Christliche Kunstblätter, 97. Jg., 1959, Heft 3

Die höhere südliche Episteiwand der geosteten Ka pelle ist als ganzes von Manessier als Glasfenster gestaltet worden; in dieser Kapelle wurde nur Betondickglas verwendet, bei dem die Zeichnung des Betons stark die Struktur mitbestimmt und in manchen Stellen das Glas oft nur als Füllung wirkt. Im Verlauf dieser Südwand hat der Künstler mit verbreiteten Beton flächen in einer Art pflanzlicher Ausformung eine Zäsur geschaffen, die dem Ganzen Halt und Ordnung gibt. In diesen starken Betonfeldern öffnen sich fensterartige Formen, die mitten in der lebendigsten geistigen Aussage des Künstlers eine Wand setzen, dem Raum dienen und die Bilderwelt steigern. Die Gefahr bloßen Dekors in einer so großen und dabei äußerst feingliedrig behandelten Wand ist dadurch leichter gebannt worden. Man könnte bei der pflanz lichen Form dieser Betonzäsur auch an den Baum des Lebens denken. Dies zur Gliederung dieser großen Wand. Rückwärts in der Nähe des Eingangs finden wir viel Blau, Violett und wenig Rot in einer ver haltenen Skala, vorne im Altarraum auch leuchten dere Farben. Aus dem Ganzen ist die persönliche Aussage des Künstlers herauszulesen, dessen see lisches Erleben diese Farbenakkorde anschlug, aber auch seine Naturnähe. Wir geben dem Betrachter recht, der Verwandtes mit den Blumen des heiligen Franziskus in diesen Fenstern fand. Und auch jenem, der in ihnen Freud und Leid im Leben der Titelhei ligen „vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz" erschaute. Das Votivbild der heiligen Theresia, eine Stein plastik des einheimischen Bildhauers Dodeigne, kann man wohl als gelungen bezeichnen. Rechts vorne im Altarraum stehend, empfängt es lebendige Verwand lung vom Flimmerlicht der Südwand. Immer brennen Kerzen davor; die Menschen des Ortes haben diese Theresiengestalt ins Herz geschlossen. Schemenhaft zeugt sie von der Kontemplation der Karmelitin. Die gegenüberliegende niedrigere Fensterwand vor dem Sakramentsaltar scheint in manchem fast mathe matisch geordnet aus Blau, Gelb und wenig Rot, jedenfalls starrer als die Südwand, die das Opfer des Priesters und der Gläubigen begleitet. Ein goldenes Licht verklärt den Tabernakel, vor dem immer wieder Beter knien. So bleibt von der Ausstattung als letztes in einem doppelten Sinn zu berichten von dem „Heiligen Ant litz" des Künstlers Georges Rouault, dos uns hier in erneuerter und verwandelter Gestalt von einem ge webten Bildteppich über dem Hochaltar entgegen blickt. Es ist wohl eine Tatsache, daß in diesem Christusbild unserer Zeit ein Werk erwachsen ist, das wieder die Fraglosigkeit sehr alter Bilder in sich trägt. Erstaunlich, daß dieser Bildteppich nach einem Karton von Manessier gewebt wurde und erst nach dem Tode Rouaults gelang; die unbefriedigenden Ergebnisse der ersten beiden Versuche wurden ver nichtet. Freilich bleibt die Fragwürdigkeit der Repro duktion eines einzigartigen Originalwerkes in einer anderen Technik. Hier mußte es noch dazu vergrößert werden zu architektonischen Maßen. Die Farbigkeit wurde auf Schwarz und Ocker reduziert. Und doch kann man sagen, daß das Bild nichts von seiner Dichte eingebüßt hat. Mit diesem „Gesicht" scheiden wir von der Kapelle der heiligen Theresia, in der auch durch das Werk der Künstler Überwirklichkeit präsent geworden ist. Das Bekenntnis des Stifters in seinem Schreiben an Kardinal Lienart von Lille zur Einweihung des Gotteshauses am 30. März 1958 ist geprägt von der Wahrheit und Echtheit dieses Wer kes: „Hier ist die Kunst nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zur Verherrlichung Gottes. Die große Dürf tigkeit der Kapelle ist nicht Armut, sondern Askese und sie erreicht den Geist der romanischen Kunst, die aus Gründen der Konzentration die Aufmerksamkeit auf das Hauptsächliche gerichtet hat: auf den Altar und das heilige Opfer . . . Wir gehören zu jenen, die wie Rouault denken, daß die Kunst in die Kirche nur knieend und in der Stille eintreten darf. In unserem Gemeinschaftswerk, in dem viele Künstler und Unter nehmer auch viel von ihrer Zeit opferten, sollen keine ästhetischen Spekulationen erblickt werden, sondern nur der reine Gesang der Liebe." Anton Henze Der Kirchenbaumeister Hans Schädel Dazu die Abb. 9—13 Jm katholischen Kirchenbau sind heute starke und dynamische Kräfte am Werk. Die Pfarr kirche, in der die Entwicklung des neuen Kirchenrichtet, man bemüht sich aber, aus diesen traditio nellen Grundrissen zu dynamisch bewegten Anlagen zu kommen, in denen das Trapez, das Dreieck und gebäudes begann, wird noch auf den hergebrachten freie Rundformen zu einer Integration in der GrundGrundrißmustern des Rechteckes und des Kreises er- fläche und im Raum gelangen. Mit den dynamischen

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