Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 4

Dr. Kurt Holter Höhepunkfe der frühmittelalterlichen Buchmalerei in Salzburg, Mondsee und Kremsmünster Dazu die Abb. 7—12 /''7~^ie Bedeutung der Salzburger Kirchenmetropole yfür die Geschichte und die kirchliche Organi sation unserer Frühzeit ist von der Forschung schon seit langen Jahrzehnten erkannt und in immer deut licher werdender Weise hervorgehoben worden. Trotz dem ist es immer noch möglich, durch Einzelunter suchungen in dieser oder jener Richtung zu neuen Ergebnissen zu gelangen. Die Ausgrabungen am Dom zu Salzburg z. B. haben in dieser Beziehung ganz neue Erkenntnisse reifen lassen und ebenso scheint es auf einem anderen Gebiete zu sein, das der Öffent lichkeit vielleicht nicht so eindringlich vor Augen ge führt werden kann. Es ist das Gebiet des Handschriften wesens, dessen Erforschung einer ganzen Anzahl von Disziplinen zukommt. Hier haben die Textgeschichte ebenso wie die Schriftgeschichte (Palöographie), die historische Wissenschaft ebenso wie — bei prunk voller ausgestatteten Codices — die Kunstgeschichte ihren Teil beizutragen. Der erste dieser Wissen schaftszweige ist bisher meist von einzelnen Texten, nicht ober von Textgruppen, wie sie zeitlich und ört lich vergesellschaftet sind, ausgegangen. Es mag sein, daß dadurch gewisse zusammenhängende Erkennt nisse noch nicht richtig zur Anerkennung gelangt sind. Ähnlich mag es auf dem Gebiete der Buchillustration sein, wo man sich unter dem Eindruck der Entwick lungen der neueren Zeit vielleicht zu sehr von der Vorstellung eines einheitlichen Kulturablaufes leiten ließ, obwohl ein solcher in der Frühzeit keineswegs überall und ständig vor sich gegangen ist. Es ist not wendig, die verschiedenartigsten Erscheinungen der Frühzeit im Rahmen ihrer Epoche zu sehen und dar aus einen dieser Zeit angemessenen Entwicklungs begriff zu gewinnen. Bisher hat man die Anfänge der Kunst der Buch malerei so gut wie ausschließlich von den Anregungen aus erklärt, die durch die irische, zu anderer Zeit auch die angelsächsische Mission ins Land gekommen seien. Heute sieht man, daß gleichzeitig mit den ältesten insularen Handschriften auch solche entstanden sind, die bodenständige Traditionen verkörpern, die in Text und Ornament eher auf Oberitalien und den lan» gobardischen Bereich verweisen, als auf das Gebiet der Inseln. Soweit man Vorlagen besitzt oder erschlie ßen kann, ergeben sich immer wieder ähnliche Fest stellungen. Das Ergebnis solcher Beobachtungen kann doch wohl nur das sein, daß wir im Alpenvorland, im Bereich von Salzburg und mindestens bei dem etwas jüngeren Kloster Mondsee (gegründet 749), in gewisser Beziehung sogar bei dem 777 gegründeten Krems münster mit einer gewissen kulturellen und künst lerischen Kontinuität, vielleicht mit einem Fortleben romanischer, christlicher Kultur rechnen müssen. Zwei fellos sind diese bald gänzlich in der neuen Um gebung aufgegangen, nicht ohne daß sie in diesem Entwicklungsablauf auch von den nahegelegenen oberitalienischen Zentren, wie Verona, Padua und Ravenna belebt und befruchtet wurden. Der Nachweis dieser Vorgänge wird freilich Aufgabe von Sonder studien sein müssen. Vielleicht wird man gegen eine solche Darstellung Einspruch erheben, wenn man von der bisher herr schenden Meinung ausgeht, daß den Beginn der Salzburger Entwicklung und damit den Anfang der Kunst am Ostalpenrand zwei Kunstwerke gebildet hätten, die die insularen, germanischen Formen ganz augenfällig erkennen lassen. Wir meinen den Tassilo-Kelch von Kremsmünster und den Cutbercht-Codex, der sich jetzt in der Oster reichischen Nationalbibliothek in Wien befindet. Für den ersten hat noch vor kurzer Zeit P. Pankraz Stollen mayer in einer sehr eingehenden Analyse versucht, die insulare Herkunft nachzuweisen. Etwa gleichzeitig ist aber eine Studie von G. Haseloff erschienen, deren Darlegungen den Ursprung im Salzburger Bereich behaupten, und die sich in der Wissenschaft durch gesetzt haben dürfte. Auch beim Cutbercht-Codex ist die Sachlage ähnlich. Erst die mühsame Textunter suchung vom P. Willibrord Neumüller in der soeben erschienenen und in diesem Heft (Seite 140} bespro chene Monographie über den Kremsmünsterer Codex M i I I e n a r i u s hat den Nachweis erbracht, daß auch die erstgenannte Handschrift im Salzburger Bereich entstanden sein muß, und daß als Vorlage eine ober italienische Handschrift mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Die ikonographische Prüfung der Evangelistenbilder führte zu den gleichen Ergeb nissen. Die erste Abbildung (Abb. 7) zeigt den Evan gelisten Lukas, eine Miniatur, bei der dunkelgrün und violett vorwiegen. Die Darstellung ist stark abstrahiert und ins Visionäre gesteigert. Die graphische Gestal tung arbeitet mit ganz einfachen Mitteln und ver wendet große Linien. Für die Haltung des Evangelisten lassen sich verblüffende Parallelen in byzantinischen

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