II. Die Bilderlehre Karls des Großen Es gibt an sich keine eigene Bilderlehre des Westens. Die Bilderlehre des hl. Johannes Damascenus ist katholisch und von Papst und Konzil anerkannt. Aber gerade das Konzil von Nicaea II im Jahre 787 bzw. seine Akten haben. Karl den Großen und seine Theologen in Bewegung gebracht und zu einem eigenen Werk veranlaßt. Die Libri Carolini (=LC) — die vier Bücher Karls des Großen zum Bilderstreit — bemühen sich, zwischen den Bilderstürmern und Bil derverehrern eine mittlere Linie zu konstruieren, ohne Rücksicht auf die päpstliche Entscheidung und die Ein wände Hadrians. Dabei zeigt sich nicht nur „das Selbst- und Kraftgefühl der fränkischen Kirche, welches mit jugendlicher Unverschämtheit hervorbricht, die ältere und weisere Schwester (Byzanz) des Irrtums überführt . . sondern auch die Diskontinuität des karolingischen Westens, dem die orientalische und griechische Problematik nicht geläufig war. Die Ver schiebung der spekulativen Akzente wird vor ollem in der Trennung des theologischen Bildbegriffes vom Bild im Sinne der bildenden Kunst deutlich. Wenn die Theologen Karls des Großen gegen die Verehrung der Bilder polemisieren, meinen sie natürlich nicht den Logos als Bild des Vaters, sondern das gemalte Bild. Damit scheint die Kunst als Profanbereich gedanklich in den Vordergrund gerückt und jene Unterscheidung zwischen sakraler und profaner Kunst, die auch in der Gegenwart nur mit Unbehagen besprochen wird, voll zogen. Eine innertrinitarische Spekulation als Grund lage für die Bildtheorie der Kunstwerke lehnt man ab und kommt deshalb bei der Besprechung der drei Wesenselemente des Bildes zu negativen Feststellun gen: Die Bilder sind ungeistig, ohne Ursprungsbezie hung und ohne Geheimnis^®). Quid est imago Dei? Diese Frage beantworten die LC mit dem hl. Augustinus: Das Bild Gottes sei etwas Unsichtbares, etwas Geistiges. Also könne es nicht körperlich sein, nicht mit materiellen Farben gemalt werden. Bild Gottes sei Christus allein. Der Mensch sei zwar nach dem Bilde Gottes und ihm ähnlich ge schaffen, aber das, was Gott und den Menschen gemeinsam ist, sei der Geist. Was aber dem Menschen und dem Bilde gemeinsam ist, sei das Körperliche. Die Bilderverehrer seien deshalb Anbeter von Tafeln und Wänden. Die Frage nach der Ursprungsbeziehung beantwor ten die Theologen Karls ebenfalls negativ: Imaginis honor non in primam formam transit"). Sie meinten, dafür fehle jeder Beweis und erklärten, die Heiligen hätten nie geduldet, daß man sie anbete, geschweige denn ihre Bilder. Dazu müßte man die Bilder nach Alter, Schönheit, Qualität und Ähnlichkeit unterschei den. Danach besäßen sie sehr verschiedenen Wert und könnten deshalb nicht in gleicher Weise verehrt werden. Die Beziehung zur ersten und ursprünglichen Form wird nach den LC durch die Bildunterschrift gewähr leistet. Da malt zum Beispiel ein Künstler zwei Tafeln mit Frauenbildnissen. Unter die eine Tafel schreibt er Maria, dann wird das Bild verehrt, unter die andere schreibt er Venus, dann wird das Bild verdammt. Warum kann eine schöne Frau, die ein Kind auf den Armen trägt, nicht auch Rebecca mit Jakob sein oder Venus mit Äneas oder Alkmene mit Herkules"). Damit ist auch die dritte Frage beantwortet. Die Bilder sind ohne Geheimnisse. Sie erzählen nur von wirklichen (d. h. geschichtlichen) Vorgängen oder von erdichteten Dingen, doch beide — Geschichte und Dichtung — sind ohne Mysterium. Der Spruchort über der Bundeslade strahlte und leuchtete von Geheim nissen, der brennende Dornbusch bildete ein Myste rium, aber von gemalten Bildern, die ein Geheimnis offenbaren, berichtet die Heilige Schrift nicht. (Dabei wird beispielsweise die Plastik — die eherne Schlange — ausgeklammert und die Diskussion auf die Malerei allein eingeschränkt.) Auch wenn es wunderkräftige Bilder geben sollte, — was die LC bezweifeln — wäre von daher keine adoratio zu begründen. Die Eigenart der Spekulation der LC, die durchaus mit modernen Gedankengängen zu diesen Fragen nicht verwechselt werden will, wird sofort deutlich, wenn man bedenkt, daß die karolingischen Theologen das, was sie den gemalten Bildern absprechen, den Reliquien, dem salomonischen Tempel, der ehernen Schlange und vor allem dem Kreuz durchaus zuerkennen, nämlich die Sakralität. Die Aufgabe der Malerei selbst beschränkt man auf Schmuck und Vergegenwärtigung von histori schen Ereignissen („ad ornamentum vel ad res gestas monstrandas"). Iii. Die Bildtheorien unter den Nachfolgern Karls des Großen In der Nachfolge der LC entstehen im 9. Jahrhun dert eine Reihe von Büchern und Dokumenten zur Bilderfrage, die jedoch sehr verschiedenen Charakter besitzen. Erwähnenswert ist zunächst die Synode von Frank furt vom Jahre 794. Sie faßt noch einmal die Ansichten der LC gegen das 2. Konzil von Nicaea zusammen. Die Synode wiederholt dabei auch die falschen Vor aussetzungen der LC, wonach man in Nicaea gefor dert haben soll, die Bilder der Heiligen seien in gleicher Weise anzubeten wie die göttliche Dreifaltig keit. Diese These wird von der Synode zu Frankfurt ausdrücklich verworfen"). Weiterhin kann man das Buch des aus Spanien stammenden Bischofs Agobard von Lyon (769—840) über die Anbetung von Heiligenbildern von der Pro blematik der LC her verstehen. Das Werk stellt die Anbetung Gottes in den Mittelpunkt und lehnt scharf
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