Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 4

Dann aber empfahl ihn Otto III. dem Bischof Balderich von Lüttich, in dessen Dienst Johannes bis zu seinem Tode verblieb. Die überragendste Gestalt unter diesen geistlichen Künstlern ist jedoch Bernward von Hildesheim. Bischof, Kriegsmann, Architekt, Bildhauer, Maler, Wissenschaft ler und Heiliger der Kirche zugleich, — das will uns Modernen fast zuviel für ein Menschenleben scheinen. Aber diese Einheit der geistigen Welt charakterisiert das frühe Mittelalter. „Nicht nur in unserm Münster, sondern an verschiedenen Orten richtete er Schreib stuben ein, so daß er eine reichhaltige Büchersamm lung sowohl göttlicher als philosophischer Schriften zusammenbrachte. Die Malerei aber und die Skulptur und die Kunst in Metallen zu arbeiten und edle Steine zu fassen, und alles, was er nur Feines in dergleichen Künsten ausdenken konnte, ließ er niemals vernach lässigen, so daß er auch an überseeischen und schotti schen Gefäßen, die der königlichen Majestät als be sondere Gabe dargebracht wurden, was er selten und ausgezeichnet fand, zu nutzen wußte." So berichtet sein Biograph Thangmar®"). In der „Schedula diversarium artium" des Theophilus Presbyter (um 1100) besitzen wir ferner „eine ausführ liche Enzyklopädie der frühmittelalterlichen Kunst fertigkeit"'^). Die Einleitung zu diesem Werk weist darauf hin, daß der Mensch schon durch die Erschaf fung an der Weisheit Gottes teil hat und daß selbst durch die Erbsünde dieses „erbliche Recht" an aller Kunst und Wissenschaft nicht erlosch. Ja die Kunst wird in nahezu moderner Weise als Spiel aufgefaßt: „Theophilus, der niedere Priester, Knecht der Knechte Gottes, des Namens und Amts eines Mönches nicht würdig, wünscht allen, welche des Geistes Müßiggang und Schwärmerei des Sinnes durch eine nutzbrin gende Beschäftigung ihrer Hände, durch erfreuliche Betrachtung des Neuen ablenken und unterdrücken wollen, den Empfang des himmlischen Lohnes""). Neben dieser allgemein bekannten Literatur, die mehr die praktische Anerkennung der Kunst betrifft, finden sich gelegentlich auch theoretische Äußerungen. So in den Akten der Synode von Arros aus dem Jahre 1025"). Es handelt sich um „einige aus Italien gekommene Häretiker (Hefele), die man in Arras ähn lich wie die Verurteilten der Synode von Orleans (1022) neue Monichäer nannte"). Die Abfassung der Akten der Synode von Arras schreibt man dem Bischof Gerhard I. von Cambroi zu, der in der von Gerbert von Reims (des späteren Papstes Silvester II.) errich teten Schule erzogen worden war"). In den Akten findet sich ein eigener Abschnitt über das Kreuzbild. Gerhard geht in gewohnter Weise vom Alten Testa ment und vom Vorbild der ehernen Schlange aus. Der alte Topos von der Malerei als Hilfe für die Unge bildeten wird von ihm ebenfalls benutzt. Weiterhin bringt das Kapitel eine Gleichsetzung von Plastik und Malerei („truncus ligneus" — „picturae lineamenta"). Weder das Holz noch das Menschenwerk („opus humanum") seien anzubeten. Durch das Bild werde vielmehr der Geist des Menschen angeregt, der Geist, in den Christi Leiden wie in das Buch des Herzens eingeschrieben wird, damit jeder in sich selbst wieder erkenne, was er seinem Erlöser schulde. Ähnlich sol len wir bei dem Anblick der Heiligenbilder innerlich angeregt werden, das Wirken der göttlichen Gnade zu betrachten und aus dem Tun einen Nutzen für unseren Lebenswandel zu ziehen"). Neue Motive scheinen in dieser Formulierung das subjektive Element („mens interior hominis") — „in mebrana cordis" — „in se unusquisque recognoscat") und das Wirken der Gnade („gratiae divinae operatio"). Dazu bringen die Hinweise auf das Wirken der Gnade, die Akte der Heiligen und den eigenen Lebenswandel eine besondere Betonung des aktiven Elementes mit sich. Von einem „Prototypus" und einer „forma prima" ist hier nicht die Rede. Vielleicht deutet sich in solchen Varianten der früh mittelalterlichen Motivierung der Bildverehrung, in denen das Subjektive und Aktive anklingen, die Eigen art des Westens und der Wandel der Frömmigkeit im Abendland mit an. Wenn also — wie Praxis und Theorie es zeigen — die Werte des Bildes und damit die Kunst sich einer ungestörten Entfaltung erfreuen konnte, so brachen doch gerade damals die Probleme des Bilderstreites an einer für die Theologie viel bedeutsameren Stelle wieder auf, nämlich in der Frage noch dem Wesen der Eucharistie. Nach der Vorstellung eines Clemens von Alexandrien und Origines sind sakramentales Zeichen und sakramentale Heiligung oder vielmehr Symbol und Christus beziehungsweise Heiliger Geist auf das innigste miteinander verbunden. Die Verbundenheit ist von ähnlicher Innigkeit wie jene zwischen dem Logos und der von ihm angenommenen menschlichen Natur. Man übersah in der alten Kirche die Unterschiede nicht, betonte aber die Ähnlichkeit. „Die Ostkirche hielt an dieser Einheit fest bis zum Bilderstreit. Da wurde, um den Bilderkult zu retten, der Eucharistie, welche die Bilderstürmer als einziges und wahres ,Bild' Christi gelten lassen wollten, die volle Wirklichkeit der Gegenwart Christi vorbehalten. Der Ikone sollte eine niedrigere Stufe wirklicher Gegenwart des Abgebildeten zugeschrieben werden, eben die bild hafte oder symbolische. Dadurch wurde das Symbol oder das Bild der Erfüllung durch die abgebildete Wirklichkeit entleert. Es kam zu einer Auflockerung der Einheit zwischen dem sichtbaren Zeichen und der in ihm dargestellten Wirklichkeit. Zur völligen Trennung kam es im Abendland, als Theologen wie Ratramnus und Berengar den im Bilder streit entstandenen, entwerteten Symbolbegriff auf die Eucharistie anwandten")." Die Schriften von Ratramnus von Corbie (Mitte 9. Jh.) sind unbekannt geblieben"). Dagegen haben

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