Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 4

an fanden die Krönungen als kirchliche Zeremonien statt. Die Tendenz der Kirche wechselte dabei, im großen und ganzen aber war ihre Zielrichtung, nach dem sie nun einmal der bestimmende Teil bei der Krö nung geworden war, dem Kaiser den kirchlichen Rang zu nehmen, der ihm auf Grund seiner Stellung in Byzanz und in weiterer Folge im spätantiken imperium Romanum zugekommen war. Das alte imperium Romanum war das letzte große Weltreich gewesen, dessen Herrscher für sich den göttlichen Rang beanspruchte. In seinen Händen hielt er den Reichsapfel als Symbol für die Himmelskugel, die Sphoiro. Dieser Rang kam im christlichen Welt reich Christus selbst zu, der sich durch seinen Erlöser tod die Weltherrschaft und den Anspruch auf die Nachfolge nach den römischen Imperatoren erobert hatte. Sein Weltreich sollte ein ewiges sein. Im himm lischen Jerusalem sollte es seine Vollendung finden. Dort würde auch Christus selbst die Herrschaft über nehmen, die bis dahin seine Stellvertreter auf Erden ausgeübt hatten: der Papst die Funktion des Hohen priesters und der Kaiser des Pantokrators. Diese Be deutung des Kaisers als Stellvertreter Christi des Weltbeherrschers gab ihm aber auch einen Rang, der ihn an die Seite der höchsten kirchlichen Würden träger stellte. „Isapostolos" — den Aposteln gleich — wurde er in Byzanz genannt, Bischof des Äußeren war eine andere derartige Bezeichnung. Im Westen nannte man ihn einmal den Arm der Kirche, dem die Verteidigung und Erweiterung des Gottesreiches auf Erden oblag. Aus dieser überragenden Stellung des Kaisers, der als Stellvertreter Christi sein Weltreich für ihn verwalten sollte, ergibt sich die Einmaligkeit der Kaiserwürde. Nur die besondere historische Situa tion gab dem Papste im Jahre 800 die Möglichkeit, dem Frankenkönig Karl diese höchste Würde zu über tragen. In Byzanz wurde zu diesem Zeitpunkt der Thron von einer Frau, der Kaiserin Irene, verwaltet. Das byzantinische Reich aber konnte sich zu einem Zeitpunkt, da der Höhepunkt seiner Machtentfaltung längst überschritten war, kaum mehr wirksam schüt zend vor den Papst stellen, der daher den mächtigen Frankenkönig als Herrn Italiens dem byzantinischen Basileus vorzog. Die Byzantiner freilich haben das Imperium der Karolinger niemals anerkannt und die Kaiserwürde weiter verliehen, so daß fortan einem Kaiser des Ostens einer des Westens sich gegenüber stellte. Für den letzteren war es notwendig, sich in allen Fragen des Protokolls und der kaiserlichen Repräsentation an das ältere byzantinische Vorbild zu halten, um den älteren Gegenspieler keine berechtigte Grundlage zu bieten, ihm den erworbenen Rang ab sprechen zu können. Aus diesen historischen Überlegungen ergibt sich eine Folge von Konsequenzen für die Kunstentfaltung rund um den Kaiser. Zunächst einmal die Verwen dung von kirchlichen Geräten zum Kaiserkult. Im liturgischen Zeremoniell wurden ihm die gleichen Ehren erwiesen wie dem Bischof. Er trug bischöfliche Gewänder. Weihrauchfaß, Weihwasserwedel und Weihwasserkessel gehören bald zum Zeremoniell des Empfanges des Herrschers. Für den Einzug Ottos II. in Mailand ließ der Erzbischof eine Situla anfertigen, die heute noch zu den bedeutendsten Kostbarkeiten der karolingischen Elfenbeinschnitzerei gehört. Ein ähnliches Gefäß aus ottonischer Zeit verwahrt der Aachener Domschatz. Aspergile und Rauchfaß waren im Mittelalter immer im kaiserlichen Schatz vorhan den. Die Verbindung des Kaisers zu Christus mußte aber auch durch Bild und Wirklichkeit erwiesen und immer wieder öffentlich dargelegt werden. Die Ver bindung von Bild, Symbol und Realität war ja eine intensive selbst bis zu solch einem Grade, daß das Symbol die Gegenwart einer Person ersetzen konnte. In jahrhundertelangem Prozeß war die kaiserliche Symbolik und das kaiserliche Zeremoniell in Byzanz ausgebildet und bis ins letzte verfeinert worden. Diese Einrichtungen mußte der Kaiser des Abendlandes übernehmen, um seine Gleichheit mit dem byzanti nischen Basileus zu erweisen und ihm die Möglichkeit zu nehmen, ihm die Gleichheit des Ranges abzuer kennen. über Byzanz einerseits geht die Verbindung des abendländischen Imperiums in die Spätantike. Andererseits mußte der Bogen, der über Jahrhunderte geschlagen wurde, dem abendländischen Kaiser wenig stens im Bild die Tradition ersetzen, die der byzan tinische Basileus tatsächlich für sich beanspruchen konnte. Daher ließ Karl der Große antike Bildwerke nach Aachen übertragen. Sie sind zum Teil heute noch dort zu sehen. Vor der Aachener Pfalzkapelle sollte ein antikes Reiterstandbild aufgestellt werden, durch dos die Erinnerung an das Standbild, das damals vor dem Lateranpalast in Rom aufgestellt war und als das Bild Konstantins des Großen angesehen wurde, beschworen v/urde. Die Aachener Anlage sollte dem römischen Lateran entsprechen und in ihrer Art eine gleichartige Stellung einnehmen, wie sie diesem ehr würdigen römischen Papstpalast zukam. Für diese Richtung kaiserlichen Denkens ist in der Goldschmiedekunst das kennzeichnendste Denkmal die Krone des Heiligen Römischen Reiches in der Wiener Weltlichen Schatzkammer (Abb. 23). Sie ist nicht mit der byzantinischen Krone, dem Stemma, zu vergleichen, sondern stellt eine weiter entwickelte selbständige Lösung dar. In ihr münden zwei Strömungen: die Tradition der Kopfbedeckungen der römischen Imperatoren und eine kirchliche Sym bolik, die genauen theologischen Überlegungen er wuchs. Formal besteht die Krone aus drei Teilen: den acht Platten, die den Kronenkörper bilden; dem Kro nenkreuz und dem Kronenbügel. Zu ihnen kamen ursprünglich noch die Pendilien, jene kostbaren Ge hänge, die über die Ohren herabfielen. Ihre Ösen sind an der Krone noch genau erkennbar. Auch das

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