Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 4

Siegel, zur Kaiserkrönung 962, wahrscheinlich"), das wohl noch frühere Ringsiegel Ottos 1.^®) und drei fol gende Siegeltypen wohl sicher'") den oströmischen Siegeln oder Münzen. Diese Frontalypen haben auf die Kaiserbilder der späteren Siegel und, wie durch Ein zelheiten besonders der Kronenform wahrscheinlich wird, auch der Miniaturen gewirkt. Von christlichen Darstellungen sind es, neben Bildern des lehrenden Christus oder des Kruzifixus, besonders die Madonnen im byzantinischen Typ der Nikopoia""), der frontal Thronenden mit dem frontalen Kinde vor sich zwischen den Knien, die in die christliche Kunst des Westens eine neue feierliche Strenge bringen. Weiter findet die deutsche Kunst um 1000 mit byzan tinischer Hilfe eine neue Fassung der Stehfigur: nicht nur das Stehen als solches (dos natürlich immer vor kommt), sondern die Darstellung eindeutigen, entschie denen Dastehens und Aufragens und der Würde, die darin liegt, wird jetzt gegeben. Solche byzontinisierenden Stehfiguren gibt es von Christus"'), Heiligen"") und Kaisern"®); auch hier ist ein östlicher Madonnentyp, der der Hodegetrio [stehend mit auf dem linken Arm getragenen Kind"^)] als im Westen neue Bildvorstel lung zu nennen. Nicht nur die neue Strenge ist es, was den symme trisch frontalen und den stehenden Figuren gemeinsam ist. Bei allen kommt eine entschiedene Richtung in die Figur: nach vorn oder nach oben — wozu freilich noch weitere Mittel der Gestaltung nötig sind. Erst am Zu sammenwirken aller Mittel im einzelnen Werk kann ihr Sinn erkannt werden. Der Christus des von Kaiser Heinrich II. dem Baseler Dom gestifteten Altarvorsatzes aus vergoldetem Sil ber, des sogenannten Baseler Antependiums im ClunyMuseum zu Paris (Abb. 17), ist frontal symmetrisch und steil aufgerichtet zugleich. Zu seiner Würde trägt wei ter bei die Arkadenstellung, unter der er mit den Erz engeln und St. Benedikt steht. Arkadenfiguren sind ja für Spätantike und Mittelalter in Ost und West charak teristisch""); die Arkade ist dabei ein Zeichen der Hoheit"") und — da wohl die Vorstellung des durch ein Tor Tretenden, des Erscheinenden also mitgespielt haben kann"") — eine Form der „Epiphanie". An einen Triumphbogen als Zeichen der Würde des Amts denkt Hildegard von Bingen selbst dann, wenn sie von Fi guren, gereiht unter Bögen vor geschlossener Wand, also unter einer Blendorkotur, berichtet"®). Aber auch wenn solche gewußten Beziehungen keine Rolle spie len, so liegt schon anschaulich in dem Umgeben der Figur oder auch nur des Hauptes durch den Bogen eine Auszeichnung. Diesen Motiven — Frontalitöt, Symmetrie stehen Arkade — gibt der Christus vom Baseler Antependium eine einzigartige Fassung, und zwar mit byzantinischer Hilfe. Vorbild war ein Werk, wohl eine Christusfigur, von der Art der Miniatur mit dem heiligen Nikolaus in dem Codex Reginensis graecus 1 (fol. 3) der Vati kanischen Bibliothek"") (Abb. 19). Beide Male finden wir eine sehr steile Stehfigur mit zwei kleinen, im Gestus der „Proskynesis" tiefgebeug ten Gestalten zu ihren Füßen (dem Kaiserpaar Hein rich und Kunigunde bzw. zwei byzantinischen Hof beamten als Stiftern); dabei ergibt sich in der unteren Partie des Ganzen fast die gleiche, sehr geprägte Gesamtform, die es wahrscheinlich macht, daß auch das steile Aufragen der mittleren Gestalt im Baseler Antependium aus byzantinischer Quelle stammt. Byzantinisierende Einzelheiten des Gewandes und vor ollem des schmalen, wie abgezehrten Antlitzes Christi, mit seinem präzisen Verhältnis aller Gesichtszüge untereinander'"), kommen hinzu, während die Haltung der Arme und das halblange Mäntelchen mit den be wegten Zipfeln andere, ottonische Vorbilder [die frei lich ihrerseits wieder mit Byzonz zusammenhängen"')] voraussetzt. Eindeutigkeit der Haltung, klare Prägung der Form wie Entschiedenheit des geistigen Habitus ist den Figuren beider Kulturkreise eigen. Und doch hat das gleiche jeweils verschiedenen Sinn. An Stelle der ruhigen Würde der byzantinischen Miniatur ist in der abendländischen Treibarbeit olles von drängenden Kräften erfüllt. Schon die Verehrenden unten sind hier viel gespannter gegeben. In der Christusfigur herr schen an Stelle der geraden oder leicht gewellt fallen den Linien der Miniatur die gespannt schwingenden vor. Dieser Christus „steht" nicht nur, er „wächst" ge richtet auf: die Arme scheinen weniger an den Leib genommene, an sich frei bewegliche Glieder, viel mehr, wie das Haupt, Endigung dieses Aufwachsens zu sein. Im Gesicht sammeln sich die Spannungen der ganzen Figur, feurige Kraft beseelt es; die Strenge, wie sie auch in dem byzantinischen Antlitz herrscht, wird zur Konzentration, aus der heraus das Gesicht nach allen Seiten auszustrahlen scheint (Abb. 21). Für die Gestalt als Ganze bewirken die flatternden Ge wandenden"") ein solches Ausstrahlen. Wie Schrade gezeigt hat""), kann im Mittelalter die Darstellung des stehenden Christus den Kämpfer und Helfer bedeuten — Christus also in seiner Aktivität — die des Sitzenden den Herrscher oder Richter. Die In schrift des Baseler Antependiums spricht vom Arzt und Heiland; so könnte die Stehfigur in der Bedeu tung des Helfers auch hier bewußte Symbolik sein. Anschaulich ist noch Tieferes gegeben: Aktivität nicht als eine von der Figur ausgeübte Tätigkeit oder als die Bereitschaft dazu, sondern als das Wesen der Figur selbst. Sieht man das mit dem Inhalt zusammen, so wird das richtungbetonte Aufragen und Ausstrah len zum hoheitsvollen Spenden von Gnadenkraft. Ein Vergleich mit dem motivisch nicht verwandten, für byzantinische Kunst der Zeit aber noch mehr charakteristischen Christus des Romanos-Elfenbeins (Abb. 18) zeigt noch deutlicher, wie in dem ottonischen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2