Christliche Kunstblätter, 104. Jg., 1966, Heft 3

Romano Guardini als erster gesprochen. Er sagt: „Tra gende Grundgestait der Messe ist dos Mahl. Dos Opfer tritt in ihr nicht ais Gestalt hervor, sondern steht hinter dem Ganzen, nicht als Gestalt, sondern als Wirklichkeit, als Quelle, als Voraussetzung"." Wenn wir von der Gestait der Messe sprechen, so meinen wir ihre sichtbare Erscheinungsform. Jesus hat sein Abschiedsmahl in der überlieferten Form des jüdischen Mohies gefeiert. Dabei lag man nach antiker Sitte zu Tische. Jesus führte ais Hausvater den Vorsitz. Sehr schön sogt Heinrich Kahiefeid; „Hier bildet der Tisch die Mitte des Geschehens. Ihn umschließt der Ring der Feiernden. Dessen Anfang urvd Ende liegt beim Housvater, der im Namen aller den Lobspruch spricht. Der Lobspruch bezieht sich auf das Brot oder den Becher in seiner Hand über dem Tisch. Aber er steigt ous dem Ring um den Tisch nach oben auf zum ,König des Himmels'. Hier sind die primären sakramentalen Zeichenvorgänge, dos Gebet Jesu über Brot und Wein und die Austeilung und dos Essen und Trinken der heiligen Speise aufs engste verwoben mit den sekundären Momenten der Ordnung um den Tisch. Das Ganze bildet eine geschlossene Gestalt, die sich selbst interpretiert, und keiner architektonischen oder darstellerischen Hilfe — etwa durch eine Kuppel über dem Ort des Altares, die als Himmelsgewölbe verdeut licht wäre — bedarf"." Je größer die Gemeinde wunde, um so weniger war es möglich, am Tische zu sitzen'. Man stand auf und trat vom Tisch zurück; die Meßliturgie spricht von den „Circumstontes". Mit der Trennung der Kirche von der Synagoge und mit der Verlegung der Eucharistiefeier in die Morgenstunden wurde mit dieser ein Wortgottesdienst verbunden, der ihr vorausging. Es ist nun wichtig zu betonen, daß dieser Wortgottesdienst an sich eine andere Struktur und auch eine andere Gestalt hat Wie die Eucharistiefeier. Es handelt sich hier um ein Gegenüber von Bischof bzw. Presbyter und Gemeinde. Der Bischof führt in der Gemeindeversammlung den Vorsitz von seinem Präsidium aus. Nach dieser kurzen Darlegung des Wesens und der Gestalt der Liturgie noch ein Bück auf ihre Geschichte. Die Schiichtheit und der personale Charakter der ur sprünglichen Liturgiefeier wird im Laufe der Geschichte immer mehr von zum Teil schwer verständlichen Riten verdeckt. Mit der Einstufung der Bischöfe in die Beamten hierarchie unter Konstantin gehen die Ehrenrechte der Beamten auf sie über, so etwa dos Vorantragen von licht und die Proskynesis (der Kniefaii). in Byzanz wird der Gottesdienst mit stets größerem Glanz gefeiert, „der Klerus erscheint in prächtigen Gewändern, es wird Licht und Weihrauch aufgeboten, ein äußeres Zeremoniell mit Verbeugung und Proskynesis beginnt Sich zu entfalten. Formen breiten sich aus, wie sie bei festlichen Gelegen heiten das Auftreten des Kaisers und seiner höchsten Beamten umgoben"." Immer mehr wird Distanz zwischen das hi. Geheimnis und das Volk gelegt und damit das Eigentliche der Liturgie, die personale Begegnung zwi schen Gott und seinem Volke, erschwert. Chrysostomus spricht vom „schrecklichen Opfer", von der „schaurigen Stunde", da das Geheimnis vollzogen wird, vom „schreck lichen und furchtbaren Tisch"". In der Folge werden die Chorschranken erhöht, schließlich bildet sich in der Ost kirche die Ikonostase. In der Westkirche bahnt sich eine solche Entwicklung erst später an. Sie ist typisch für das Mittelalter. Nachdem die fremde Sprache schon eine erste Schranke des Mißverstehens zwischen Priester und Volk gelegt hatte, wird dies noch durch den Lettner architektonisch verfestigt. Die Rituolisierung der Messe führt zu einer Vermehrung der Kniebeugungen und Kreuzzeichen, was dem gotischen Prinzip der Wieder holung entspricht. Dos Trienter Konzil hat wohl manche Auswüchse beseitigt, aber den Grundcharakter der Messe, wie sie sich im späten Mittelalter darbot, nicht verändert. Diese Situation wurde immer drückender empfunden und führte Anfang dieses Jahrhunderts zur Liturgischen Bewegung, deren legitimes Anliegen durch die Liturgische Konstitution des ii. Vaticonums aufgenom men und zu einer Sache der Gesamtkirche gemacht wurde. Man kann nun die Liturgische Erneuerung nicht mehr als „Mode" abtun. Es handelt sich vielmehr darum, daß wir wieder zum Ursprünglichen und Wesentlichen vorstoßen. Um dos zu verdeutlichen, soll hier auf einige wichtige Aussagen der Liturgischen Konstitution besonders hin gewiesen werden: 1. Der gemeindliche Charakter des Gottesdienstes wird hervorgehoben. Christus ist nicht nur unter den eucharistischen Gestalten, sondern auch in der brüderlichen Gemeinde gegenwärtig (Nr. 7). Daraus ergibt sich 2. der Wunsch nach der tätigen Teilnahme des ganzen Volkes. Dos wichtige Prinzip der „Rollenverteilung" sieht vor, daß jedes Glied der Gemeinde die Teile und nur die Teile des Gottesdienstes betet oder singt, die ihm zukommen. Der Muttersprache soll ein gebührender Raum zugeteilt werden (Nr. 54). Es soll zu einem Dialog zwi schen Priester und Volk kommen. Im Hinblick auf diesen Dialog ist auch die Ermögiichung (nicht Vorschrift) der Ceiebratio versus populum zu sehen, die ohne Zweifei die dialogische Struktur des Gottesdienstes deutlicher macht. 3. Der früher meist als „Vormesse" bezeichnete Teil des Gottesdienstes hat eine Rangerhöhung erfahren. Den Gläubigen soll die Schatzkammer der Bibel weiter auf getan werden, so daß innerhalb einer bestimmten Zahl von Jahren die wichtigsten Teile der Hl. Schrift dem Volk vorgetragen werden (Nr. 51). 4. Bs wird grundsätzlich die Berechtigung einer Vielfalt in der Liturgie anerkannt und dem Prinzip Ausdruck ver liehen, daß die Liturgie an die verschiedenen Gemein schaften, Gegenden und Völker — besonders in den Missionsgebieten — angepaßt werden soll (Nr. 37). Solche Änderungen sollen freilich überlegt und sorgfältig geprüft werden". Weiche Folgerungen ergeben sich aus dem Gesagten für den Kirchenbau? Es sind nach unserer Uberzeugung hauptsächlich folgende zwei: 1. Der Wunsch noch einer Sammlung der Gemeinde um den Altar. Das ist wesentlich mehr als die schon lange erhobene Forderung noch Sichtbarkeit des Aitares von allen Plätzen der Kirche aus (die schon die Barockzeit anerkannt hat, womit die in liturgischer Hinsicht bereits wesentlich über den mittelalterlichen Kirchenbau hinaus ging). „Tätige Teilnahme" ist mehr als ein Zuschauen und Zuhören. Mit Recht hält Herbert Muck das Zweiraumgefüge (Chor — Schiff) für problematisch". Die Ent wicklung geht auch 'immer mehr weg vom schmalen, längsgerichteten „Wegraum" zu Kirchenbauten, die über einem quadratischen, querrechteckigen oder mehr oder wenig freien, aber zur Sammlung der Gemeinde bei tragenden Grundriß erbaut werden.

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