Erneuerte Liturgie in alten Kirchen Herbert Muck SI Liturgisches Erfordernis und Bau-Tradition Die Kirche bejaht und pfiegt „dos gianzvoiie geistige Erbe" ihrer an Kultur- und Kunstschöpfungen so reichen Geschichte, im Gottesdienstraum ist jedoch auch zu prüfen, was davon „grundsätzlich mit dem wahren und echten Geist der Liturgie vereinbar ist" (Konst. 37. Vgl. 114,123, 129). Um der Verpflichtung für das überkommene Kulturgut wie auch dem Erfordernis der Liturgie zu entsprechen, sollten die Seelsorger mit den Denkmalpfiegern zusam menarbeiten. Die Tradition lehrt, daß auch früher Zeiten lebendiger religiöser und kultureller Entfaltung den Kir chenraum den geistigen und praktischen Bedürfnissen des Kultes immer neu anzupossen suchten, lede Zeit hat nicht nur den neuen Kirchenbauten ihr eigenes Gepräge gegeben, es wurden auch die alten Kirchen immer wieder umgebaut, verändert und gelegentlich auch ausgeräumt, um das neue Gestaltungsideai verwirklichen zu können. In der Tradition verankert ist auch der heute im Zuge der Liturgiereform erstrebte Aitorplatz an vongezogener Steile. Er ist von frühchristlicher Zeit durch die Tahrhunderte immer wieder neu eingerichtet und stellen weise bis ins 19. Jahrhundert bewahrt worden. Auch in Barockkirchen sind zahlreiche Voiksoltöre an weit vorgezogener Stelle frei im Raum stehend noch heute in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. (Vgl. Ottobeuren, Vierzehnheiligen, Zwiefalten u. a.) Zum Teil wurden solche vorgezogene Altäre erst im 19. Jahr hundert abgetragen, was kein Rückschritt war, sondern ein Fortschritt im Hinblick auf die Raumzusammenfassung zu einer einzigen Kirchenfamiiie. Nur daß diese Zusam menfassung leider ausschließlich auf das weit zurücklie gende und ferne Zentrum des „Hochaltars" hin erfolgte. Wir ringen heute um die Wiedergewinnung des (eindeu tigen) Kultzentrums an vorgezogener Stelle. Dos Ordnungsbild liturgischer Versommilung, an dem sich die liturgische Erneuerung hinsichtlich der Raumvorsteiiungen inspiriert, bieten Eifenbeinretiefs nahe der Jahr tausendwende, Mosaikreiiefs in den Kuppeln der Baptisterien von Rovenno u. a. Dort sind Altäre dargestellt, welche die Assistenz deutlich als circumstantes, als Um stehende zeigen. Es wird auch deutlich, daß die Auf stellung des Altars an zentraler Stelle keinen ausge sprochenen Zentrairaum zur Folge hat, sondern eine Achse behält, die durch die Stellung des leitenden Liturgen gegenüber dem Volk bestimmt l.st. Selbst in den konzentrisch angelegten Umschreitungsbildern der Kup pelmosaiken von Ravenna Ist die Achse deutlich gege ben. In den Kuppeimosalken von Ravenna wird auch sichtbar, daß die Mitte des Kirchenraums nicht ein monumentales, steinernes Geblide ist, sondern Hellsgeschehen, für des sen Darstellung bzw. für dessen Vollzug Raum auszuspa ren ist. Die Erfüllung geschieht in der liturgischen Hand lung, nicht durch künstlerische, monumentale Gebilde. In der instructlo ist überall der Primat der handelnden litur gischen Personen vor den liturgischen Orten spürbar. Was in den alten Bildern an Darstellung auf uns gekom men Ist, wird In unserer Zeit im Ordnungsbiid der litur gischen Versammiung abgebildet, d. h. Im Vollzug der liturgischen Handlung. Wir alle zusammen tun diese Bil der. Daraus ergibt sich der Primat des Bildes, das in der Eucharistiefeier getan wird, vor den gemalten Bildern im Raum, die grundsätzlich sekundär hinzutreten. Grundsätze zur Einrichtung der Funktionsorte der Liturgie in aiten Kirchenräumen Voraussetzung für sinnvolle Maßnahmen Ist, daß Klerus und Kirchenvolk sich um das Verständnis der Grundsätze der Liturgiereform des Konziis bemühen, jedoch auch um das Verständnis der Aussage des Raumes, die über Jahrhunderte hinweg trotz der zeitbedingten Verschie denheit als ein Ausdruck christlicher Lebenshaltung ver standen werden kann (Vgl. Konst. 37, 114, 123, 129). Bs muß „von Fall zu Fall untersucht werden", ob und wie in alten Räumen „ohne Irritierung des Roumgefüges eine Neuordnung möglich ist" (Protokoll der Kirchenbautagung an der kath. Akademie in München, 1964, Punkt 5). All gemeine Rezepte gibt es dafür nicht. Dennoch empfiehlt es sich, an einige Gesichtspunkte zu erinnern, nach denen erfahrungsgemäß immer wieder auftretende Ordnungsprobieme im Raum erfolgversprechend gelöst werden können. 1. Einbindung im Raumbestand Die erstrebte Anordnung Ist jeweils unter den gegebenen Voraussetzungen des Raumbestandes zu suchen. Man soll einem historischen Raum nicht etwas abfordern wol len, wos er nicht geben kann. Anderseits soll man die Schwierigkeiten, die in der Gestaltung zu bewältigen sind, nicht überschätzen. Die Möglichkeit, Funktionsorte der Liturgie auch frei im Raum stehend einzurichten, ist in der Geschichte des abendländischen Kirchenbaus In fast allen Stilepochen wahngenommen worden. Den Ansatz einer brauchbaren Lösung bietet manchmal die Einrichtungsordnung eines älteren Baustadiums. Jedenfalls sind durch eine verstän dige Analyse des Raumes die Stellen zu ermitteln, die eine überzeugende Einbindung in das Raumgefüge nahe legen oder zulassen.
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