß in den Werkstätten des Bundesdenkmaiamtes restauriert wurde.

Wenn von der gotischen Plastik die Rede ist, muß sofort die Bedeutung unserer Heimat Oberösterreich auf die sem Gebiet erwähnt werden, wo bei uns immerhin 16 Flügelaltäre als Gesamtkunstwerke dieser Zeit erhal ten sind mit den hohen Spitzenleistungen von St. Woifgang und Kefermarkt. Die Predeilafiguren von St. Wolf gang belegen dies auch in der Ausstellung, und dem immer noch fraglichen Meister von Kefermarkt ist eine ganze Reihe von Exponaten gewidmet. Die großangelegte Kremser Ausstellung dient nicht nur der Kunstfreude, sondern der Begegnung mit Werken einer Zeit, die aus Irren und Wirren alier Vergänglich keit diese zeitlosen Merkworte der Gottbegnadung eines wahren Menschentums geprägt hat. E.W. Max Beckmann in Linz Anläßlich des zwanzigjährigen Bestehens der Neuen Galerie Linz zeigt diese vom 24. Mäi bis 18. 3uii die Gemälde und Aquarelle der amerikanischen Max-Beck mann-Sammlung Stephan Lackner und die Druckgraphik Beckmanns aus den Beständen der Kunsthaile Bremen. Beckmann hat einmal gesagt: „Die Kunst ist schöpferisch um der Darstellung willen, nicht zur Unterhaltung — um der Wandlung willen, nicht zum Spiel." Letztlich geht es in allen Bildern Beckmanns um den Versuch, dem Geheim nis der menschlichen Existenz auf die Spur zu kommen — die Größe und Schönheit, aber auch die Ausgesetztheit und Ausweglosigkeit des Menschen zur Darstellung zu bringen. Die Sammlung Lackner umfaßt über dreißig Bil der aus den letzten zwanzig Schaffensjahren des größ ten deutschen Künstlers der ersten Jahrhunderthälfte, un ter ihnen neben einigen hinreißenden Landschaften und Stilleben das Porträt seiner zweiten Frau, das Beckmann als begnadeten Koloristen erweist, das Selbstporträt mit Horn, wo das eigene Ich geradzu ins Mythische gestei gert wird, und — als absoluten Höhepunkt — das Triptychon „Versuchung". Es ist eines der großen verschlüssel ten Fragebilder Beckmanns, in denen der Mensch sich vor das Mysterium der Geschlechter gestellt weiß, ohne es letztlich ergründen zu können. Den Schwerpunkt der graphischen Sammlung bilden die Blätter der frühen zwanziger Jahre. Aus ihnen spricht das Grauen des Kriegserlebnisses, die Erfahrung des Elends und der Qual des Menschen, immer wieder hat Beckmann sich selbst dargestellt, denn: „Ich habe mich mein ganzes Leben bemüht, eine Art ,Selbst' zu werden". So entstand die wohl eindrucksvollste Folge von Selbstbildnissen der neueren deutschen Kunst. Wir möchten darauf hinweisen, daß wir in unserem näch sten Heft einen Beitrag von Stephan Lackner über Beck mann bringen werden. G. R. Ausstellungen In Rom In der Galerie für sakrale Kunst der Gegenwart „L'Agostiniana", weiche die Augustinerpatres von Santa Maria del Popolo unterhalten, und die von Pater Carlo Cremona geleitet wird, wurde über die Osterzeit 1967 die Ausstellung von Radierungen des tschechischen Malers Bohusiav Reynek gezeigt. Der in Rom wirkende österreichische Germanist Prof. Dr. Gottfried Stix ist bei seinen Trakiforschungen auf diese eigenartige Persönlich keit gestoßen, die in sich sowohl das lyrische als auch das bildnerische Element vereinigt. Der religiöse Grund ton seiner Radierungen rechtfertigt diese Schau in einer der angesehensten Galerien Roms auf dem Gebiete mo derner religiöser Kunst. — In der Galerie „II Corpine" in Rom wurde eine Aussteilung der österreichischen Malerin Elsa Olivia Urbach gezeigt. Ihr Name hat für die Kunst kenner Roms bereits einen guten Klang, da sie in drei bemerkenswerten österreichischen Ausstellungen, welche in den letzten vier Jahren in der Ewigen Stadt gezeigt worden sind, mit ihren Werken vertreten gewesen ist: österreichische Druckgraphik der Gegenwart, die in der „Calcografia Nazionaie" 1963 gemeinsam mit der Wiener Graphischen Sammlung „Albertina" veranstaltet worden ist, sowie in den Aussteilungen „Alfred Kubin ed i pittori fantostici viennesi" (II Biiico, 1963), in der zum ersten Male dos kunstinteressierte Publikum mit den Besonder heiten der phantastischen Maierei der Gegenwart in Wien konfrontiert wurde; und „Sülle orme dello Wiener Secession" („La Medusa", 1965), in welcher die Kontinui tät der Wiener Maierei von der Jahrhundertwende an bis in die Gegenwart nachzuweisen versucht worden ist. Gustav Rene Hocke schrieb in seinem grundlegenden Essay, weichen er dem Katalog für die erste Ausstellung der Wiener phantastischen Malerei voranstellte, daß die Römer in den Bildern dieser Künstler eine ebenso neue wie alte Sprache der Konzilianz finden werden: Die Wie ner Schule sagt, daß wir alle gemeinsam keine Hoff nungen mehr haben werden, wenn wir hinter unserem Gesicht der Angst nichts mehr aufleuchten lassen, nicht einmal mehr die schwache Aussicht auf Versöhnung. Das Werk von Elsa Olivia Urbach kann der „Wiener Schule" zugerechnet werden, wenn man darunter eine Maierei versteht, in der Wien als Schnittpunkt der verschieden sten Abszissen- und Ordinatenachsen der mitteleuropä ischen und der mediterranen Kulturlandschaft fungiert. Besondere Beachtung fand in Rom das Bild „Die Päpste", dessen mystischer Sinngehalt auch das Menschliche durchblicken läßt. W. Z. Grundsätzliche Überlegungen zu zwei römischen Aussteilungen In der Entwicklung der bildenden Kunst während der letzten Jahre gibt es gewisse Anzeichen, daß der Säku larisierungsprozeß in diesem Kulturbereich zum Stillstand gekommen ist. Zumindest ober kann mit Recht behauptet werden, daß die Relation: religiöse und profane Kunst nicht mehr mit konservativer und avantgardistischer identisch ist. Allerdings muß gesagt werden, daß eine exakt sakrale Thematik heute mehr denn je schwieriger zu bewältigen ist, da unsere Zeit dafür keinerlei Klischee duldet und vom Künstler fordert, daß die persönliche Formensprache sich mit dem religiösen Erlebnis deckt. In der sakralen Kunst von heute kann man grundsätzlich von zwei Wegen sprechen: Der eine ist darin zu erblicken, daß die künstlerische Tätigkeit vom Ernst einer Glaubens bereitschaft getragen ist und in sich selbst einen reli giösen Akt erblickt; der andere besteht in der Realisie rung von Themenkreisen, die den Vorstellungen der Heiisgeschichte entnommen sind. Zwei Aussteilungen, die gegenwärtig in Rom zu sehen sind, können für diese beiden Dimensionen als exempla risch betrachtet werden. Der Neapolitaner Maler Eduarde Polumbo (geb. 1932) zeigt in der „Galieria della Trinitä" seine jüngsten Werke, die den Glauben des Menschen im weitesten Sinn zum Thema haben. Diese Galerie ist vor knapp einem Jahr von Marina Valeri Garretto, der Tochter des Venezianer Dichters Diego Valeri, dem Verfasser der berühmten „Guida Sentimen-

tale di Venezia", mit einer Aussteilung von Bruno Saeti eröffnet worden. Palumbo wählt in seinen Bildern viel leicht in gewisser Anlehnung an den Zyklus „I soll" von Saeti, für weiche Valeri neun seiner schönsten Ge dichte geschrieben hat, die Sonne als Grundmotiv und zugleich auch als Giaubens-Symbol. Wir erkennen sie im Schild des „Wächters" wieder, der damit die ewigen Werte der Menschheit zu verteidigen bereit ist, ebenso in der Fensterrose über dem Portal der Darstellung einer gotischen Kirche. Die Farbgebung Palumbos ist sparsam. Sie beschränkt sich auf grün, blau, schwarz und weiß, und doch spüren wir in den Landschaften, in denen die Sonne selbst nicht zu sehen ist, wie sie über diese ihr Gold ausstreut. Der junge Kunstkritiker Italo Mussa gibt im Vorwort zum Katalog eine klare stilistische Analyse der aktuellen Arbeiten Palumbos, der vom Postimpressionismus aus geht und experimentierend jene Werte erarbeitet hat, die zugleich ein Echo der Natur und unseres Empfindens vereinen. Nach Mussas Ansicht wird durch die Technik Palumbos der Betrachter zu einer Konzentration gezwun gen, durch die erst die Vision des Künstlers klar sichtbar wird, indem dieser durch das Medium unseres Auges und unseres Denkens, die darin enthaltenen Geheimnisse zu entdecken vermag. Im Sitz der „Unione Cattoiica delia Stampa Italiana" (Union der katholischen Presse Italiens) in Rom stellt der Triestiner Sigfride Maovaz (geb. 1927) einen Zyklus von Gemälden, Graphiken und Treibarbeiten aus, die unter das eine große Thema der „Passion Christi" gesteilt sind. Maovaz, der sich in der italienischen Hauptstadt als Kunstkritiker der römischen Tageszeitung „il Tempo" einen Namen gemacht hat, dokumentiert mit dieser Schau zugleich, daß er sich nunmehr ausschließlich der künst lerischen Arbeit widmen möchte. Die intensive Hinwen dung zur Leidensgeschichte Christi kann an sich schon als meditativer Akt angesehen werden. Die Dramatik des Geschehens geht von den expressiven Gehalten aus, während die Farbwerte ganz zurückgedrängt erscheinen. Selbst die großformatigen Bilder haben oft den leben digen Duktus graphischer Arbeiten. Es wird uns dabei klar, daß wir es hier mit einem Künstler zu tun haben, der seinem Wesen nach ganz und gar Bildhauer Ist, da er in wenigen Strichen und mit geringem Farbaufwand stets starke Plastizität erreicht. Das tektonische Prinzip des Plastikers tritt in zwei groß formatigen Darstellungen der „Kreuzigung" und der „Kreuzabnahme" jedoch zurück. In diesen beiden Werken zeigt er eine gewisse Affinität zu Anton Hanaks leben diger Graphik, allerdings ins Monumentale übertragen. Damit bringt Maovaz zugleich den Beweis, daß trotz seines langjährigen Wirkens in Rom seine Herkunft aus dem großen Kulturraum Mitteleuropa noch immer leben dig ist. Walter Zettl KRITIK Ekkart Sauser, Frühchristliche Kunst. Sinnbild und Giaubensoussage. 563 Seiten, 16 Bildtafeln. Tyrolia-Veriag, Innsbruck 1966. Ein hervorragender Kenner der patristischen Literatur untersucht im vorliegenden Werk die frühchristliche Kunst vom inhaltlichen her, wobei der formale Aspekt außer Betracht bleibt. Der Verfasser sucht zuerst eine Grundvoraussetzung zum Verständnis dieser Kunst zu schaffen, indem er in das symbolische Denken der Antike einführt. Er weist darauf hin, daß der ontische Realismus der Antike im „Symbol" nicht nur eine ausgeklügelte Vorstellung des mensch lichen Geistes sah, sondern ein Wesensmerkmal aller Wirklichkeit. Alles Wirkliche trägt symbolischen Charak ter; im Symbol tritt das eigentliche Wesen des Seienden in Erscheinung. Alierdings ist das Symbol Enthüllung und Verhüllung zugleich. Dieses symbolische Denken findet auch in den paulinischen Schriften und bei den Kirchen vätern seinen Niederschlag. Christus repräsentiert als „Bild des unsichtbaren Gottes" (Kol 1, 15) den sich selbst offenbarenden Gott. So ist auch der „neue Mensch" des Christentums ein ebenbildlicher Mensch; er ist eikonhaftig und eikonfähig. Von da aus ist der Weg nicht mehr weit zur byzantinischen Auffassung vom gemalten Bild, von der Ikone als einem Gegenstandssymbol, in dem die unanschaubare, unfaßbare Wirklichkeit selbst gegenwärtig wird; das Göttliche vergegenwärtigt sich im Irdisch-Menschlichen. in einem zweiten Teil geht der Verfasser auf die zentrale Thematik der frühchristlichen Kunst ein: auf das Christus mysterium. Anknüpfend an das bisher Gesagte weist er zunächst auf, daß das Christusbiid dieser Zeit grund sätzlich nicht abbildhaften, sondern symbolischen Charak ter hat, daß es also nicht darstellen will, wie Tesus aus gesehen hat, sondern wer er als der Christus ist. Die ältesten Christusbilder sind die am stärksten „verhüll ter)": In Ereignissen des Alten und Neuen Testamentes wird Christus als der Uberwinder des Todes dargestellt. Dabei sind die typoiogischen Darstellungen aus dem Alten Bund in der Mehrzahl: die Arche Noes, Tonas, die Dünglinge im Feuerofen, Daniel in der Löwengrube. Auch das Kreuz wird zunächst nicht in seiner nackten Realität dargestellt. Ekkart Sauser zeigt, wie es schon im Bild der Orante verhüllt da ist, wie es dann in den Sinn bildern des Tau, des Schiffes, des konstantinischen Mono gramms auftaucht, und sich erst relativ spät als Gemmen kreuz unverhüllt zeigt. Erst nach 400 wird daraus der Cruzifixus, die Darstellung Christi am Kreuz. In der Folge wird in einer Reihe großer Interpretationen das Bild des Hirten, des Lehrers, des Königs Christus untersucht. Man bedauert, daß die Abbildungen nicht zahlreicher sind, so daß man sich gezwungen sieht, Bildwerke zur frühchrist lichen Kunst aufzuschlagen, um dem Text voll und ganz folgen zu können. Sehr stark betont der Verfasser die eschatoiogische Ausrichtung alier Christusdarsteliungen. Besonders eindrucksvoll wird das am Apsiskreuz von Sant Apoiiinare in Ciasse iri Ravenna nachgewiesen. Ein letzter Abschnitt gilt dem altchristiichen Kirchen gebäude. Es ist zunächst „Haus unserer Gebete" (Augu stinus), Haus der Gemeinde, die der eigentliche Tempel Gottes ist. In der nachkonstantinischen Zeit gilt es auch als Sinnbild des himmlischen Jerusalem, das freilich nicht einseitig als nur jenseitige Größe mißverstanden werden darf. Wenn die Kirche also primär Haus der Gemeinde genannt wird, so schließt das nicht aus, daß sie ebenso als „Haus der Herrn" gilt. Darauf weisen auch die kreuz förmigen Bauten als Bilder des im Kreuze triumphieren den Herrn hin. So zeigt sich, daß die Grundthese des Verfassers vom symbolischen Charakter frühchristlicher Kunst auch für den Kirchenbau zum Tragen kommt. Günter Rombold

Die Ausgrabungen unter Sankt Peter zu Rom Hermann Köstler Wer je den Petersdom in Rom betrat, ist sicheriich auch zu den „Grotten" hinuntergestiegen, in dieses Geschoß unter der Mitte der großen Basiiika, und hat dort die Papstgräber besucht. Wenige werden jedoch daran ge dacht haben, daß sie hier auf einer Ebene stehen, die im vierten Dahrhundert unter Kaiser Konstantin angelegt wurde. Und auch die archäologische Wissenschaft kann erst seit zwei Jahrzehnten Genaueres darüber sagen, auf welche Weise der heutige Dom mit all dem zusam menhängt, was früher einmal auf dem Vatikan gebaut wurde. Ais man im Jahre 1939 einen Platz für das Grab von Papst Pius Xi. in den Grotten suchte und auch den Boden dieses Geschosses etwas senkte, fand man darunter Mauerreste, die nicht frei in der Erde lagen, sondern sich fest nach unten hin fortsetzten (Abbildung 2: F). Diese Bauten standen sichtlich noch an ihrem ursprüng lichen Platz; man war in der Höhe ihres reich verzierten Dachansatzes auf sie gestoßen, ihr Fußboden mußte also weit unter dem der Grotten liegen. Man bat Papst Pius Xil. um die Erlaubnis für die Unter suchung der alten Reste in den Grotten und darunter. Der Papst gestattete es. Und damit begann eines der erregendsten Kapitel in der Geschichte der Archäolo gie, einer Wissenschaft, die keineswegs arm an be merkenswerten Ereignissen ist. Die Arbeiten waren äußerst schwierig; Mußte man doch immer beachten, wo man sich befand — unter der Basilika, unter der Kuppel, unter dem Bronzebaidachin! Dazu tauchten Hindernisse persönlicher Art auf, die über wunden werden mußten, und oft bedurfte sogar das Wie der Ausgrabungen sorgfältiger Überlegung. Man stand häufig genug vor vollkommen unerwarteten Fun den, die einer gewissenhaften Untersuchung und Deutung bedurften, ehe die Arbeit fortschreiten konnte. Die Jahre vergingen, und man schrieb 1950, als der Papst in seiner Weihnachtsansprache die Öffentlichkeit davon unterrichtete, was im verflossenen Jahrzehnt unter Sankt Peter geschehen war. Im Jahr 1951 veröffentlichten dann die vier Archäologen, die bei den Ausgrabungen zusam mengearbeitet hatten, einen Bericht über die Funde im Gebiet unter der Confessio von Sankt Peter und in ihrer unmittelbaren Umgebung'. Die Basilika Konstantins Zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts begann man in Rom, eine der größten Kirchen der Welt abzubrechen. Papst Julius II. hatte seinem Baumeister Bramante den Auftrag gegeben, die alte, baufällige Basilika des Kai sers Konstantin, die noch aus dem vierten Jahrhundert stammte, durch einen Neubau zu ersetzen, der alles Dagewesene überbieten sollte. Und so wurde zerstört, was über ein Jahrtausend lang eine der Hauptkirchen der Christenheit gewesen war, die Petrusbasilika auf dem Vatikan, ihr folgte der große Bau, den wir heute noch besitzen, und zwar über demselben Ort, der schon für die erste Kirche ausschlaggebend gewesen war (Abbildung 1). Es war nicht zum erstenmal, daß hier etwas Bestehendes einem anderen Bau weichen mußte. Ähnliches war hier, auf dem Vatikanhügei, an der gleichen Stelle, schon einmal vorgefallen: vor zwölf Jahrhunderten. Als Kaiser Konstantin nämlich im vierten Jahrhundert beschloß, am Hang des Hügels zu Ehren des heiligen Petrus einen gewaltigen Kirchenbau aufzuführen, mußten auch damals die Architekten andere schon vorhandene Gebäude zer stören; allerdings handelte es sich damals um keine christlichen Bauten. Vielmehr erstreckte sich hier ein eng maschiges Netz von Familiengräbern (Abbildung 1) über ein Gebiet zwischen zwei Straßen, die aus der Stadt herausführten: im Süden des Hügels verlief die Via Aureiia im Tal unten; und die Via Cornelia ist wahr scheinlich im Norden auf dem Hügeikamm anzunehmen. Seit zwei Jahrhunderten waren hier schon Mausoleen gebaut und Tote bestattet worden. Und somit stieß der Bau dieser ersten Basilika nicht nur auf technische, son dern auch auf rechtliche Schwierigkeiten: Das römische Recht gewährte nämlich nicht bloß jedem bestehenden Grab seinen vollen Schutz, sondern sicherte sogar für einen Begräbnisplatz alle Zugänge, die von späteren Anlagen immer berücksichtigt werden mußten. Eines der Mausoleen auf dem Vatikan (Abbildungen 1 und 2: A) trägt heute noch über seinem Eingang eine Marmortafel, die um das Jahr 130 dort eingesetzt wurde. Sie weist mit drei verschiedenen Worten auf dieses Recht hin: Ein gewisser Popilius Heracia, von dessen Testament ein Teil auf diese Weise veröffentlicht wurde, schreibt hier, seine Nachkommen und Erben sollten das Recht auf sein Mausoleum und auf alle Zugänge zu die sem Gebäude bewahren. Diese „Zugänge" drückt er mit drei verschiedenen Wörtern von beinahe gleicher Bedeutung aus: „ITVM ADiTVM AMBiTVM" (Gang, ZuGang, Um-Gang). Natürlich wird auch bestimmt, wie viel jeder der Erben für das Mausoleum zu zahlen habe, und, was für uns sehr wichtig ist, wo sich Popilius Heracia sein Grabhaus wünschte: „IN VATIC. AD CiRCVM" will er begraben werden („auf dem Vatikan, in der Nähe des Zirkus"). Wir wissen, daß hier auf dem Vatikan im ersten Jahrhundert die Gärten des Nero angelegt wur den, und in ihnen lag der Zirkus, wie Tacitus berichtet^. Lange war man der Ansicht, die Nordmauern des Zirkus seien als Grundlage für die Südmauern der Basilika Konstantins verwendet worden. Die Ausgrabungen wider legten diese Meinung. Alles Mauerwerk der Basilika Konstantins stammt aus der Zeit Konstantins, auch das der Grundmauern^. Die genaue Lage des Zirkus konnte lange nicht mit Sicherheit angegeben werden. Erst in

Abb. 1: St. Peter in Rom. Die Basiliken der Renaissance und Konstantins. Die Lage der Nekropoie.

jüngster Zeit fand man südlich von Sankt Peter Reste, die erweisen, daß die Mausoleenreihe parallel nördlich des Zirkus gebaut wurde. Konstantins Architekten legten also eine riesige Ebene von etwas mehr als 120 X 70 m an. Sie errichteten diese Fläche dermaßen, daß sie Im Norden In den Hügel hineinschnitt. Im Süden Jedoch auf gewaltigen Mauern ruhte, die sich Im Freien bis zu einer Höhe von 14 m türmten. Diese Ebene bildete den Boden der Basilika, und sie entschied über das Schicksal aller Gebäude, die hier schon standen: Was über sie hinausragte, wurde zerstört, was unter Ihr blieb, bis obenhin mit Erde ange füllt. Ebenso schüttete man die Räume zwischen den neuen Grundmauern mit Erde voll. Und trotz aller recht lichen Schwierigkelten wurden die Mausoleen enteignet, unzugänglich gemacht und teilweise zerstört. Warum geschah dies alles? Nicht weit entfernt wäre günstigeres und auch unverbautes Gelände zur Verfü gung gestanden, wo man die große Kirche hätte bauen können. Die Gründe zu Ihrer erstaunlichen Lage müssen In der Geschichte dieses Platzes vor Konstantin gesucht werden. Die Nekropole Im ersten Jahrhundert stand auf dem heute ausgegra benen Gelände noch kein Mausoleum. Nur vereinzelte Gräber waren bereits vorhanden. Erst Im zweiten Jahr hundert, gegen das Jahr 130, begann hier eine rege Bautätigkeit, die In raschem Ablauf eine Reihe von Mau soleen entstehen ließ (Abbildung 2). Zu den ersten gehörte das Monument des Poplllus Heracia, das schon erwähnt wurde (Abbildung 2: A). Wie die Abbildung 2 zeigt, lehnten sich diese Gebäude mit Ihrer Rückwand an eine kleine Hügelfalte, deren Höhe sie etwa mit Ihrem Dachansatz erreichten. Sämtliche Eingänge schau ten nach Süden. Man konnte von der Via Aurella aus dem Süden und von der Via Cornelia aus dem Norden zu den Mausoleen kommen. Als sich die Reihe zu schlie ßen begann, da man einen Bau neben den anderen stellte, wurden In den Innenräumen kleine Treppen errichtet, die ausnahmslos von der Nordselte herunter führten und meist In einer Biegung zum Boden des Mau soleums herabkamen. So hatte man auch weiterhin die Möglichkeit, die Mausoleen von der Via Cornelia her betreten zu können. Man brauchte zwischen den einzel nen Gebäuden keinen Platz frei zu lassen, und die Zu gänge von beiden Straßen her blieben gewahrt. Später errichtete man südlich von den ersten Mausoleen Im Abstand einer schmalen Gasse von dieser nördlichen Reihe weitere Grabhäuser, die natürlich an keiner Erd wand lehnten, sondern völlig frei standen. Diese jüngeren Gebäude mußten die Zugänge aus dem Süden für die älteren freihalten. In diesen neuen Bauten konnten keine Treppen mehr helfen, die ja In die Luft und nicht auf den Hügel hinauf geführt hätten — man mußte Durchgänge zu der Gasse vor den älteren Gebäu den freihalten (Abbildung 2: Z, $, X, ^). Und wie die Besucher der Grabstätten vor fast zweitausend Jahren, so gehen auch die Menschen des zwanzigsten Jahr hunderts wieder durch diese engen Wege. Noch Immer merkt man den deutlichen Anstieg des Hügels, wenn man zu der schmalen Gasse heraufkommt, die zwischen den beiden Reihen verläuft. Der Besuch lohnt sich: Feines Mauerwerk, Marmor sarkophage und einfache Tonsärge, Urnen- und Erd gräber, Fresken und Stuckverzierungen, staunenswert frische Farben In lebhaftem Wechsel mit feinen Abstufun gen vermitteln Immer noch eine Vorstellung von der ehemaligen reichen Ausstattung dieser Grabhäuser. Ab und zu entdeckt man mitten zwischen heidnischen Familienangehörigen auch christliche Gräber'*, und ein kleines Mausoleum (Abbildung 2: M) zeigt eine christ liche Mosaikdekoration aus dem dritten Jahrhundert, die an der Decke Christus als Sonnengott darstellt. / Abb. 2: Der ausgegrabene Teil der Nekropole. Zwei Bodenprofile '.Tv'';' (I und 11) In nord-südllcher Richtung. ;T. 1^II——ai wm R '( II

Vielen Mausoleen merkt man deutlich ihre lange Benüt zung durch Generationen an: Sie sind überbelegt, und manchmal hat man weiteren Urnen- oder Erdgräbern etwas gewaltsam Raum geschaffen, wenn der Platz zu eng wurde. Diese Bestattungstätigkeit ging bis zum Anfang des vierten Jahrhunderts rege welter, bis In die Zelt Konstantins. Allerdings machten sich damals schon gewisse Verfallserscheinungen bemerkbar, denn der Großteil der Gebäude war Immerhin schon eineinhalb bis zwei Jahrhunderte alt. All das wurde nun aber plötzlich durch einen Gewaltakt verschüttet und zum Teil zerstört. Man tat das so gründ lich, daß einige Leute die Gelegenheit zu Plünderungen benützten: Offenbar war mancher Arbeiter der Meinung, diese Gebäude würden nie wieder zum Vorschein kom men — und bereicherte sich an kostbar ausgestatteten Gräbern, die aufgebrochen und beraubt wurden, bevor man alles zuschüttete. Wiederholt sind Spuren dieser Grabschändungen festzustellen'. Und von neuem stehen wir nach dieser kurzen Beschrei bung der Nekropole vor der Frage um den Grund für den Bau der Basilika an diesem Platz, der für ein solches Unternehmen denkbar ungeeignet war. Der Grund für diese Veränderungen liegt in der Nekropole selbst, und zwar nicht in einem der Mausoleen, sondern In einem kleinen Friedhof Im Westen des ausgegrabenen Gebietes (Abbildung 2: P). Der Friedhof P Der Anstieg Ist hier Im Westen etwas flacher geworden, wie man In Abbildung 2 aus dem Vergleich der Schnitte I und II erkennen kann. In diesem ursprünglich etwas Abb. 3: Friedhof P: Zeitliche Reihenfolge der frühen Gräber: -ü — i — y. Um 150 folgt der Anbau der Mauso leen O — S — R — R'. Zur selben Zelt legt sich das Grab ri quer über das Grab ^ und beschädigt den Aufbau des Grabes y. abschüssigen Friedhof (Abbildung 2: P) liegen Erdgräber, die zum Teil noch aus dem ersten Jahrhundert stammen. Es handelt sich meist um einfache, ja arme Begräbnis formen. Im Laufe der archäologischen Untersuchungen wurden die Gräber von P mit griechischen Buchstaben bezeichnet: Im Grab (f war der Leichnam In eine ausgehobene Erd mulde gebettet worden. Dann stellte man sechs große Ziegelplatten dachförmig darüber: Das war der einzige Schutz, den ein solches Armengrab besaß. Man kennt Gräber dieser Form auf verschiedenen antiken Fried höfen. Ein Ziegel des Grabens ff trögt einen Stempel, der nach den Jüngsten Untersuchungen In die Reglerungszelt des Kaisers Nero einzureihen Ist. Das bietet die Möglich keit, annähernd die Zelt festzulegen, aus der das Grab selbst stammt. In unmittelbarer Nähe, etwas welter westlich, muß un gefähr zur selben Zeit ebenfalls ein Grab angelegt worden sein, das später durch Umbauten in diesem Gebiet stark zerstört wurde. Immerhin kann man es auch zeitlich einreihen. Man fand nämlich Reste von Grab belgaben: Goldverziertes Glas und Tonlampen lassen schätzen, daß dieses Grab um das Jahr 70 entstanden Ist. Etwas später wurde Im rechten Winkel zu ^ ein wenig hügelaufwörts das Grab i angelegt (Abbildung 3). Es ist noch einfacher als ■&: Nur drei flachgelegte Ziegelplatten bedeckten den Leichnam. Geringe verbliebene Reste Im Westen lassen annehmen, daß dort weitere Grabanlagen folgten. Etwa um 12G wird dann Im Süden ein weiteres Grab angelegt (Grab y). Es besteht aus einem kleinen Tonsarg und einem ge mauerten Ziegelaufbau, der das Grab offenbar vor der Verschüttung durch die Erde bewahren sollte, die den Flügel herunterrollte. Durch diesen Aufbau führt eine LIbatlonsröhre In den Sarg'. Zwischen dem siebten Jahrzehnt des ersten und dem dritten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts legten sich also im Friedhof P Erdgräber um eine Stelle herum, deren Lage sie ziemlich genau erkennen lassen, da sie sich rechtwinkelig oder parallel dazu ausrichten (Ab bildung 3). Es leuchtet ein, daß an dieser Stelle selbst vor den um sie herumliegenden Gräbern etwas be standen haben muß, auf das sie Bezug nahmen. Und was kann das sein, das in der Erde eines Friedhofes mitten unter Gräbern liegt? Die unbefangene Antwort wird lauten: ein Grab. Bei den bisher besprochenen Gräbern fällt stark auf, daß hier schon seit dem ersten Jahrhundert Erdbestattung herrscht. Fielden verwendeten In Jener Zelt diese Begräbnisform noch nicht. Man hat also an Jüdische oder christliche Besitzer des Friedhofes P zu denken. Um 130 baute die Familie der MatuccI Im Osten des Friedhofes P das Mausoleum O (Abbildung 3: O). Und dieses Grabhaus enthält noch kein einziges ErdgrabI Gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts folgte eine Zelt lebhaften Bauens rund um den Friedhof P herum: Zuerst wurde das Mausoleum S an O angebaut (Abbil dung 3: S). Dieser Neubau konnte Jedoch nicht dieselbe Raumtiefe wie sein Nachbar erreichen, da offensichtlich der Besitz P genau umgrenzt war. Natürlich durfte das Mausoleum S nicht auf fremden Grund und Boden aus gedehnt werden, und so wurde es weniger tief als breit und bot im Inneren keinen überzeugend günstigen Eindruck.

Als bald danach die Mausoleen R und R' errichtet wur den (Abbildung 3: R und R'), mußten sie den Zugang zum Friedhof P von Süden her freilassen: Somit schuf man zum erstenmal einen Durchgang in der nördlichen Reihe der Mausoieen, da er zu einem Besitz gehörte, der viel öiter als die Gebäude der Umgebung war. im Verlauf der Arbeiten an den Grundmauern der Mausoieen hob man Erde aus und schüttete sie zum Teil auch in die Mulde des Friedhofes P, die an der Rückwand von S auf Grund der Hügeiform immer noch bestand. So wurde zu dieser Zeit das Gelände des Friedhofes etwas flacher. Vielleicht fürchtete man da mals, daß dadurch das Zentraigrab unkenntlich gemacht werden könne: An seiner Südseite wurde jedenfaiis der Rest einer Schutzmauer (m 1) gefunden, die wahrschein lich das Grab einmal ganz umgeben hatte, später aber bis auf den Teil nördlich von y zerstört wurde (Abbil dung 3: strichllerte Fläche). Ais man etwa In der Mitte des zweiten Jahrhunderts ein weiteres Grab Im Friedhof P anlegen wollte, ragte es bereits halb in die aufgeschüttete Erde hinein. Dieses Grab r] hätte nun ohneweiters Irgendwohin auf den Friedhof kommen können, wo noch genügend Platz vor handen war. Das geschah jedoch nicht, sondern es wurde in einer sehr seitsamen Steilung gebaut: Man legte es quer über beschädigte den Ziegeiaufbau von y und erreichte damit, daß dieses neue Grab mög lichst nahe an das Grab in der Mitte herankam, es seibst aber nicht berührte (Abbildung 3). Vielleicht wurde bei diesem Vorgang das Möuerchen ml etwas in Mitleiden schaft gezogen. Dos Grab i-| besteht aus einem Tonsarg, den eine Schicht Steine beschwert, die wiederum unter einer Marmorplatte liegen. Diese Marmorplatte, die zu gleich die Bodenhöhe des Friedhofes P um die Mitte des zweiten Jahrhunderts angibt, ist stark abgetreten. Man besuchte diesen Friedhof nämlich sehr häufig, und zwar entweder von der Via Aurella im Süden oder von der Via Cornelia im Norden her. Einer der Besucher hinterließ an der Außenwand des Mausoieums R (Abbil dung 3: R) eine Kritzelinschrift: „Es dachte L. Pakkios Eutychos an Giykon", steht hier in griechischen Buch staben. Außerdem trägt die V/and noch einen eingeritz ten Fisch, der ja als christliches Symbol bekannt ist. Es liegt nahe, die Inschrift als Kritzelei eines Wallfahrers zu deuten. Und aus dem Zusammenhang der bestehen den Grabanlagen kann er hier eigentlich nur den Fried hof P besucht haben. Wie man sieht, blickt der Eingang von R' zum Friedhof P hin (Abbildung 3). Die Tür liegt In unmittelbarer Nähe des Zentralgrabes, um das sich die anderen Gräber von P scharten. Wir wissen, daß die Besitzer von R und R' Heiden waren'. Vieileicht gab es wiederhoiten Streit oder irgendweiche Reibereien zwischen den Be suchern der Mausoieen R und R' und den Leuten, deren Ziel der Friedhof P war. In der Mitte des zweiten Jahr hunderts scheinen jedenfaiis die Besitzer von P den Wunsch gehegt zu haben, sich vöilig gegen R' abzuschlie ßen. Zu diesem Zweck waren sie sogar bereit, den eigenen Zugang von der Via Aurelia her aufzugeben. Es wäre natürlich angenehm gewesen, zwischen den Mausoleen S und R eine kurze Mauer zu errichten und so den ganzen Hof P für sich allein zu gewinnen. Das ging aber nun nicht mehr: Denn mußten einst die Erbauer von R und R' den Weg zu P hin freiiossen, so hotte jetzt P die Pfiicht, R' den Zugang von Süden her nicht zu ver sperren (Abbildung 3). Man schien sich aber um jeden Preis abschließen zu wollen, und so entstand eine Mauer, die parallei zu R und R' lief (Abbildung 4). Damit gab man freilich ein Stück des eigenen Bodens preis, ver sperrte sich den Zugang vom Süden her und schnitt ein Stück des Zentraigrabes ab, dessen Inhalt bei den Arbelten am Fundament der neuen Mauer wohl etwas CLIVUS Abb. 4: Friedhof P: Rote Mauer mit Clivus und Tropaion

zusammengeschoben werden mußte. Diese Mauer trögt heute noch einen Teil ihres roten Verputzes und wurde deshalb von den Ausgräbern „Rote Mauer" genannt. Im selben Arbeitsgang baute man den Weg zwischen den Mausoleen R und R' einerseits und dem Mausoleum S und der Roten Mauer anderseits zu einem Gang aus (Clivus), der mit einigen Stufen den Hügel hinaufführte und den Eingang des höhergeiegenen Friedhofes Q erreichte (Abbildung 4; Clivus und Q). Dos Regenwasser, das sich im Friedhof Q sammelte, wurde unter den Treppen mit einem Wasserabzug fortgeleitet. Zu diesem Kanal verwendete man gestempelte Ziegel, die es er lauben, den ganzen Baukompiex um das Jahr 160 fest zulegen. Die Rote Mauer schnitt, wie erwähnt, ein Stück des Zentralgrabes ab. Dabei weist sie von sich aus wiederum mehrfach auf eben diese Stelle hin: Sie hebt sich genau hier in ihrem Fundament, als stiege sie über etwas in der Erde Liegendes hinweg. Ebenfalls unterirdisch bildet sie eine Nische, die sich gegen die Erde des Friedhofes P hin öffnet. Das Tropaion Uber der Erde wurde zugleich mit der Roten Mauer ein kleines Monument errichtet (Abbildungen 4 und 5). In ihm folgten der unterirdischen Nische zwei weitere über der Erde. Diese beiden sichtbaren Nischen waren von einer Trovertinplotte getrennt, die aus der Roten Mauer herausragte und auf zwei Säulchen ruhte. In der ober sten Nische befand sich ein Fenster, dessen Zweck heute schwer zu deuten ist (Abbildung 5). Der dreieckige Abschluß ist hypothetisch, da eine weitere Untersuchung an der heute stark verbauten Steile unmöglich bleibt. Dieses kleine Denkmai bekam in Fachkreisen den Namen „das Tropaion des Goius". Der Kirchengeschichtsschrei ber Eusebius berichtet nämlich' von einem Glaubens streit, der um das Jahr 200 in Rom entbrannte: Der Füh rer der phrygischen Montanisten, ein gewisser Proclus, berief sich als Beweis für die Wahrheit seiner Lehre auf Gräber, und zwar auf die von Philippus und seiner weis sagenden Töchter, die seine Sekte besitze. Ihm antwor tete ein römischer Priester namens Gaius im Ton deutli cher Überlegenheit: „ich kann die Grabmäier der Apostel zeigen. Denn wenn du an den Vatikan gehen willst oder an die Straße nach Ostia, so wirst du dort die Grab mäier derer finden, die diese Gemeinde gegründet ha ben." An der Via Ostiensis wurde der Apostel Paulus begraben, und mit Petrus zusammen verehrte man ihn als Gründer der Christengemeinde von Rom. Es ist nicht zu zweifein, daß Gaius das Tropaion meint, das auf dem Vatikan gefunden wurde, wenn er vom Grab platz des Apostels Petrus spricht — sonst müßte man ein zweites Tropaion auf dem Vatikan annehmen, wozu man keinen Grund hat. V'' III ,111 «I"«'' . rlwEl« AwV/ffi"-''""' "'''' ""'I. ** Abb. 5: Der Friedhof P und seine Umgebung um das Jahr 160.

Gafus verwendete in seiner Antwort den Ausdruck „Tropaion". Das bedeutete im Griechischen ursprünglich ein Siegeszeichen auf dem Schlachtfeld, dann aber auch überhaupt „Denkmal". Proclus hatte nun mit einem Be weis gearbeitet, der sich auf Gräber stützte, im Zusam menhang dieser Auseinandersetzung kann man also unter den „Tropoia" des Goius wiederum nur Gräber verstehen, denn sonst wäre ja sein Rückschlag unwirk sam. Außerdem weist das Tropaion auch von sich selbst darauf hin, daß es kein leeres Denkmal ist, sondern über einem wirklichen Grob steht: Ursprünglich besaß es nämlich eine Grabplatte, die mit der Roten Mauer einen Winkel von 11 " bildete (Abbildungen 5 und 6: I). Das ist genau derselbe Winkel, der zwischen dem Zentraigrab selbst und der Roten Mauer entstanden war. (Die Lage des Zentralgrabes kann man ja aus der Stellung der anderen Gräber ablesen: Abbildungen 3 und 4). Man wünschte also offenbar selbst um den Preis einer sichtbaren Unregelmäßigkeit die Verbindung mit etwas darunter Liegendem zu wahren. lusammenfassung Auf Grund der bis jetzt beschriebenen Funde können wir also feststellen: 1. Vom siebten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts an legen sich in einem Friedhof auf dem Vatikanhügel Erdgräber um einen bestimmten Platz, der ebenfalls ungefähr die Größe eines Grabes hat. 2. Dieser Platz wird später durch ein eigens errichtetes Möuerchen (m 1) geschützt. 3. Gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts drängt sich ein Grab (t]) über bestehende andere Gräber hin weg an diese mittlere Stelle heran. 4. Um 160 wird eine Mauer errichtet, die mit einer He bung in ihrem Fundament, drei übereinander liegen den Nischen und einem kleinen Denkmal wiederum auf diese Stelle hinweist. 5. Eine schräge Platte in diesem Denkmai gibt genau die Lage des Platzes darunter an. 6. Diese Stelle wurde vor und noch der Errichtung der Roten Mauer besucht. 7. Um das Jahr 2GG wird diese Steile als das Grab des Apostels Petrus angesehen. Eine Folgerung wurde bereits gezogen: Hier handelt es sich um ein Grab. Nun ist zu überlegen, wessen Grab das sein mag. Um 2GG bezeichnete man das etwa vierzig Jahre alte Tro paion als Grabmal des Apostels Petrus. Ohne Zweifel war man um 16G, bei der Errichtung des Tropaions, eben falls der Meinung, am Grab von Petrus zu sein. Da man zwischen diesem Zeitpunkt und der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts eine ununterbrochene Folge von Hinweisen auf dieses Grab, von Sorge um sein Bestehen und von eifrigem Besuch feststeilen kann, ist es nicht möglich anzunehmen, daß irgendwann einmal während dieser Jahre ein Name aufgebracht worden wäre, der nicht mit der ursprünglichen Uberlieferung überein stimmte. Wenn man die Zeugnisse, Hinweise und Be funde zusammennimmt und sie alle gemeinsam deutet, wird man unweigerlich zu der Folgerung genötigt: Hier handelt es sich um das Grab des Apostels Petrus. Im weiteren Verlauf der Geschichte dieses Friedhofes kamen noch sehr viele Gräber hierher. Sie durchdringen sich manchmal gegenseitig und beschädigen ältere GrabAbb. 6: Rote Mauer mit Nischen und Tropaion. i = ursprüngliche schräge Grabplatte, II = Begradigung des Winkels. Pfeil: Riß in der roten Mauer, g = Graffiti anlagen immer wieder, offenbar nur von dem einen Wunsch beseelt, möglichst nahe an das Zentraigrab heranzukommen, das selbst nie verletzt oder auch nur berührt wurde. Diese Bestattungstätigkeit ging bis in die Zeit Konstantins weiter. Die Graffitimauer im Laufe des dritten Jahrhunderts entstand nördlich des Tropaions in der Roten Mauer ein schwerer senkrechter Riß (Abbildung 6: ^). Man suchte die Anlage zu schüt zen, indem man eine recht kräftige kleine Mauer im rechten Winkel vor diesem Riß errichtete (Abbildung 6: g). Dieses Stützmäuerchen kam zwischen die Rote Mauer und das nördliche Säulchen zu stehen, das dabei etwas nach Süden verschoben wurde (Abbildung 6). Der Verputz dieser Mauer reizte die Besucher sichtlich zu Kritzeleien, die bald die nördliche Mauerfläche über und über bedeckten. Die Erforschung dieser Graffiti zog sich durch Jahre hin und ergab, daß sich die Pilger mit ihrem Namen und mit Anrufungen verewigt hatten. Unter Konstantin wurde diese kleine Stützmauer etwas verändert: Man brach von der Nordseite her über ihre ganze Breite einen Hohlraum von 77 X 29 X 31,5 cm aus, der innen mit Marmorplatten verkleidet wurde. Die Aus gräber fanden hier mit Erde und Stoffresten vermischte Gebeine, die lange unbeachtet blieben. Als man sich ihrer annahm und sie genau untersuchte, stellte sich heraus, daß man aus diesem kleinen Kästchen folgendes entnommen hatte: menschliche Gebeine, Tierknochen, Erde, die zum Teil an den Gebeinen klebte, Reste von golddurchwebtem rotem Stoff. Die menschlichen Gebeine gehörten einem einzigen Indi viduum männlichen Geschlechtes an. Von der Gesamt menge des Skeletts liegt noch etwa die Hälfte vor. Es handelt sich um einen robusten Greis, der zwischen dem sechzigsten und dem siebzigsten Lebensjahr starb. Seine Körpergröße ist zwischen 163,6 und 167,9 cm anzunehmen. Die Erde stimmt mit der des Friedhofes P überein. Es handelt sich hierbei um einen Mergeisand, der anderswo in Rom selten zu finden ist. Diese Erde bedeutet, daß die Gebeine einem Erdgrab und keinem Sarkophag ent nommen wurden. Da wenige Reste von Feld- und Haustier-Skeletten zwi schen den menschlichen Gebeinen gefunden wurden, muß man annehmen, daß das menschliche Skelett aus

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