Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

Die Raumgestalt ist heute von zwei Seiten her bedroht: durch die Bedenkenlosigkeit der Neueinrichtung, durch die Ängstlichkeit im Erhalten von Einzelheiten. a) Vielfach werden bedauerliche und kurzsichtige Maß nahmen getroffen, ohne daß die vorgesetzten kirchlichen Stellen und die Landeskonservatoren als Beamte der staatlichen Denkmaipfiege zu Rate gezogen werden. Aus mongeinder Umsicht werden manchmal in sinnloser Weise alte Kunstwerke beseitigt und ungenügende Neu ordnungen vorgenommen, die der weitsichtigen Zielset zung des Konzils in keiner Weise entsprechen. Oft werden liturgische Erfordernisse auch ohne Rücksicht auf die Ge samtwirkung des historischen Raumbüdes erfüllt. b) Eine Störung des Raumbildes ergibt sich auch dann, wenn die zu öngstiiche Erhaltung von Einzelobjekten dazu beiträgt, daß eine Verdopplung von alten und neuen Funktionsorten der Liturgie den historischen Raum unan genehm „angeräumt" erscheinen läßt, einem überfüllten Museum vergleichbar. Gegenstand der Entfernung bei Neuordnungen ist nicht nur Wertloses, sondern auch Wertvolles, wenn es für den Raum überfüliung und Beengung bringt. Solange der Raum als Kultraum der Kirche dient, hat vor ollem Bestreben um Erhaltung von Einzeiobjekten die Sorge um die Wirkung des Raumes und um den freien Bereich zur Entfaltung der Liturgie den Vorrang. Die aus der Geschichte übernommene Raumgestait läßt eine Ein richtung liturgischer Orte nach den heutigen Erfordernis sen in zahlreichen Fällen zu, wenn nur im Geiste einer interpretierenden und nicht einer rein konservierenden Denkmalpflege vorgegangen wird. Überlieferte Fälle einer freien Aufstellung des Altars und des Verkündi gungspultes geben uns Anregungen, wie die seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr geläufige und unserer Vor stellung darum nicht vertraute Lage frei im Raum ste hender Kuitorte zu bestimmen ist. 2. Die Einrichtung des vorgezogenen Altars Bei der Neufassung der Liturgie gilt der Grundsatz, daß Verdopplungen zu vermeiden sind. Verdopplungen gleich artiger Einrichtungsstücke und Orte verunklären ebenfalls den Raum und seine Anordnung. Besonders ungünstig wirkt die Wiederholung gieichrongiger und gleichartiger Orte in derselben Raumrichtung. Die Liturgie bemüht sich vor allem um die eine Mensa, die in der Kirche nicht nur als Hauptaltar dient, sondern zugleich Christus inmitten seiner Gemeinde symbolisch vertritt und die Einheit vom Mittelpunkt des kultischen Geschehens her zum Ausdruck bringt. Um des einen Altares willen, der eindeutig die Miitte ist und im Raum des Volkes Gottes steht, sollen die Nebenaltäre mög lichst auch in Nebenbereiche des Raumes abgesetzt stehen (instr. 93). Um so weniger erscheint es tragbar, daß in der Hauptachse des Raumes der alte Retabelaltar und ein neuer Volksaltar in kurzem Abstand hintereinan der stehen. Erstrebenswert ist der eine, einzige, fix errichtete Altar an vorgezogener Stelle. Muß der alte erhalten werden, dann ist ein beträchtlicher Abstand von diesem alten Altar in der Apsis die Bedingung für einen an vorge zogener Steile aufgestellten Altar. Dabei wird es sich für gewöhnlich um einen beweglichen Altar handein (aitare portaiie ad tempus, vgl. Notitiae 1965 7/8 n. 62). Auch bei großem Abstand soll der alte Altar durch unauf fälliges Decken der Mensa, durch Beseitigung etwaiger späterer Verbreiterungen möglichst auf seine Funktion als Bildhintergrund und Raumziei vereinfacht werden. Er seil nur mehr als Retdbel wirken, nicht mehr als Altar. Müßte er mangels anderer Möglichkeiten auch als Tabernakelaltar weiterverwendet werden, dann sollte minde stens durch Schmuckweise und Leuchtersteilung der Un terschied zur vorgezogenen Mensa deutlich betont wer den. Das mit der Durchführung der Liturgiereform betraute postkonziliare Consilium hat in einer Aussendung (No titiae 1965, 5 n. 8 u. 7/8 n. 62) im Interesse eines möglichst großen Abstondes von der alten Mensa die Aufsteilung des Volksaltares außerhalb des alten Presbyteriums, also vor demselben, empfohlen, wenn nur dort ein ge nügender Aitarbereich geschaffen wird. Die axiale Reihung liturgischer Orte kann man in Kauf nehmen, wenn der Abstand zwischen ihnen beträchtlich ist (7 m Mindestabstand nennt O. Nußbaum in seinem instructio-Kommentar). Nur durch großen Abstand, ent schiedenes Vorziehen des neuen Tisches und wenigstens optische Neutraiisierung der Mensa am Sockel des alten Biidaufbaus vermeidet man, daß der Priester bei der Stellung zum Volk gewendet zwischen beiden Altären In die Enge gerät und der Aitarraum unangenehm an geräumt wirkt. Nur durch entschiedenes Vorziehen der neuen Mensa gelingt mit der Einrichtung die „Schöp fung der Mitte" (Lützeier) im Kirchenraum. Kann man die erwähnten Vorbedingungen nicht erfüllen und zumal den geforderten deutlichen Abstand nicht er zielen, dann ist es besser, auf den Voiksaltar zu ver zichten. Man muß Sich dann darauf beschränken, den Wortgottesdienst zum Volk gewendet zu feiern und die entsprechende räumliche Ausgestaltung der Teilnahme auf diesen Teil zu verlegen. Man geht dann an den alten Die erste konsequente Kir chenumgestaltung aus dem Geist der Liturgischen Erneue rung: St. Gertrud in Kloster neuburg von Pius Parsch und Arch. Robert Kramreiter, 1935. 1 Altar, 2 Vorsitz, 3 Wand tabernakel, 4 Ambe, 5 Taufe.

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