Wilhelm Messerer Gestalt und Geschehen im ottonischen Byzantinismus^) Dazu die Abb. 13—^21 ^os oströmische Reich, seine Kirche und seine yMenschen hoben auf den ottonischen Kulturkreis anziehend und abstoßend zugleich gewirkt. Die Herrscher aus dem sächsischen Hause werben um die Gunst des anderen „Kaisers der Römer" und um die Hand byzantinischer Prinzessinnen; zugleich rivalisie ren sie mit dem Ostreich; sie führen in Unteritalien Krieg mit ihm und schützen Flüchtlinge aus diesem Machtbereich. Im kirchlichen Bereiche kommt es um die Mitte des 11. Jahrhunderts zum endgültigen Bruch. Von den „Danaern" als Menschen sprechen Ottonische Quellen voll von Mißtrauen und Vorurtei len und doch müssen die verwandtschaftlichen Bezie hungen des Kaiserhauses und die häufigen Gesandt schaften auch menschliche Kontakte mit sich gebracht haben. Anders ist das Verhältnis des ottonischen Abend landes zu Byzanz, wo es sich um „Kulturgüter" höheren Ranges, um Kunstwerke und Bildungsgut, handelt. Da kennen die Quellen nur Lob. Die Lebensbeschreibung Heinrichs IV. spricht in einem Atem mit Abscheu vom oströmischen Basileus und voller Bewunderung von der Kunst seines Geschenks [einer goldenen AltortofeP)]. Wie Literatur^) und Inschriften^) mit Stücken griechi scher Sprache, so werden Buckdeckel und Reliquien schreine mit Werken griechischer Kleinkunst aus Elfen bein oder Gold geschmückf*). Spannung zu Byzanz, Auseinandersetzung mit ihm hat im Bereich der Kunst anderen Sinn als im Leben. Wir finden beides nur im Schaffen der ottonischen Künstler selbst, und ihr Sinn ist eine zweifache Verwandlung: Anverwandlung fremder, aus Byzanz übernommener Motive ins Eigene und zugleich die Verwandlung des Eigenen mit Hilfe des östlichen Vorbilds in eine neue Daseinsform. Nur wenig erfahren wir aus Schriftquellen, über das allgemeine Lob hinaus, darüber, was die Zeitgenossen an byzantinischen Werken als das Besondere ange sehen haben. Immerhin bemerkt in seinem Gesandt schaftsbericht von 968 der Botschafter Qttos I., Bischof Liutprond von Cremono — ein genauer Beobachter selbst dann, wenn ihm Haß und Gekränktsein das Urteil trübt — Auffälliges zwar nicht von eigentlichen Kunstwerken, aber von Gebrauchsdingen, die ja auch ihre stilistische Eigenart haben: die üppige Weichlich keit der Hoftrachten und das bei aller Pracht Ver blichene der alten Staatsgewänder"), die „lange, schmale Tafel", an der man bei Hof zu Tisch sitzt"), die „ganz kleinen dünnen Schilde und erbärmlichen Spieße"®), die man im Volk bei der Prozession trägt. die winzigen Gläser®), aus denen die geizigen Bischöfe trinken. Für die Mischung des auf den ersten Blick üppigen mit dem Kargen, Engen, Asketischen hat er, wie es scheint, ein Auge, auch wenn er vieles tenden ziös mißdeutet. Und Otto III., Sohn einer Griechin, stellt der sächsischen „rusticitos", bäurischen Art, die griechische „subtilitas" gegenüber") — das ist von menschlicher Natur und Bildung gesagt, kann aber auch einen Fingerzeig geben für das, was ottonische Künstler in den östlichen Vorbildern suchten. Wirklich lehren können es uns nur die Werke selbst. Die drei bedeutendsten Schulen ottonischer Buch malerei: die der Reichenau"), die von Köln") und die von Regensburg-Salzburg") verdanken Wesentliches für die Gestaltung ihrer Figuren, ihrer Gründe und ihrer Kompositionen dem östlichen Vorbild; für Einzel heiten gilt dos gleiche auch bei der Trier-Echternacher und der Hildesheimer Schule. Viele Werke der Klein kunst in Gold und Elfenbein sind in Auseinander setzung mit byzantinischen Vorbildern entstanden. Wie die Sprache der Formen wurden auch Inhalte und ikonographische Motive von Byzanz her bestimmt"); davon kann hier nicht weiter die Rede sein. Wie also die Wirkung der byzantinischen Kunst auf die otto nische breit ist, so geht sie auch tief. Das soll uns hier zunächst ein Werk, das heilige Gestalten als solche, in ihrem Dasein vergegenwärtigt, vor Augen führen, so dann ein szenisch berichtendes, schließlich ein Kruzi fix, das Christus für sich darstellt und zugleich das Geschehen seines Opfertodes schildert. Es sind ein Werk der Reliefkunst in Metall, eins der Buchmalerei und eines der lebensgroßen Skulptur. 1. Bei den einzeln oder zentral gegebenen Gestalten ottonischer Kunst fällt die Neigung zu strenger Frontolität und Symmetrie auf. In der vorangehenden, der karolingischen Kunst fehlen Frontalität und Symmetrie nicht, doch wird gern eine lebendige Schrägstellung und ein lebendiges Gegeneinander der Körperhälften, besonders in der unteren Partie der Figur, gesucht. Die ottonische Kunst verstärkt, auch wo sie ohne byzantinische Hilfe auf Karolingisches zurückgreift, gern die Strenge der Frontalität") oder der Sym metrie"); bedeutsame Frontalfiguren aber folgen byzantinischem Vorbild. Also wesentliche Hilfe, nicht ober Ursache ist Byzanz für die neue Fassung solcher heiligen oder würdigen Gestalten. Da sind einmal die Herrschergestalten der Kaiserund Königssiegel, gegenüber dem karolingischen Typ im Profil; von ihnen folgt das erste frontale Wachs-
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