die Fassungen der Edelsteine noch aus dem 13. Jahr hundert. Es steckt also in diesem Kreuz ein älteres Werk wahrscheinlich gleichartiger Bestimmung. Das Kreuz selbst konnte ebenfalls innig mit dem Kaiserkult in Verbindung gebracht werden. Dafür sei als Beispiel das Lothar-Kreuz der Aachener Domschatzkammer genannt. Es ist wohl das schönste Goldkreuz der ottonischen Kaiserzeit. Auch hier ist die Vorderseite des Kreuzes nur mit Edelsteinen in wohl geordneter Anordnung geschmückt. Unter ihnen be findet sich ein Bergkristallsiegel Kaiser Lothars, das dem Kreuz den Namen gegeben hat, der leicht zu Mißdeutungen führen kann. Das Kreuz ist wahrschein lich eine Kölner Arbeit aus der Zeit Kaiser Ottos III. Unter den Steinen, mit denen das Kreuz geschmückt ist, hebt sich außerdem ein großer römischer Kameo mit dem Bild des Kaisers Augustus heraus. Das Bild des Augustus steht hier stellvertretend für das des regierenden Kaisers, eine Gleichsetzung, die durchaus nicht vereinzelt ist. Es ist im Schnittpunkt der beiden Kreuzbalken angebracht. Damit aber rückt es aus der allgemeinen Bedeutung des Stifterbildes heraus. Denn der Platz, auf dem der Kameo sich befindet, war im allgemeinen ja dem Bild Christi vorbehalten. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß auf der Rück seite des Kreuzes die Kreuzigung Christi dargestellt ist. Die Hauptschauseite ist mit dem Bild des Kaisers geschmückt. Nun sind solche Darstellungen auch aus Byzanz bekannt. Es gibt dort Kreuzesdarstellungen, bei denen auf der Vorderseite im Schnittpunkt der Kreuz balken ein Tondo mit dem Bild des Pantokrators Christus angebracht ist, dem auf der Rückseite des Kreuzes an derselben Stelle die Darstellung des Kai sers in einem gleichartigen Tondo entspricht. Es ist diesbezüglich auf das byzantinische Elfenbeindiptychon zu verweisen, dessen Vorderseite in Gotha und dessen Rückplatte in Dumbarton Oaks verwahrt wird. Das ist die vollständige Darstellung: Dem Pantokrator Chri stus steht sein Stellvertreter, der Kaiser gegenüber. Die innige Beziehung zwischen Christus und dem Kaiser, die überragende Stellung des Kaisers, in einer Kühn heit und Größe, die allen späteren Zeiten unerreich bar war, wird hier bildmäßig in klassisch einfacher Form formuliert. Wenn man dann Einzeldarstellungen findet, bei denen das kaiserliche Bild allein im Schnitt punkt der Kreuzesbalken dargestellt wird, wie es am prunkvollsten das Lothar-Kreuz tut, dann kann man das nur aus der Voraussetzung der byzantinischen Doppeldarstellung erklären. Die Anerkennung der Oberherrschaft Christi ist die unumstößliche Voraus setzung für alles Kaisertum der christlichen Ära. In ihm liegt alle Begründung und Berechtigung. Daher kreist auch alle kaiserliche Symbolik immer wieder um diesen zentralen Gedanken und sucht ihn in allen möglichen Formen wirksam vor Augen zu führen. Nur aus diesem letzten Rückhalt kann es zu einer solchen Verselbständigung des kaiserlichen Bildes kommen. das im Zentrum des Kreuzes, also an heiligster Stelle dargestellt wird. Es ist eine Bevorzugung, die sonst kein Irdischer, weder der Heilige noch der Papst für sich beanspruchen konnte. Wenn an einer Stelle, so wird hier deutlich, daß mit der Krönung in dem Menschen, der eben die Krone empfängt, eine Umformung seines Wesens vor sich geht. Er wird letztlich zum „alter Christus", das ist mehr als ein Abbild. Der Kaiser ist in das mystische Leben des Weltenkönigs Christus innigst einbezogen. Aus dieser Grundidee heraus erklärt sich alles, was das hohe Mittelalter in Kunst und Zeremonie rund um das Kaisertum gestaltet hat. Es erklärt sich daraus allein die Berechtigung seines Herrscheramtes, das damit zutiefst verwurzelt ist. Aus diesem Gesichts punkt heraus sind die Reliquien nun mehr als ein bloß kostbarer akzidenzieller Besitz — sie gehören wesent lich als mit dem irdischen Leben Christi innigst ver bundene noch lebendige Relikta zum Kaisertum, sind damit verbunden und verwurzelt. Es ist mehr als ihre Wunderkraft, was den westlichen Kaiser zwingt, sich einen wenigstens in den Grundtendenzen, wenn schon nicht im Reichtum ähnlichen Reliquienschatz aufzu bauen, wie ihn die Byzantiner besaßen. Er ist eben „alter Chritsus", ein „typus Christi", wie es etwa im Mainzer Krönungsordo heißt: „. . .cum mundi salvatore cuius typum geris in nomine . . ." Er hat daher auf die fortwirkenden Reliquien Christi mehr Anspruch als jeder andere Mensch. Das hat nichts mit einer heidnischen Vergottung des Kaisers selbst zu tun. Er empfängt seine Berechtigung ja nur aus seiner Ver bindung mit dem sendenden Christkönig, durch den die Könige herrschen. Nicht umsonst steht dieses Wort auf einer der Bildplatten der Reichskrone, die den Panto krator selbst zeigt: „Per me reges regnant." Damit ist die ganze kaiserliche Gewalt, damit sind aber auch ihre Grenzen gezeigt. Nur durch seine Verbindung mit dem Pantokrator ist der Kaiser wirklich Augustus und Imperator. Diese Verbindung aber hebt ihn auch über alle anderen Menschen heraus. Sichtbar wird sie dem gläubigen Volk im Besitz der Reliquien Christi. Sie sind die Garanten dafür, daß seine Herrschaftrechtmäßig ist. Es ist daher umgekehrt auch verständ lich, daß der Verlust dieser Besitztümer unter Um ständen zu einer Aberkennung der Kaiserwürde hätte führen können. Symbol, Bild und Wirklichkeit sind in der Anschauung dieser Zeit noch zu innig verwoben. Mit diesem Zusammenhang mit Christus steht und fällt die Herrscherwürde des Kaisers. Von hier aus er klärt sich auch, wieso der Kaiser für sich in der Kirche gewisse Vorrechte beanspruchen konnte. Sacerdotale Würde freilich kam ihm nie zu. Seine Würde darf niemals mit dem Hohepriestertum Christi vermengt werden. Das war immer dem Papsttum vorbehalten. Es ist eben deutlich das Hohepriestertum Christi von seinem Weltenkönigtum zu trennen. In der einen Würde vertritt ihn auf Erden der Papst, in der anderen
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