Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

2. Der Wunsch nach einer Verdeutlichung der Struktur des Wortgottesdienstes durch Hervorhebung des Vor sitzes und eine sorgfältige Planung anderer Orte, wie des Ambo und des Platzes für die Schola und die Orgel. Wir können hier auf Einzelprobleme nicht eingehen und verweisen auf die Literatur'', möchten aber doch auf die grundsätzliche Schwierigkeit hinweisen, die beiden For derungen nach einer Sammlung um den Altar und nach einem Gegenüber Im Wortgottesdienst miteinander in Einklang zu bringen. In Parenthese sei angemerkt, daß es interessant zu beobachten Ist, daß man bei vielen Kirchenbauten der ausgehenden Antike versucht hat, diese Schwierigkeit durch eine Ortsveränderung zu lösen. Der syrische Kir chenbau hat das Präsidium des Bischofs mitten in der Kirche auf dem Bema; am Anfang der Eucharistiefeier begibt sich der Bischof zum Presbyterium, zur Apsis, wo sich der Altar befindet. Im Gegensatz dazu befand sich in den nordafrikanischen Kirchen der Altar in der Mitte der Kirche, während sich das Präsidium In der Apsls befand. Hier stieg also der Bischof mit seiner Assistenz am Beginn der Eucharistiefeier vom stark erhöhten Ort der Wortverkündigung in das Schiff der Kirche herab und feierte die Eucharistie inmitten des Volkes". Eine solche Ortsveränderung wird heute nur in besonde ren Fällen möglich und wünschenswert sein (man denke an die Studentenkapeile in Wien, Peter-3ordan-Straße von Ottokar Uhl). Bei allen anderen Kirchen wird es vieler Überlegungen bedürfen, bis die je richtige Lösung gefunden ist. 3. Wenn auch die Feier der Eucharistie der Gipfel der Liturgie ist, so Ist er doch nicht ihr einziger Ausdruck. Daher müssen in den Kirchen auch die Orte für die anderen Sakramente, besonders für die Taufe und die Buße, vorgesehen werden. Überdies steht der Kirchen raum auch dem einzelnen Beter offen, der hier Stätten der Andacht sucht. Aus all dem ergibt sich — wenigstens für die Pfarrkirche — der Wunsch nach dem differenzier ten Kirchenraum. 4. Immer häufiger wird die Frage nach dem Verhältnis der eucharlstischen Frömmigkeit zur sakramentalen An betung gesteilt. Die Liturgische Konstitution gibt keine eindeutige Antwort darauf. In der heutigen Theologie stellt sich das Problem iSO dar; Kein ermstzunehmender Theologe will die sakramentale Anbetung abschaffen, wohl ober treten führende Theologen für eine Verdeut lichung der Verschiedenheit der beiden Äußerungen der Liturgie ein, also des Geschehens während der Messe und der Anbetung außerhalb der Messe. Das führt zu dem Wunsch nach einer räumlichen Auseinanderlegung. 3. A. 3ungmann sagt dazu: „Man kann für die Messe eine Behinderung durch den Tabernakel auf dem Altar fest stellen, weil die Feier der Eucharistie durch die schon am Anfang vorhandene Gegenwart des Sakramentes in der Klarheit ihres Verlaufes beeinträchtigt wird"." Ais Ideal kann wohl die Feier der Eucharistie im Hauptraum, die Verehrung des Sakramentes in einem zum Hauptraum hin offenen, intimeren Raumtell bezeichnet werden. Gemeinde und Liturgie Um Mißverständnisse zu vermeiden, soll abschließend noch die Frage nach dem Verhältnis der beiden Prin zipien zueinander einer Antwort zugeführt werden. Die Reihenfolge, in der die beiden Prinzipien hier behan delt wurden, ist nicht als eine Rangordnung zu verstehen. Nur glauben wir, daß man zuerst über die Gemeinde sprechen muß, weil sie der Träger der Liturgie ist. Beide Prinzipien sind wesenhaft miteinander verknüpft. Ist doch „die Liturgie der Gipfel, dem dos Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der oll Ihre Kraft strömt" (Lit. Konst. Nr. 10). Wir glauben allerdings nicht, daß man beide Prinzipien auf ein einziges zurückführen kann. Denn einerseits „er schöpft 'sich in der heiligen Liturgie nicht das ganze Tun der Kirche; denn ehe die Menschen zur Liturgie hintre ten können, müssen sie zu Glauben und Bekehrung geru fen werden ... Denen ober, die schon glauben, muß sie (die Kirche) immer wieder Glauben und Buße verkünden und sie überdies für die Sakramente bereiten. Sie muß sie lehren, alles zu halten, was immer Christus gelehrt hat, und sie ermuntern zu ollen Werken der Liebe, der Frömmigkeit und des Apostolates. Durch solche Werke soll offenbar werden, daß die Christgläubigen zwar nicht von dieser Welt sind, daß sie aber Licht der Weit sind und den Vater vor den Menschen verherrlichen." (Lit. Konst. Nr. 9.) Eine Gemeinde, die zwar in der Kirche zusammenkäme, um die Liturgie zu feiern, diese Liturgie aber nicht als Auftrag verstände, die ganze Welt zu heiligen, wäre nicht die Gemeinde 3esu Christi. Darum kann die Gemeinde auch nicht Im Bau der Kirche allein ihre Aufgabe sehen, sie wird auch nicht nur ein ganzes Seelsorgezentrum schaffen, um anderen Aufgaben gerecht zu werden, Sie wird versuchen, die ganze Welt zu heili gen und zu gestalten, sie christlicher und damit mensch licher zu machen. Umgekehrt kann aber auch die Liturgie nicht auf die Gemeinde zurückgeführt werden. Wie wir gesehen haben, ist sie nicht nur und nicht einmal primär „Tun der Ge meinde". Vielmehr ist sie Handeln Gottes an uns und übersteigt damit alle menschlichen Kategorien um ein Unendliches. In ihr feiern wir das Pascha^Mysterium Christi und werden so In die Erlösung durch sein Blut hineingenommen. Ohne alle falsche „Sakralisierung" — die Abgrenzung einer sakralen Sphäre von einer pro fanen ist durch das Christentum grundsätzlich in Frage gestellt — sollte der Kirchenbau auch auf diese Dimen sion des liturgischen Geschehens verweisen. Anmerkungen: ^ F. Minuciüs, Octavius 32, 1; Tertuilian, De spect. 13. ' Yves Congar, Das Mysterium des Tempels, Salzburg 1960, 144. 8 Ib. 133. * Ferdinand Klostermann, Prinzip Gemeinde, Wien 1965, 20. 5 Ib. 76. « John Henry Newman, Development of Christian Doctrine. ' Günter Rombold, Raumqualitäten, Christi. Kunstblätter 102 (1964), 89 f. ® Heinrich Schlier, Epheserbrief, Düsseldorf 1958, 99. » Karl Ledergerber, Religion und Kunst in der Verwandlung, Köln 1961, 112. Cyprian Vogagglnl, Theologie der Liturgie. Einsiedein 1959, 29. " Ib 32. Vgl. zum Ganzen auch E. 3. Lengellng, Liturgie, in: Hand buch theologischer Grundbegriffe, München 1963, Band II, 75—97. 12 Vagaggini, Opus cit. 118. 12 Romano Guardini, Besinnung vor der heiligen Messe, Mainz 1939, 74. 1* Heinrich Kahlefeld, Christus und der Altar, in: Christi. Kunst blätter, Heft 3/1957, 7. 15 Josef Andreas Jungmann, Missarum solemnia, 5. Aufl., Wien 1962, Band I, 51. 1" Zitiert nach Jungmann, Opus cit., I, 50. 1' Vgl. dazu den besten deutschen Kommentar zur Konstitution von Emil Joseph Lengelinq, 2. Aufl., Münster 1965. " Herbert Muck, Die Gestaltung des Kirchenraumes nach der Liturgie reform, Münster 1966, 11. 1' Vgl. Herbert Muck, Opus cit. Dort wird auch die wichtigste Litera tur angeführt. 2" Johannes Wagner, Locus quo ecciesia congregatur, in: Lit. Jahr buch, 12. Jg. (1962), 161—174. Zahlreiche Grundrisse bringt Otto Nuß baum, Der Standort des Liturgen am christlichen Altar vor dem Jahre 1000, Bonn 1965, Band II. 21 Josef Andreas Jungmann, Glaubensverkündigung im Lichte der Froh botschaft, 125 ff. Derselbe, Geist und Leben, 33. Jg. (1960), 184—191.

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