Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

Die Neuordnung alter Kirchen Franz Dambeek Pater Herbert Muck S3 schreibt in seinen in diesem Heft wiedergegebenen Gesichtspunkten zum obigen Thema: „Das Anliegen der Neuordnung alter Kirchen ist grund sätzlich gerechtfertigt. Es entspricht den Gepflogenheiten aller Zeiten lebendiger kultureller und religiöser Ent faltung, den Raum den geistigen und praktischen Be dürfnissen der Liturgie anzupassen. Die Kirche weiß sich zugleich dem glanzvollen Erbe ihrer an Kultur und Kunst schöpfungen so reichen Geschichte verpflichtet, sofern es mit dem Geiste der Liturgie vereinbar ist." Es ist ganz selbstverständlich, daß sich die Kirche in ihren gottesdienstlichen Räumen die Einrichtungen schaffen muß, die sie zur Ausübung der Liturgie in der durch das Konzil angestrebten Weise benötigt. Vor allem geht es um die Aufstellung des Altares, der nach der „Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konstitution über die heilige Liturgie" vom 26. Sep tember 1964 möglichst in den Raum des Volkes Gottes hineingestellt werden soll. Historischer Rückblick In fast allen Fällen bedeutet dies eine einschneidende Änderung im Altarraum. Mitunter begegnet man zwar auch in historischen Kirchen Lösungen, die ganz modern anmuten. So steht in der großen Hallenkirche St. Dakob in Straubing, erbaut Anfang des 15. Dh. von Hans Stethaimer, in der Mittelachse an der Kommunionschranke ein ori ginaler spätgotischer Blockaltar, der nur der Restaurie rung bedurfte, um als Altar für die Zelebration versus populum Verwendung zu finden; am östlichen Chor haupt steht der ebenfoils originale spätgotische Hoch altar mit dem gewaltigen Retabel. Auch wenn der westliche Choraitar einst ein Retabei getragen hoben sollte, ist die Lösung bemerkenswert — sie entkräftet vor allem den Einwand, daß für historische Kirchen die Aufstellung eines zweiten Altares In der Achse ein Unding sei. — Ganz im Gegenteil! Der legi time Raum für den Altar ist ursprünglich keineswegs am östlichen Ohorhaupt, sondern inmitten des Raumes. Man denke nur an Ravenna, wo in der Kirche San Apoliinare in Classe bis heute der ursprüngliche Altar (über seine Form wird weiter unten noch zu sprechen sein) im östli chen Drittel des Langhauses steht. Leider steht immer noch in der Apsis ein Altar. Dieser Altar ist neueren Datums und überflüssig. Denn an seiner Steile stand ursprünglich der Bischofsthron. — Es darf auch erinnert werden an die Anfänge des fränkisch-germanischen Kir chenbaues im 8. Jahrhundert. In der Abteikirche von Centula, an deren Einweihung bekanntlich Karl der Große teilnahm, befand sich in der Mittelachse ganz vorne der Hochaltar, an der Steile, wo wir zweite Altäre aufstellen — also am Westende des Chores — ein Altar des hl. Petrus und außerdem in der Mitte des Langhauses ein dritter Aitar, nämlich der Kreuzaltar. — In den romanischen Kirchen stand der Hochaltar vermut lich in der Vierung, denn ohne die Möglichkeit, auf den Altar zu blicken, wäre die Vierung nicht sinnvoll. Leider fehlen immer noch die wissenschaftlichen Arbeiten, welche die komplizierten romanischen Roumgefüge liturgisch er klären würden, denn nur liturgische Gründe könnten ihre Anlage rechtfertigen. Von Zweitaltären in gotischen Kir chen war schon die Rede. Auch im Barock ist der Zweitaitar in der Achse bei großen Kirchen nicht unbekannt, man denke etwa an Ottobeuren, Maria Einsiedein usw. — Jedenfalls kann gesagt werden, daß sich bei mittelalterlichen Kirchen überhaupt kein ernstliches Problem ergibt, wenn man sie den Erfordernissen des nochkonziliaren Gottesdien stes adaptieren will. Die Ausstattung, die in der Regel dem 19. Jahrhundert entstammt, kann zumeist ohne Be denken beseitigt werden. Ein in den Raum gestellter retabelloser Altar gibt dem romanischen Raum seine ursprüngliche Akzentuierung zurück, der Retabeialtar am Chorhaupt (zumeist aus dem 19. Jh.) war ohnehin gegen die ursprüngliche Konzeption. Beim hochgotischen Raum gilt das Gleiche, weil die Hochgotik die romanische Raumordnung übernommen hat und ihre einschneidenden Stiiveränderungen zunächst nur an der Raumhüiie in Anwendung brachte. — Und sollte der vorhandene Hoch altar belassen werden müssen, so ist der Zweitaltar ebensowenig wie beim spätgotischen Haiienroum ein liturgiegeschichtiiches Novum. Beschränkte Möglichkeiten? Das eigentliche Problem beginnt bei den barocken und bei den barockausgestatteten gotischen Kirchen. Es ist

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