Je eingehender man sich mit den Formen der Orna mente beschäftigt, welche sich z. B. auf den beiden letztgenannten Abbildungen finden, desto mehr wird man ihre vielfache Verwandtschaft bestätigt finden. Es ließen sich daran mehrere andere Salzburger Hand schriften anreihen. Der hl. Hieronymus erscheint viel leicht etwas plump gezeichnet, es kann aber kein Zweifel bestehen, daß dem Zeichner antikische Vor bilder bekannt gewesen sein müssen, ob dies nun Malereien oder Mosaiken gewesen sein mögen. Weiter nennen wir einige Handschriften, die text geschichtlich besondere Aufmerksamkeit verdienen und deren Probleme bisher noch nicht gelöst sind. Vielleicht die älteste oller hier genannten Hand schriften ist ein kommentierter Psalter, nach seinem heutigen Aufbewahrungsort der Psalter von Montpellier genannt. Er ist, wie aus Schrift und Ornament mit Sicherheit erschlossen werden kann, in M o n d s e e entstanden und — vielleicht im Zuge der Verbannung des Agilolfingerhauses —, schon im 8. Jahrhundert nach Frankreich gekommen. Mit je zwei großen Miniaturen und vielen Hunderten von bunten Initialen, deren wichtigste mit Gold und Silber aus gestattet sind, zählt er zu den reichsten Handschriften jener Zeit überhaupt. Der Kommentar zu den Psalmen, der in dieser Handschrift enthalten ist, ist bisher wissenschaftlich noch nicht untersucht worden, obwohl daraus wichtige kulturgeschichtliche Schlüsse gezogen werden könnten. Die Vollbilder zeigen Christus, jugendlich und stehend dargestellt, und den Propheten David mit der Harfe (Abb. 8). Die Ähnlichkeit der Arkaden mit denen des Millenarius (Abb. 11) wird auf den ersten Blick deutlich. In der Vereinfachung der Zeichnung nähert sich der Stil dem des CutberchtCodex. Ein zweites Beispiel dieser offenen textgeschicht lichen Probleme bieten einige Handschriften des Opus Imperfectum, eines vielleicht spätantiken theologischen Traktats, der in jener Zeit und bis her auf in unsere Gegenwart dem hl. Johannes Chrysostomus zugeschrieben wurde. Eine Salzburger Hand schrift um die Wende des 8. zum 9. Jahrhunderts ent hält wiederum ein Autorbild, den hl. Johannes dar-, stellend. Vielleicht hat für den Text eine Freisinger Handschrift als Vorlage gedient, die ebenfalls ver zierte Initialen enthält. In den mönchischen Kulturkreis, dessen Wirken mit diesen Glanzstücken der damaligen Epoche ange deutet ist, kam mit dem Nachfolger des irischen AbtBischofs, des hl. Virgil, mit Arn, der bald zum Erzbischof ernannt wurde, ein neuer Akzent. Arn von Salzburg entstammte einem bayrischen Hochadels geschlecht; er war, bevor er auf den Salzburger Bi schofsthron berufen wurde, Abt des nordfranzösischen Klosters St. Amond. Dem Buchwesen außerordentlich zugetan, hat er, wie die Quellen seiner Zeit berichten, eine sehr große Anzahl vor» Handschriften schreiben lassen. Es ist nicht erstounlich, daß in vielen dieser Codices der fränkische Schreib- und Buchstil zum Durchbruch kommt, doch ist dieser im Gegensatz zur älteren Tradition durch große Einfachheit und fast aus schließliche Beschränkung auf unverzierte Auszeich nungen hervorzuheben. Die einheitliche korolingische Reichskultur setzte sich unter diesem Kirchenfürsten in Salzburg im Buchwesen anscheinend so stark durch, daß es in vielen Fällen sehr schwer zu entscheiden ist, ob manche der Handschriften hier oder ob sie in Nordfrankreich geschrieben sind. Mit einer gewissen Verspätung setzt sich diese vereinfachende Tendenz auch in den benachbarten Klöstern durch. An den Er zeugnissen des Skriptoriums von Mondsee ist zu be obachten, daß sich etwa bei dem Prachtevangeliar (Wien, österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1193), dos um 820 geschrieben worden sein dürfte und dessen herrliche Elfenbeindeckel sich schon längst in großen Museen befinden (Berlin, Darmstadt, Florenz), diese vereinfachende Erneuerung des Schriftwesens durchgesetzt hat. Wenn wir bei den glänzendsten Beispielen der da maligen Schreibkultur bleiben wollen, so sind aus der Spätzeit der Arnschen Richtung die zwei berühmten astronomischen Handschriften in Wien und München hervorzuheben, deren Darstellungen, Kalenderbilder und astronomische Kompositionen, weniger schmükkende als erläuternde Funktion hoben. Sie zeigen, daß damals antikes Kulturgut in karolingischer Form auf dem Salzburger Boden lebendig war und gestaltet werden konnte. Von den vielen Kirchenväter-Handschriften, deren Verbreitung dem Erzbischof Arn so sehr am Herzen gelegen war, ist eine Reihe von August inusTexten hervorzuheben, deren Kopien in ihrer ousgev/ogenen Schriftkunst und in ihrer einfachen, zurück haltenden Ornamentik uns zur letzten Hochblüte der korolingischen Buchmalerei im Südosten überleiten. Aus der Zeit seines Nachfolgers, des Erzbischofs Adolrom (821—836) sind drei große Prunkevange liare dieses Kunstkreises erhalten geblieben, ein vier tes ist nur mehr in Fragmenten überliefert. Es zeigt uns wiederum, wie sehr die Zeit unter den Bücher schätzen jener Epoche gewütet hat. Das älteste dieser Evangeliare befindet sich jetzt in der Kunstsammlung der Fürsten Oettingen-Wallerstein auf der Harburg. Es knüpft in seiner Schrift unmit telbar an die genannten Augustinus-Handschriften an und kann erst dadurch richtig lokalisiert werden, denn es hat seine Heimat schon vor vielen Jahrhunderten verlassen und ist aus Trier an seinen jetzigen Auf bewahrungsort gelangt. Die beiden anderen Evange liarien gehen wieder zur Unziolschrift über, die ihren hervorragenden Rang in der Verwendung für den heiligen Text noch lange Zeit bewahrt hat. Eine dieser Handschriften ist ebenso wie die auf der Harburg mit ganzseitigen Evangelistenbildern und mit einfacheren
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