Die Neuordnung des Domes zu Münster Anton Hönze Im zweiten Weltkrieg teilte der Dom das Schicksal der Stadt Münster, die Im Frühjahr 1945 zu den zerstörtesten Gemeinwesen des Kontinents gehörte. Im Westbau wa ren zwei Drittel der Portalwand und das Gewölbe zer schlagen, der südliche Turm war ausgebrannt, dem nörd lichen fehlten Wandteile des Obergeschosses. Dos west liche Querhaus hatte alle Gewölbe und den Nordglebel verloren. Zwei Gewölbe des Mittelschiffs waren einge stürzt. Dem Chorumgang fehlten zwei Gewölbe. Eine sei ner Kapellen war zerstört, die anderen hatten kein Ge wölbe mehr. Der Westarm des Kreuzgangs lag In Trüm mern. Die erhaltenen Bauteile zeigten sich beschädigt und teilweise durch Luftdruck und Erschütterung so ge lockert, daß sie nicht mehr standfest waren. Zu den schmerzlichsten Verlusten an Bildwerken gehören der Evangelist Johannes In der östlichen Vierung, der große Sakramentsturm des Johann Brabender sowie die Pletä und die Kreuzabnahme, die Meisterwerke von Wilhelm Achtermann. Trotz der schweren Schäden war soviel architektonische Substanz erhalten, daß ein Wiederaufbau möglich er schien. Belm Fortschrelten dieser Arbelt stellte sich die Frage, ob man auch die innere Ordnung getreu dem alten Befund rekonstruieren solle. Die Forderung, den Dom vom Altar her neu zu ordnen. In den Jahren nach der Kata strophe erhoben, trat wieder in den Vordergrund der Überlegungen. Im Jahre 1952 schrieben Bischof und Dom kapitel einen Wettbewerb aus, der Entwürfe für die Neu gestaltung des Innenraumes zum Ziel hatte. Gefordert wurde eine Ordnung, die der Gemeinde weltgehende Teilnahme am liturgischen Geschehen ermögliche und der Liturgie einer Bischofskirche den Raum für die freie Entfaltung bei gewöhnlichen, feierlichen und außer gewöhnlichen Funktionen biete. Die Architekten Fritz Thoma und Emil Steffann erhielten den Auftrag, diese Neuordnung durchzuführen. Sie stan den vor der schwierigen Aufgabe, In einem Raum des 13, Jahrhunderts eine Bischofskirche des 20. Jahrhunderts einzurichten. Das Kirchengebäude der neuen Architektur erhielt beim Bau von Pfarrkirchen Gestalt und Form. Grundlage war die Theologie der hl. Eucharistie und die Liturgische Bewegung. Die stummen Zuschauer der Messe des 19. Jahrhunderts wollten und sollten zu aktiven Teil nehmern werden, die nicht privat In der Messe beten, sondern sie zusammen mit dem Priester in liturgischer Gemeinschaft feiern. Diese Altargemelnschaft bedarf eines Kirchenraumes, der einheitlich, durchsichtig und nicht zu groß Ist. Von jedem Platz aus muß es möglich sein, der Opferhandlung am Altar zu folgen, damit sich aus den einzelnen Gläubigen eine Gemeinde bilden kann. Der Kirchenraum hat sie zwingend auf den Altar hin zu orientleren, ohne ober die Grenze zwischen Altar und Gemeinde zu verwischen. Er kann diese Funktionen nur erfüllen, wenn die Zahl der In ihm Versammelten und seine Grundfläche sich einigermaßen entsprechen. Für die weniger besuchten Messen am Werktag und zu be sonderen Anlässen errichtet man daher sogenannte Werktagskapellen. Die neue Architektur bedenkt auch das Verhältnis des Gotteshauses zu Straße und Platz. Sie richtet Ihr Augenmerk auf Vorhallen, die den gehetz ten und zerstreuten Menschen die Möglichkeit zur Samm lung geben, ehe sie in das Gotteshaus eintreten. Es gab noch keine Bischofskirche der neuen Architektur, die der konsequenten Durchbildung der Pfarrkirchen und Ihrem baukünstlerlschen Niveau entsprach. Steffann und Thoma hatten daher die In den Pfarrkirchen erarbeiteten Muster nach den liturgischen Forderungen einer Bischofs kirche anzuwenden und zu erweitern; sie mußten sich dabei auf eine Neuordnung Im Grundriß beschränken. Eine erste Vorhalle bildet das sogenannte Paradies, die alte Vorhalle an der Südwand mit Ihrer Apostelversamm lung. Haben wir die Pforte durchschritten, so empfängt uns das westliche Querhaus als zweite großartige Vor halle, da es In die neue Orientierung des Domes auf einen Altar hin nicht einbezogen werden konnte. Als Werktagskapelle kann der Terzchor dienen, der noch einem römischen Dekret In den Bischofskirchen einzurich ten Ist. Für Ihn wurde der Raum des alten Westchores benützt. Seine zerstörte Portalwand führte man In schlich tem Mauerwerk hoch und gliederte sie In einer Kompo sition aus sechzehn kleinen Rundfenstern. Sie leuchten blau, grün und rot in der Glut neuer Glasmalerei; Max Ingrand verband die Fenster zu einer Komposition, die den Lebensbaum versinnblldet. Der Boden des Chores wurde um fünf Stufen gehoben und unter Ihm die Gruft der Bischöfe angelegt. Uber den Gräbern seiner ent schlafenen Vorgänger und Inmitten des die Terz singen den Kapitels bereitet sich der Bischof hier zum Pontlflkalamt vor. Nach der Ankleldung zieht er In feierlicher Prozession durch dos Mittelschiff zum Hochaltar. Dieser steht als schlichter Kastenaltar In der östlichen Vierung, zwar nicht von jedem Platz aus sichtbar wie In den einhelligen Räumen der neuen kirchlichen Architektur, aber doch In hohem Maße für Auge und Ohr zugänglich. Die Orgel und der Domchor erhielten Platz auf einer Em pore Im nördlichen Arm des Ostquerhauses. Die kleine spätgotische Kapelle am nördlichen Seitenschiff, früher Schatzkammer, wurde als Sakramentskapelle eingerich tet. In ihr fand der erhaltene Sakramentsturm von Jo hann Brabender Platz. Die untere Kapelle des südlichen Turmes dient mit dem bronzenen Taufbecken von 1573 als Taufkapelle am rechten Ort, neben dem Eingang. Den Grabdenkmälern wies man Plätze an, die der Neu ordnung nicht widersprechen. Der barocke Hochaltar fand an der Westwand des Terzchores einen neuen Ort. Vorhalle, Terzchor, Werktagskapelle, Sakramentskapelle und Taufkapelle am rechten Platz und die zentrale Stel lung des Altares ergeben noch nicht die neue Ordnung einer Bischofskirche. Sie bedarf vor ollem eines Mltelnanders von Bischof, Kapitel und liturgischer Gemeinde. Dieses Miteinander ist in der Neuordnung einfach und doch vorbildlich erreicht. Im Haupt des Ostchores steht der Sitz des Bischofs. Ihm schließen sich rechts und links die Sitze des Domkapitels, der Domvikare und Semina risten an. Im Mittelschiff des Langhauses und In den Armen des östlichen Querhauses findet die Gemeinde Platz. Gemeinde, Bischof und Kapitel umschließen in hei ligem Ring den in ihre Mitte gerückten Altar.
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