Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

Die Zisterzienserkirche in der Mehrerau zu Bregenz Kolumban Spahr Ein Blick In die Klostergesdildite 1097 übersiedelten Benediktinermönche aus Petershousen-Konstanz, die sich 1083 im Bregenzer Wald nieder gelassen hatten, an die Gestade des Bodensees und gründeten durch Vermittlung des Grafen Ulrich X. von Bregenz nicht alizu weit von seiner Burg entfernt die Abtei St. Peter in der Au, später einfach Kloster Bregenz oder die Mehrerau genannt. Im Hochimittelalter machte sie sich durch Rodungen im Bregenzer Wold und durch landwiirtschaftliche Musterbetriebe verdient. Die wenigen Illuminierten Handschriften, die sich jetzt allerdings außer Landes befinden, zeugen vom Kunstverständnis der Mehrerauer Benediktinermönche, die 1806 von der da maligen bayrischen Zwischenregierung gezwungen wur den, ihr Kloster endgültig zu verlassen'. 1854 übernahmen die aus der Schweiz vertriebenen Zisterziensermönche von Wettingen (Kt. Aargau) die alten Klostergeböude, Kirchenrechtlich bildet die heutige Mehrerau ein Priorat, das zugieich Sitz der Abtei Wettin gen ist. Als einziger Abt in Österreich hat der Abt von Wettingen in Mehrerau die Rechte eines Abbas nullius, der für sein Klostergebiet volle bischöfUche Rechte be sitzt. Zur Geschichte des Kirchenbaues Die Baugeschichte der Mehrerauer Kirche umspannt nahe zu neun 3ahrhunderte, d. h. von 1097 über 1740 bis 1855 bzw. bis 1964^ Der erste Bau, dessen Fundamente mit einigen Pfeiler und Säulenbasen 1962 freigelegt wurden, bildete eine dreischiffige Söuienbasiiika aus Sandsteinquadern mit geradem Abschluß des Altarhauses und einem Vierungs turm. Aus den noch vorhandenen Bauteilen läßt sich mit Leichtigkeit ©ine Mönchskirche der sogenannten Hirsauer schule und der Bodenseeromanik rekonstruieren. Die Kirche diente einst ais Grabiege der letzten Grafen von Bregenz und der Montforter wie auch der eigenen Äbte, einiger von St. Galien und eines Abtes von Ottobeuren. 1740 wurde die romanische Kirche bis nahezu auf die Fundamente abgebrochen und der Neubau durch Franz Anton Beer aus Bregenz mit Dohann Michael Beer, dem Erbauer der Turmfassade von St. Gallen, als Parlier, auf gerichtet. Diese Kirche bildete einen einschiffigen, stützeniosen Saalraum mit flachgewölbtem Langhaus und einer sanft geschweiften Bingangsfassade. Der Turm galt als eine der schönsten Zierden des Obersees. Kirche und Turm glichen dem noch erhaltenen „Rokokojuwel des Bodensees" zu Birnau. Sie wurden 1808 abgerissen und die Steine für den Bau des Lindauer Hafens verwendet. Über den Fundamenten der romanischen und barocken Kirche erbauten die Zisterzienser 1855 bis 1859 nach den Plänen des kgl.-'bayr. Hofbouinspektors Ed. von Riedel die Jetzige Kirche im sogenannten Münchner Rundbogen stil. Sie war mit Blendarkaden und Rundbogenfries ge schmückt. Ein mächtiges Holzgewölbe beherrschte das Innere des Raumes, dessen architektonische Mißverhält nisse eine überreiche Ausmalung beheben sollte. Kanzel und Altäre waren in „Schreiner-Romanik" gefertigt. In den mehr als 100 Dahren ihres Bestandes nagte der Zahn der Zeit so manches in der Kirche an und verwüstete nicht weniges. Die ohnehin düster wirkende Bemalung verdunkelte noch mehr durch den dicken Staub und blätterte teilweise ab. Die Umgestaltung der Klosterkirche Jahrelang wurde gründlich überlegt und schließlich ein klar durchdachtes ümgestaitungsprogramm vorgelegt. Der Raum sollte aufgehellt und als solcher In seiner architektonischen Monumentalität und ansprechenden Einfachheit zur Geitung kommen. So erhielt er durch den Jungen Dipl.-Architekten Hans Purin das deutliche Gepräge einer Zisterzienserkirche unserer Zeit, und zwar in der Raumaufteiiung und Raumgestaltung. Die Raumaufteilung der erneuerten Kirche erinnert im Grundriß an die frühchristliche Basilika, was im Aufriß noch betont wird durch den offenen Dachstuhl. In der Apsis tritt das geschiossene Altarhaus mit dem mächtigen Altarblock aus schwedischem Granit klar hervor. Ihn um säumen die Sitze der zelebrierenden Priester und der Assistenz; in der Mitte erhebt sich entsprechend der Cathedra Episcopi der Sitz des Abtes. Gegen Westen zu zieht sich das äußerst nüchtern gestaltete Chorgestühl der Mönche hin. In der Vierung ist der Platz für die zur Klosterfamilie gehörenden Laienbrüder. Daran schließen sich die Bänke für die Laien. Unter der Orgelempore und zwischen den beiden Seitenportalen im Westen befindet sich die Gnadenkapelie mit dem gotischen Gnadenbild, die sich Je nach Bedarf öffnen oder schließen läßt. Auch die Bodenflächen sind auf den Raum wohl abgestimmt und deshalb mit großen Platten aus geschliffenem Kies beton belegt, die durch Eternitstreifen voneinander ab gegrenzt sind. Unentbehrliche Einrichtungsgegenstände, wie Nebenaitäre und Beichtstühle, Sind in Nebenräumen untergebracht. So tritt der Hochaltar ols geistiger Mittel punkt des Gotteshauses allein hervor. Die Nebenräume sind stimmungsvoli-künstlerisch mit gotischen Altarbildern geschmückt. Im Aufriß ist der Raum durch die grauen Lisenen klar gegliedert, und die mächtigen Wandflächen sind durch den heilen rauhen Putz gut belebt. Nicht nur den Umbauplan im großen, sondern auch alle Einrichtungsgegenstände, wie Altäre, Beichtstühle, das Kirchengestühl und den Ambo, entwarf der Architekt persönlich. So ist alles aufeinander abgestimmt und bildet gerade dadurch den stilvollen Raum. Der Altmeister der abstrakten Bildhauerkunst, Hans Arp, schuf den Tabernakel. Er ist aus weißem Marmor, die Öffnung und die darüber gestaltete Taube aus schwar zem Marmor.

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