Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

im süddeutschen Sprachraum um so gewichtiger, als in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg diese Kir chen weit in der Überzahl sind gegenüber den goti schen Kirchen, welche in der Regel im 19. Jahrhundert neu ausgestattet wurden. — Es wird daher in diesem Aufsatz die Abänderung solcher Altarräume als Haupt anliegen betrachtet. Verschiedentlich wird eine Entfernungsgrenze angegeben, die nicht unterschritten werden soll, wenn vor dem Hoch altar ein Zweitaltar errichtet werden soll. Dabei wer den etwa 7 Meter genannt. Es versteht sich von selber, daß unter dieser Voraussetzung nur in sehr langen Chö ren ein Zweitaitar aufgestellt werden könnte und daß damit ca. 80 Prozent aller Vorhaben unter den Tisch fallen würden. Daß dies eine ungeheuerliche Behinderung der liturgischen Erneuerung bedeuten würde, versteht jeder, der das Anliegen des Konzils ernst nimmt. Dennoch soll diese Begrenzung hier nicht kritisiert werden, sie ist im allgemeinen berechtigt, wenn es sich um einen dau ernd aufgestellten Zweitaltar handelt. Für die nun zu nächst zu schaffenden Provisoria soll Jedoch gar keine Begrenzung gemacht werden. Es nicht einzusehen, warum die Gläubigen des allen Katholiken der Welt gewährten Vorteils einer kommunikativen Beteiligung an der Meß feier (versus populum) beraubt werden sollen, wenn sie sich auch bei beschränkter Räumlichkeit gerade noch ermöglichen läßt. Das Provisorium Damit ist eine Frage angeschnitten, auf die hier näher eingegangen werden muß. Es ist gänzlich unmöglich, in den vielen Tausenden von historischen Kirchen der katholischen Lande unverzüglich endgültige und künstlerisch voll befriedigende Lösungen zu treffen. Das wird — dies muß mit allem Nachdruck be tont werden — für die Denkmaiämter eine Arbeit von einem Jahrzehnt und mehr sein. So lange aber kann die einzelne Pfarrgemeinde nicht warten, bis sie in den Genuß des konzlliaren Fortschritts kommt. Es bleibt keine andere Lösung, als im weitesten Umfang Provi sorien zu schaffen, also Altäre, die nicht aus Marmor und Natur- oder Ziegelsteinmauerwerk sind, sondern die aus Holz oder Leichtstein geformt sind und ohne Schwie rigkeit wieder zu beseitigen sind. Diese Provisorien wer den zum Teil eine größere Anzahl von Jahren dienen müssen und werden den großen Vorteil haben, daß we nigstens das Funktioneile des Aitarraums geklärt wird, die Fragen also, ob der Altar an der richtigen Stelle steht, ob er in der richtigen Höhe angebracht ist und ob er die richtige Größe hat. Denn die endgültige Lösung wird mitunter ein sehr schwieriges Problem sein, das in Jedem Fall eigens von Künstlern und Denkmalpflegern gelöst werden muß und für das hier nicht billige Re zepte verabreicht werden wollen. Es wird zu entscheiden sein, ob eine genauere stilistische Anlehnung geboten ist oder nur eine annähernde, die lediglich im Gesamtumriß zum Ausdruck kommt, oder ob man der gegebenen Formenwelt ganz ausweicht, um nicht mit ihr in Konkur renz zu treten. Für Jede dieser Lösungen gibt es Gründe; es Ist abzuwägen, ob im Jeweiligen Falle diese oder Jene überwiegen. Nicht für diese endgültige Neuordnung der barocken Altarräume sollen hier Gesichtspunkte vorge tragen werden — trotzdem sie wohl indirekt einmal darauf abfärben dürften — sondern für die vorläufige. Die Aitarform Die drei Grundformen des Aitares: Tischaitar, Stipesaitar und Biockoltar sind nach wie vor gültig. Auffaliend oft begegnet man bei den Provisorlen der Tischform, wohl deshalb, weil sie am leichtesten hersteilbar ist. Dennoch wirkt so ein Tisch nicht selten sehr behelfsmäßig, so daß das kursierende böse Wort von der „Waschbank" mit unter nicht ganz unbegründet ist. Gerade beim Pro visorium ist die Tischform gefährlich. Wenn die Mensapiatte von kräftigen Rund- oder Vierkantfüßen aus Stein getragen ist, kann sie ganz ansprechend wirken, nicht aber, wenn sie von vier dünnen Holzfüßen getragen ist. Das Wort Mensa darf nicht zu falschen Schlüssen führen. Die kultische Mensa war nie ein Sitztisch, sondern ein Stehtisch, sie steht also einer Theke näher als einem Fußtisch. Die Tischform kann auch mit zwei kräftigen rechteckigen Füßen gestaltet werden, nur muß man dann die Proportionen so wählen, daß nicht ein „Schreib tisch" daraus wird. Die geschlossene Block- oder doch Stipesform, die schon seit 700 Jahren das Feld beherrscht, kann auch bei dem Provisorium angewendet werden. Sie hat gegenüber der Tlschform Vorteile; man kann sich im Stadium der Ermüdung — die bei mehrmaligem Gottes dienst am Tage vorkommen kann — auch etwas ent spannt hinsteilen und wenn etwa nach einem Verseh gang auf lehmigen Wegen die Schuhe nicht mehr in Hochglanz sind, dann wird das barmherzig verdeckt. Außerdem erhält der Altar bei der Blockform mehr Volu men und ist als monumentaier architektonischer Körper mehr geeignet, Christus zu symbolisieren, wie ihm das zugedacht ist. Eine Fehlentwicklung ist vielfach festzustellen in bezug auf die Breite des neuen Aitares. Der Verfasser hat schon drei Meter und mehr gemessen. Hier spukt die Aus dehnung des barocken Klosteraltares und mancher neugotischer Altäre noch nach. Das Ergebnis sind „Laden pulte" oder „Bartheken", immer mehr scheint sich die Forderung Bahn zu brechen, daß der Altar schmal sein soll, dafür Jedoch tief. 1,60 Meter Breite genügt voll ständig, auch für größere Kirchen. Außer dem Zeiebranten und in seltenen Fällen dem Presbyter assistens steht niemand am Altar, die Leviten stehen seitlich. Für Kor porale und Buch ist 1,60 Meter genug. Konzeiebranten stehen ohnehin meist seitlich; eine Tiefe von 130 bis 150 cm erscheint ausreichend. Auf diese Weise entsteht eine beinahe quadratische Altarplatte und ein architek tonischer Block. Dazu kommt, daß er Platz genug bietet für niedere Leuchter, für das Kreuz, ev. auch für flach gelegte Kanontafeln, wie sie manche Herren noch wün schen. Ein derartiger Altankörper ist eindrucksvoll und beeinträchtigt doch die bestehende Altaranlage kaum. Was die Höhe des Altares anbelangt, so ist es wohl nicht richtig, die Maximalwerte (105—110) zu wählen. Denn Je höher der Altar, desto größer die Überschneidung. Eine Höhe von 92—95 cm wird heute mit Recht als ent sprechend angesehen. Für die Gestaltung auch des Provisoriums, das ja wie erwähnt mehrere Jahre bestehen kann, sollte — wenig stens bei größeren Kirchen — ein geeigneter Bildhauer oder ev. auch Architekt beigezogen werden. Bildhauer eignen sich erfahrungsgemäß besser ols Architekten. Was das Material betrifft, so ist Holz nicht gerade ideal zu nennen, denn es bietet nicht viele Möglichkelten. Viel mehr eignet sich das neue Material Schaumbeton wegen

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